Schlagwort-Archive: Beatus-Chronik

Als Irland Westeuropas Kultur befruchtete

052Wenig bekannt ist vielen historisch Interessierten, dass es in Europa eine Zeit gab, in der weniger die Parole „Ex oriente lux“ (Aus dem Osten Licht) galt, sondern vielmehr die kulturelle Entwicklung und Weitergabe antiker Gelehrsamkeit sehr von der frühchristlichen Kultur Irlands beeinflusst und geprägt wurde.

Keltisches Hochkreuz, Irland, frühes Mittelalter

Keltisches Hochkreuz, Irland, frühes Mittelalter

Für die Zeit des angehenden Mittelalters sagt Geoffrey Ashe (1976) über Irland: „Soon Erin was the most cultured land of Western Europe: the only one, for instance, where any appreciable number knew Greek.“ Kein Wunder also, dass Missionare aus Irland nach Großbritannien und zum Kontinent ausschwärmten, Christentum und Kultur im Gepäck (s. auch Karten in: DIE BEATUS-CHRONIK, S. 159f.). In der Buchmalerei der westeuropäischen Klöster dominierte der ornamentale Stil der Iren, und Karl der Große betraute den in der irischen Tradition geschulten Alcuin von York mit kulturellen Projekten, um nur zwei Beispiele zu nennen.

Vom sogenannten (!) „finsteren“ Mittelalter konnte also, was die Hochkultur und die Welt der Gelehrten anging, im Irland des frühen Mittelalters überhaupt keine Rede sein. Bei Ashe findet auch ein irischer Mönch Erwähnung „… named Ferghil or Virgil, [who] became bishop of Salzburg and caused a stir by teaching that the earth is round and that other inhabited worlds exist.“ Offenbar waren das Dinge, die Andere damals nicht zu denken wagten.

Ferghil hingegen brachte diese Gedanken aus seinen Studien antiker Literatur mit, die in Irlands Klöstern bewahrt und per Kopie vervielfältigt wurde. Später wurde in Europa Vieles davon als teuflisches Machwerk vernichtet, Abschriften antiker Texte auf Pergament wurden ausradiert und als Palimpsest mit christlicher Literatur neu beschrieben. Noch im Laufe des Mittelalters gingen so etliche Werke antiker Autoren verloren. Von vielen dieser Werke kennt man nur noch die Titel oder kurze Textstellen, die von anderen Autoren in erhaltenen Schriften zitiert wurden.

Die Beatus-Chronik wirft zu Beginn einen Blick auf die Rolle Irlands im frühen Mittelalter (DIE BEATUS-CHRONIK, S. 17). Dem Chronisten lag wohl daran, die Ursprünge einer Bildungs-Tradition darzustellen, in der auch die seinerzeit (um 1300) geplante Universitätsgründung in Frechen stehen sollte.

-SR-13g+

5.6.1288 Schlacht bei Worringen

Zu diesem Er052faeignis erschien am 5.6.2013 im Kölner Stadt-Anzeiger ein ganzseitiger Artikel von Carl Dietmar, einem ausgewiesenen Kenner der Geschichte Kölns. Dieser Autor wird daher auch zu verschiedenen Fragen in DIE BEATUS CHRONIK zu Rate gezogen. In der Chronik selbst wird das Ereignis mit wenigen Sätzen behandelt (s.S.26, §55), der Chronist Beatus vergisst dabei nicht, auf den Treubruch der Kölner hinzuweisen: „Doch kurz vor einer wichtigen Schlacht (…) ließen die Kölner ihren Herrn im Stich, wechselten die Seiten…“ Auch Carl Dietmar beschreibt den plötzlichen Seitenwechsel als Vertrags- und Treubruch. Damit folgt er nicht der üblichen Bewertung der Schlacht, die den Treubruch eher übergeht und sie als Entscheidung für die Freiheit der Stadt Köln bejubelt. Dietmar weist zu Recht darauf hin, dass es nicht um Köln, sondern um die Machtverhältnisse am Niederrhein ging, und dass die Schlacht den Limburgischen Erbfolgekrieg entschied.

