So wurde es in Wien am Konferenz- und Kartentisch ausgehandelt: Über die Köpfe der Bevölkerung hinweg, und entgegen den Ansprüchen vormaliger Territorialherren: Am 05. April 1815 übernahm Preußen das Rheinland, das zuvor unter Napoleon (linksrheinisch) zu Frankreich gehört hatte. Das ist genau 200 Jahre her – und darum, wie üblich, als runde Zahl Anlass zu Rückblicken in den Medien.
Warum soll einen das interessieren? Weil an Geschichte immer Fragen aus der Gegenwart gestellt werden. So wollen wir schon wissen, welche Folgen die Einrichtung der preußischen Rheinprovinz für das Rheinland hatte und noch hat. Und da kommt eine ganze Menge Stoff zusammen. mehr >Presseschau | Danke Berlin 2015
Wir haben hier schon mehrfach die Geschichte der linksrheinischen Gebiete und der Stadt Köln thematisiert, mit Schwerpunkt Mittelalter. Da ging es auch um die engen Grenzen des Kölner Territoriums ( >Mittelalter-Magazin: Kölns Raumproblem). Mit der Übernahme durch Preußen blieben die Möglichkeiten Kölns zur Ausdehnung bzw. Stadterweiterung zunächst weiterhin begrenzt: Köln wurde Festungsstadt mit Blick nach Westen (Frankreich!). Die mittelalterliche Stadtmauer (4. in der nebenstehenden Skizze) hatte kaum noch militärischen Wert und wurde nach 1880 weitgehend abgetragen. Um die „Neustadt“ vor den Ringen war bereits ein Gürtel aus kleinen Forts (5. in der Skizze) entstanden; nach dem Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) zog man den Halbkreis weiter und legte den Militärring (6.) mit einem weitgespannten Gürtel von moderneren Forts an. Letztere wurden nach dem Ersten Weltkrieg weitgehend geschleift. Einige wenige sind noch erhalten und z.T. zu besichtigen. Das sind militärische Überreste aus der Preußenzeit (rechts im Bild: Fort Deckstein, Teil des Südflügels, Rückfront stadtseitig).
Zivilere Hinterlassenschaften aus dieser Zeit sind z.B. der Hauptbahnhof, die Hohenzollernbrücke und die Südbrücke, oder besser: Kölns Ausbau zum Eisenbahnknotenpunkt im Westen.
Und wie lange blieben Köln und das Rheinland preußisch? Bekanntlich übernahmen die alliierten Siegermächte am Ende des Zweiten Weltkriegs die Regierungsgewalt in Deutschland und setzten vorrangig die Zerschlagung Preußens ins Werk, weil ihnen Preußen als Inbegriff des Militarismus und des Strebens nach Vorherrschaft in Mitteleuropa galt. Beides wollten sie für Deutschland in Zukunft ausschließen. Doch bald nach 1945 gingen bekanntlich die Zielvorstellungen der Alliierten immer weiter auseinander, sodass einige Jahre später eine Remilitarisierung im geteilten Deutschland eingeleitet wurde (Bundeswehr, Nationale Volksarmee).
Die Bundeswehr wollte nicht allzu „preußisch“ sein und stellte das Ideal des „Bürgers in Uniform“ auf, d.h. die Bw sollte die Armee eines demokratischen Staates ohne den früher gewünschten „Kadavergehorsam“ sein. Die NVA orientierte sich ideologisch anders, hatte aber kein Problem damit, z.B. den preußischen Stechschritt bei Paraden zu exerzieren. Naja, zurück zum Rheinland: Hier blieb uns in den 1950er und 1960er Jahren noch an einigen Tankstellen die Marke „Rheinpreußen“ als historische Erinnerung erhalten. Ansonsten schauen in Köln und am Deutschen Eck in Koblenz (ehemals Provinzhauptstadt von Rheinpreußen) noch Preußenkönige vom hohen Ross ihrer Reiterdenkmäler auf uns herab.
Was können uns diese Denkmäler heute zu denken geben? Vielleicht „Sic transit gloria mundi“ (So vergeht der Ruhm der Welt) – und dass man am Ende, selbst auf hohem Ross, noch von Tauben bekleckert wird, die wie die Nachfahren der ehemaligen Untertanen den früher gewohnten Respekt vermissen lassen.