… die Klimakrise. Nein, sie kommt nicht erst, sie ist schon da. Das tägliche „Murmeltier“ sind die Bilder von Naturkatastrophen, von brennenden Waldgebieten, von uns entgegen gurgelnden Wassermassen — nicht irgendwo, sondern hierzulande und gleichzeitig an vielen anderen Orten auf dem Globus. Das kann man nicht verharmlosen, das entspricht exakt dem, was Wissenschaftler seit den 1980er Jahren vorausgesagt haben, sofern nicht gegengesteuert wird.
Und? Wurde gegengesteuert? Hier kommt die Frage nach den Interessen ins Spiel. Diejenigen Konzerne, deren Geschäftsmodelle auf fossilen Brennstoffen basierten, die also Kohle, Öl und Erdgas verkauften und/oder weiter verarbeiteten, wollten weiter daran verdienen und hatten genug Geld, um Wissenschaftler zu kaufen, damit sie Zweifel an der vorhergesagten Klimakrise streuten, und sie bewogen einige Politiker dazu, sich den Zweiflern anzuschließen und diese Ansicht in vielen TV-Talkshows zu vertreten. So wurde das Gros der Bevölkerung verwirrt und daran gehindert, die Warnungen der Wissenschaft ernst zu nehmen. Und weil das so gut klappte, wurden diese Sedierungs-Kampagnen weitergefahren.
In den Nuller-Jahren des 21. Jahrhunderts sprach sich doch langsam herum, dass da was auf uns alle zukommt und man sich Maßnahmen überlegen müsste, z.B. die Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Jene besagten Knilche in den Talkshows brachten dagegen vor, dass es wenig bringe, wenn nur ein Land voranginge und die anderen weitermachten wie bisher. Außerdem wurde bei jeder Gelegenheit vorgebracht, Deutschland erzeuge doch eh nur 2% der weltweiten CO2-Emissionen… (Das klang wenig, bezogen auf die absoluten Zahlen, verschwieg aber, dass wir, pro Kopf der Bevölkerung einen viel höheren Ausstoß haben und in der Spitzengruppe liegen.)
Kurzum, die Vernebelung der tatsächlichen Lage ging weiter, während manche PolitikerInnen clevere PR-Aktionen starteten, z.B. Bundeskanzlerin Merkel, die, begleitet von einem Troß von Kameraleuten und Journalisten, per Schiff vor Grönland aufkreuzte, denn die Öffentlichkeit hatte zuvor über die Medien erfahren, dass auch dort das beschleunigte Abschmelzen des Gletscher-Eises zu beobachten war. In den Medien wurde sie darauf schon als „Klima-Kanzlerin“ tiituliert.
Was aber unternahm „die Politik“, Bundes- und Landesregierungen, wirklich, um Klimaschutz zu betreiben? Während z.B. in Paris ein internationales Klimaschutz-Abkommen unterzeichnet wurde, das die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen soll, geschah in Deutschland wenig, gemessen am vereinbarten Ziel. Die Regierung Merkel wurde vom Bundesverfassungsgericht dazu verpflichtet, ein Klimaschutz-Gesetz nachzubessern.
Doch was passierte in Sachen „Energiewende“? Bundes- und Landesregierungen fielen nicht durch Engagement auf, wenn es um den Ausbau alternativer Energien ging: Der Windkraft wurden jede Menge Steine in den Weg gelegt, und die Produktion der Solarstromtechnik wurde dermaßen stiefmütterlich behandelt, dass China die Chance ergriff und mit staatlichen Subventionen alternativlos billige Solaranlagen anbot, die die deutsche Produktion abwürgten.
Die Merkel-Regierung ließ sich von der Industrie auch dazu überreden, den Energiebedarf in großem Stil mit billigem Gas aus Russland zu decken. Wir erinnern uns ja alle noch an den Streit um die Gas-Pipeline „Nord Stream 2“. Im Nachhinein war es peinlich, dass niemand die Warnungen aus der Ukraine und den baltischen Staaten hören wollte. Deutsche Regierungen dachten, Putin sei in der Wirtschaft ein verlässlicher Partner wie früher die Sowjetregierungen.
Aber zurück zur Klimapolitik: Unter Merkel, man muss es so sagen, tat der Wirtschaftsminister alles, um die Energiewende zu torpedieren oder zu verzögern. Toll trieb es auch die bayrische Staatsregierung in Sachen Verhinderung. Noch heute muss man beispielsweise Windräder in Bayern mit der Lupe suchen. Aber ganz vorn dabei sind sie in Bayern, wenn es um die Bekämpfung und Kriminalisierung der Letzten Generation geht, die sich aus Verzweiflung über die lahme Klimapolitik öfter mal auf Straßen festklebt und den Verkehr zum Stillstand bringt. Dabei werden Ursache und Wirkung vertauscht: Die „Klimakleber“ werden kriminalisiert und verteufelt, aber wer redet davon, dass eine lahme oder ganz unterbleibende Klimapolitik in einem moralischen Sinne kriminell ist?