Dessenungeachtet feierte Köln sich als Mitsieger der Schlacht und stilisierte sie zum entscheidenden Ereignis der Stadtgeschichte im Kampf um Unabhängigkeit vom Stadtherrn, dem Erzbischof. Sogar eine Dankeskapelle für den Sieg wurde gebaut; ab 1309 führte der Rat am Jahrestag der Schlacht eine Prozession zur Bonifatiuskapelle und gedachte feierlich des Sieges.

An der Seite der kölnischen Abordnung kämpfte in der Schlacht im Kontingent des Grafen von Berg ein Haufen bergischer Bauern. Diese Bauern fielen durch ihr Verhalten aus dem Rahmen: Sie nahmen keine Gefangenen, um diese, sofern adelig und vermögend, später gegen Lösegeld freizugeben, vielmehr schlugen sie auf alles ein, was einen bunten Waffenrock trug, auf Freund wie Feind. War dies vielleicht ein frühes Beispiel von Klassenbewusstsein? Sahen diese Bauern in jedem Adligen einen Feind und potentiellen Unterdrücker?

Dietmar schreibt, die bergischen Bauern seien „mit den Regeln ritterlicher Kriegskunst nicht vertraut“ gewesen. Mag sein, dass niemand vor der Schlacht daran gedacht hatte, diese Bauern in einem „Briefing“ in diese Regeln einzuweisen. So gingen sie in die Schlacht, um zu schlachten. Auch deswegen lagen am Ende des Tages tausende Tote auf dem Schlachtfeld –  kein Grund zum Jubeln. Allerdings machten auch die Brabanter in einer kritischen Phase der Schlacht keine Gefangenen und töteten jeden Besiegten. Der Graf von Luxemburg lag am Ende mit seinen Brüdern ebenso unter den Toten wie eine große Zahl Adliger aus den Grafschaften Brabant, Berg, Geldern, Jülich, Limburg und dem Erzstift.

Großer Sieger ist Johann I. Herzog von Brabant, großer Verlierer (unter den Überlebenden) Erzbischof Siegfried von Westerburg.

Handfesten Nutzen haben die Kölner durch die Zerstörung der Zollburg des Erzbischofs in Worringen. Damit hatte Johann von Brabant sie auch geködert, ihrem Stadtherren in den Rücken zu fallen. Aus Kölner Sicht ist es wichtig, die Handelswege um Köln von zusätzlichen Zöllen freizuhalten. Wie die Kartenskizze zeigt, griffen die Kölner in jener Zeit mehrfach auch zu militärischen Mitteln, um Zollburgen des Erzbischofs zu beseitigen, teils im Bündnis mit dem Grafen von Jülich.

14b+

Während Siegfried von Westerburg auf Schloss Burg gefangen saß, eigneten sich einige Kölner seine Besitzungen und Einnahmen in der Stadt an.

Zwei Jahre nach der Schlacht von Worringen tagte in Bonn ein päpstlicher Untersuchungsausschuss zum Treubruch der Kölner gegenüber dem Erzbischof. Köln zahlte die ziemlich hohe Geldstrafe nicht und wurde mit dem Interdikt (Verweigerung kirchlicher Amtshandlungen) belegt, das erst von Siegfrieds Nachfolger Wikbold von Holte 1298 im Zuge einer Aussöhnung mit der Stadt aufgehoben wurde. –

Inhaltlich gestützt auf Carl Dietmars o.g. Artikel und das Buch „Worringen 1288“ von Vera Torunsky, Köln 1988)

Eine weitere Leseempfehlung: Carl Dietmar, Kölner Mythen. Köln 1999, S. 22-31. Hier hält Dietmar nicht mit deutlichen Wertungen zurück, z.B. dieser: „In der sogenannten ‚Köln-Literatur‘ sucht man vergebens nach einem Hinweis auf die Rolle der Stadt als ‚lachende Dritte‘, die – skrupellos und vertragsbrüchig – einen Konflikt ausnutzte, der sie nichts anging.“ (ebda., S. 30)

13g+