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Nach der Wahl: Neues und Altes

Die Bundestagswahl ist gerade vorüber, da zeigt sich Neues, aber auch Altes.
Neu ist, dass schon am Wahlabend die Spitzen von FDP und Grünen erklären, sie wollten vorab Gespräche führen, ehe sie mit den größeren potentiellen Partnern SPD und CDU in Sondierungen und ggf. Koalitionsverhandlungen eintreten. Dies ist historisch neu, ergibt sich aber aus der Situation des Wahlergebnisses, da SPD und CDU nur wenig Abstand beim Ergebnis trennt (siehe Grafik) und sie mehr als einen Partner zur Regierungsbildung brauchen.

Theoretisch könnten also SPD wie CDU/CSU eine Dreierkoalition führen. Da niemand ernsthaft eine erneute Große Koalition anpeilt, bleibt bei diesem Wahlergebnis nur die Option einer Dreierkoalition mit Grünen und FDP.


Nicht neu ist, dass CSU-Chef Markus Söder wieder gegen Armin Laschet stänkert. Das hatte er nur kurz vor der Wahl eingestellt, als es nach Umfragen eng für die Union (CDU-CSU) wurde. Laschet soll nun der alleinige Sündenbock für das schlechte Ergebnis der Union sein, wenn es nach Söder und seinen AnhängerInnen geht. Aber von außen betrachtet dürfte klar sein, dass Söder mit seinem Verhalten nach der Kandidatenkür von Laschet viel dazu beigetragen hat, das Vertrauen der WählerInnen in einen möglichen Kanzler Laschet zu untergraben, und dass er – mehr noch – in der Union selbst die Motivation gemindert hat, Laschet im Wahlkampf nach Kräften zu unterstützen.
„Der Wähler“ und „die Wählerin“ mögen es nach Meinung vieler Kommentatoren nicht, wenn eine Partei uneinig auftritt. Doch gerade das hat nicht nur der Union geschadet, sondern auch den Linken und der AfD. Alle drei haben deutliche Stimmenverluste zu verbuchen (vgl. Grafik).
Was hat Söder geritten, Laschet mieszumachen? Wenn ich spekulieren darf: Ich denke, es war in erster Linie der Trieb zur Macht eines „Alpha-Tieres“: Er verspricht sich langfristig vom Scheitern Laschets einen persönlichen Machtzuwachs als der neue starke Mann der Union. Schon am Wahlabend stellte er fest, die CSU habe ja nun im neuen Bundestag innerhalb der Union zahlenmäßig ein größeres Gewicht (heißt: und damit Anspruch auf noch mehr Mitsprache). Söder schiebt sich und die CSU also weiter nach vorn.

Knapp zwei Tage nach der Schließung der Wahllokale steht eins fest: Es bleibt spannend, vielleicht sogar spannender als während des Wahlkampfes.

W. R.

Nachbemerkungen am 05.10.2021:

  1. Natürlich dauert es lange, d.h. Wochen oder Monate, bis eine Koalition verhandelt und eine neue Regierung gebildet ist. Bis dahin gibt es nur Statements für das Publikum, die nicht viel aussagen. Und, in den vergangenen Tagen, Durchstechereien aus vertraulichen Gesprächen der Union mit Grünen und FDP, die nur ein Ziel haben können: Jemand will eine Regierungsbeteiligung der Union torpedieren, vor allem einen Kanzler Laschet verhindern. Wer in der Union hat daran Interesse? Und wenn, was verspricht sich der Durchstecher von einem Gang der Union in die Opposition?
  2. Vor allem aus der SPD wurde sofort nach der Wahl vorgetragen: Ist doch klar, dass die WählerInnen eine Regierung aus den Parteien wollen, die zugelegt haben, und nicht aus denen, die stark verloren haben (nach dieser Logik wäre ja Annalena Baerbock Germany’s next Kanzlerin, wegen der Stimmengewinne der Grünen, vgl. Grafik oben). Doch so läuft das nicht. Die Wahlbevölkerung hat gesprochen, wir haben ein Wahlergebnis. Und nun haben die Verhandelnden der Parteien das Wort, und dabei geht es zu allerletzt um irgendwelche Meinungen und Stimmungen in der Bevölkerung, sondern allein darum: Was können wir aus diesem Wahlergebnis machen? Und da zählen folglich zunächst die rechnerischen Möglichkeiten der Regierungsbildung. Dann geht es darum, wer kann gut mit wem? Und schließlich geht es entscheidend darum, wer bekommt was oder wieviel von seinen Anliegen und Wünschen zugesichert? Letzteres fließt dann in einen Koalitionsvertrag zwischen den beteiligten Parteien ein, die sich auf eine Regierungsbildung geeinigt haben. Dabei hat das Wahlvolk nichts zu melden, weil wir eine repräsentative, parlamentarische Demokratie haben. Am Schluss der Prozedur wird der Bundestag jemanden zum Kanzler wählen (zur Kanzlerin eher nicht). Und der stellt dann der Öffentlichkeit seine Regierung vor.
  3. Wer wissen will, nach welchen Regeln gespielt wird, kann das im Grundgesetz nachlesen. Da steht übrigens nichts drin von Internet-Petitionen, die nach der Wahl bei Sondierungs- und Koalitionsgesprächen beachtet werden müssten.
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