Der aktuelle Finanzminister Lindner und ein Teil seiner FDP fahren eine ähnliche Strategie: Schon die (noch zahmen) Demonstrationen der Bewegung Fridays for Future wollte man inhaltlich nicht ernst nehmen, argumentierte formaljuristisch (mit Verweis auf die Schulpflicht), Lindner selbst sprach ihnen sogar die Sachkompetenz ab. Das fand ich ignorant, denn Lindner schien keine Ahnung davon zu haben, was heutzutage in höheren Klassen auf dem Lehrplan steht. Wer mal einen Schulatlas durchblättert, der um 2015 erschienen ist, der stellt erstaunt fest: Hier geht es nicht mehr wie vor Jahrzehnten um Geografie und ein bisschen Wirtschaft, eher scheint es um viel Wirtschaft, viel Ökologie und ein bisschen Geografie zu gehen. Mein Fazit: Lindner hat sich da als jemand gezeigt, der auch mal forsch was behauptet, ohne Bescheid zu wissen.
Auf jeden Fall sind die (nicht nur jungen) Leute, die sich in Umwelt-Initiativen und politischen Bewegungen engagieren, nicht bloß emotional betroffen, sie haben außerdem Sachkenntnis und wissen meist, wovon sie reden. Solche Leute wünschen sich viele Parteien als Mitglieder, doch die meisten bleiben lieber außen vor, vielleicht weil sie als Parteimitglied Vieles nach außen vertreten müssten, was sie womöglich weniger gut finden.
In den TV-Nachrichten: schon wieder kleine Flüsse, die zu reißenden Strömen wurden, wieder brennen große Waldflächen an verschiedenen Orten des Globus… Hört das denn nicht auf? Wenn Ihr die Wahrheit vertragen könnt: Nein, es wird nicht aufhören, es kann höchstens noch schlimmer werden. Die Wissenschaft hat Euch das längst gesagt. Aber Manche wollen es nicht glauben, sind Meister im Verdrängen, auch wenn täglich das Murmeltier grüßt…
W. R.
Schlagwort-Archive: Fridays For Future
Mein kleiner Beitrag
Das bisschen Müll, das ich zurücklasse – ach komm, das fällt doch gar nicht ins Gewicht! Was bewirkt schon mein kleiner Beitrag gegen die großen Verschmutzer? Was bewirke ich Einzelner überhaupt, wenn ich auf viel Fleischkonsum verzichte oder weniger Auto fahre?
Verführerisch raunt uns eine Stimme ins Ohr: Dein kleiner Beitrag bewirkt doch gar nichts, um den Klimawandel zu bremsen! Lass doch erst einmal die Anderen ihr Verhalten ändern!
Und noch eine teuflische Stimme ruft: Was können wir überhaupt tun? Wir können die Erderwärmung nicht stoppen. Wir können den Plastikmüll nicht mehr aus den Ozeanen holen. Wir können… ja, was denn? Einfach alles laufen lassen, uns in das Schicksal ergeben, unseren Kindern und Enkeln eine vermüllte, sich weiter erhitzende Welt des Untergangs hinterlassen?
Das haben wir uns so vorgestellt: Wir kosten es noch aus, uns einfach gehen zu lassen. Verzichten und umdenken sollen dann Andere, wir nicht.
Und dann kommt ein nicht gekannter Sturzregen über uns, zerstört Schienenwege und sogar Autobahnen, sogar fern vom Katastrophengebiet stehen wir nun im Stau. Das hatten wir uns nicht vorstellen können!
Junge Menschen sagen uns: Was habt Ihr denn geglaubt! All die Warnungen seit Jahrzehnten, Ihr habt sie nicht ernst nehmen wollen. Wir haben im Schulunterricht gelernt, wie das zustande kommt und was für Folgen das hat. Darum sind Viele von uns auf die Straße gegangen und haben mit „Fridays For Future“ für eine vernünftige Klimapolitik demonstriert. Aber Ihr wolltet uns nicht ernst nehmen, habt sogar gemeint, das Thema sollten wir den Fachleuten überlassen (so Lindner von der FDP). Jetzt begreift Ihr hoffentlich, wer die wahren Fachleute sind, und wer Euch was vom Pferd erzählt.
Das Dilemma ist: Solange Ihr nicht kapiert, dass jeder einzelne Beitrag zählt; solange Ihr nicht begreift, dass die ganze Misere menschengemacht ist; solange Ihr nicht anfangt, als Teil der Menschheit Euren kleinen, aber wichtigen Beitrag zu leisten — so lange besteht für die Menschheit keine Hoffnung.
Ihr meint: Das ist übertrieben und dramatisiert? Jetzt fangt Ihr ja schon wieder an, Euch zu drücken und die Augen zu verschließen! So geht’s weiter abwärts! Da hilft nur noch eins: Wir, die die Katastrophe noch abwenden wollen, müssen Euch entmachten. Ihr lasst uns keine andere Wahl…
M. B.
Dies ist ein Gastbeitrag von Mark Bogner, dem wir hier eine Stimme gegeben haben – stellvertretend für seine Generation.