Bei all den heftigen Krisen der jüngsten Zeit scheint es sich zu verbieten, auf scheinbare Nebensachen oder vermeintliche Kleinigkeiten Aufmerksamkeit zu richten. Aber die Sache mit der „Kussattacke“ des kroatischen Außenministers auf die deutsche Außenministerin bei der Aufstellung zum Gruppenfoto (beim Ministertreffen in Berlin) ist dann doch ein Faux-Pas, der gerade einem europäischen Außenminister nicht passieren sollte.
Es ist noch gut in Erinnerung, welche Wellen die Kussattacke eines spanischen Fußballfunktionärs beim Empfang der spanischen Weltmeisterinnen schlug. Der Fall ging durch die Medien auch außerhalb Spaniens und musste einem Außenminister in Kroatien eigentlich bekannt sein. Außerdem sollte ihm eigentlich bekannt sein, dass Annalena Baerbock sich mehr Feminismus in der Außenpolitik auf die Fahne geschrieben hat. (Wenn nicht, war er schlecht „gebrieft“.)
Kurzum: Das ist gerade für einen Außenminister ein peinlicher Fehltritt. Baerbock hatte sich noch rechtzeitig weggedreht und bekam den Kuss nur auf die Wange. Sie äußerte sich zunächst nicht zu diesem Vorfall, wohl um die Peinlichkeit für ihren Ministerkollegen nicht noch zu vergrößern. Das taten dafür viele Stimmen in den social media, die sich empörten, nachdem der Minister in seinem Kussversuch kein Problem gesehen hatte.
Ist das Nebensache oder gar belanglos? Wer das ernsthaft meint, meint also: Frauen müssen sich das von Männern gefallen lassen, in der Öffentlichkeit und privat. Männer brauchen sie nicht zu fragen, ob sie ohne Vorwarnung auf den Mund geküsst werden wollen. Männer dürfen sich also gehen lassen, Frauen müssen das ohne Protest hinnehmen… Das ist die alte Macho-Welt, wo nur die Wünsche der Männer zählen. Das ist doch wohl nicht Euer Ernst!
W. R.