Archiv für den Monat: Dezember 2024

Wunschzettel 2

DEN Wunschzettel von neulich habe ich nur in wenigen Punkten zitiert. Aber ich sehe, dass ich doch noch über zwei weitere Wünsche sprechen muss. Muss? Ja, da besteht dringender Mitteilungs- und auch Handlungsbedarf.
1. Der Prozess um die Vergewaltigung von Gisèle Pelicot ist gerade zu Ende gegangen, 51 Männer wurden verurteilt. Ihr habt es sicher über die Medien mitbekommen. Was für ein Abgrund an Menschenverachtung ist da sichtbar geworden! Und leider ist das die Spitze eines Eisberges: Krimineller, organisierter Missbrauch von Frauen ist weiter verbreitet, als sich die Meisten von uns vorstellen konnten. Das Internet macht möglich, dass das international vernetzt stattfindet, dass da eine große Zahl von Männern mitmachen.
Man hat ja schon vor einiger Zeit gehört, dass es im Internet Hassforen gibt, in denen Männer sich aggressiv und menschenverachtend über Frauen auslassen und schlimmste Fantasien austauschen… Auch hier zeigt sich, dass Worten irgendwann Taten folgen können. Das alles ist Ausdruck einer grundsätzlich frauenfeindlichen Haltung, die die Männerherrschaft über Frauen stärken und zementieren will. Das beginnt bekanntlich schon mit scheinbar harmlosen, abfälligen Bemerkungen über Frauen und geht weiter mit alltäglicher Herabwürdigung und Geringschätzung von Menschen weiblichen Geschlechts.
Dazu konnte man schon im BlogBeitrag „Auf Augenhöhe“ vom 21.10.24 Einiges lesen. Es geht hier ganz grundsätzlich um ein Verständnis von „Männlichkeit“, das geprägt ist von Gewalt und von Unterdrückung und Ausbeutung Schwächerer. Es ist übrigens auch kein Zufall, dass in Putins Russland diese Art Männlichkeit wieder propagiert und heroisiert wurde, auch von Putins persönlich (siehe offizielle Fotos: Putin sportlich, mit nacktem Oberkörper reitend, etc.). Es ist kein Zufall, dass bei uns auch die AfD ein solch antiquiertes Männlichkeitsbild wieder aufleben lässt (Krah auf TikTok: „Wenn du ein Mann bist, dann…“). Die AfD ist dafür bekannt, dass sie auf altbekannte Muster baut und damit auf Dummenfang geht (Motto: Das Altvertraute überzeugt die Verunsicherten), dass sie alles Moderne anzweifelt und verächtlich macht, dass sie die Gegenwart schlechtredet und Sehnsucht nach einer „Guten-alten-Zeit“ erzeugen und nutzen will. Das hat sie sich bei der Nazi-Propaganda abgeschaut und bei Trumps Wahlkampfstrategie. So, damit wisst Ihr auch, was Euch blüht, wenn Ihr mit der AfD liebäugelt oder sie gar wählt.

2. Im Wahlkampf meint ein Herr Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der CDU, er könne einen Herrn Robert Habeck von den Grünen (derzeit Wirtschaftsminister und Vizekanzler) verächtlich oder gar lächerlich machen, indem er ihn einen Kinderbuchautor nennt. Das ist, zumindest in meinen Augen, ein fatales Eigentor von Herrn Merz. Denn es zeigt eine Haltung, die nicht viel für Kinder übrig hat, weder Verständnis noch Aufmerksamkeit. Dies ist eine Haltung, die symptomatisch ist für die offensichtlichen Versäumnisse in diesem Land im Bereich Bildung, insbesondere was die frühkindliche Erziehung und Bildung betrifft. Deutschland zeigt sich in schlimmer Weise als wenig kinderfreundlich, was schon beim Thema „Kitas“ anfängt. In letzter Zeit spricht sich herum, wie wichtig es sowohl für die Kinder als auch für unser Bildungssystem und (aufgemerkt, Herr Merz und Andere!) für die Wirtschaft und den Wohlstand unseres Landes ist, dass Kinder schon in den Kitas (Kindertagesstätten, früher als Kindergärten bekannt) gefördert werden. Dabei leisten die Erzieherinnen und Erzieher einen sehr wichtigen Beitrag, ihr Auftrag ist nicht bloß Kinder zu verwahren, wie Uninformierte glauben, sie unterstützen vielmehr die Persönlichkeitsentwicklung, sie fördern eine Bildung in umfassendem Sinne. Konkret heißt das z.B., dass Kinder lernen, sich in einer Gemeinschaft angemessen zu verhalten, auch mit Messer und Gabel zu essen, und mit Anderen verbal und verträglich zu kommunizieren. Das sind nur drei von vielen Dingen, die ein Kind in einer Kita lernen kann — sofern die Kita personell und materiell angemessen ausgestattet ist.

Aber an Letzterem hat es in Deutschland in letzter Zeit an vielen Stellen gemangelt. Und wenn die Kinder in die Schule kommen, erleben sie z.T. wieder Mangelsituationen in personeller wie materieller Hinsicht. Seit der ersten PISA-Studie, also seit gut 20 Jahren, hörten wir Fensterreden von PolitikerInnen, in denen Bildung priorisiert wurde. Das schlug sich aber kaum in realen Auswirkungen nieder. Eher sprach man z.T. in den letzten Jahren schon von einer Bildungskatastrophe, die auf Deutschland zurollt. Und auch davon, dass dieses Land sich das gar nicht erlauben darf, wenn es nicht international im Wettbewerb zurückfallen soll.

Danke, Herr Merz, dass Sie mich daran erinnert haben: Herr Habeck ist qualifiziert, auch die Bedürfnisse von Kindern in der Politik mit Verstand und Empathie zu berücksichtigen. Wenn mehr PolitikerInnen sich für die Belange von Kindern interessieren, kann dieses Land in der Bildung noch aufholen, und dann kann es langfristig das nötige Bildungsniveau halten bzw. erreichen.

Das nötige Bildungsniveau? Das ist eines nicht nur für Eliten und ein oberes Viertel der Gesellschaft, während ein Großteil nicht richtig schreiben und sinnentnehmend lesen kann. Schon vor etwa 60 Jahren erkannte man auch in Deutschland, dass Wirtschaft und Gesellschaft mehr helle Köpfe brauchen, dass das Begabungs- und Bildungspotential in der Bevölkerung breiter ausgeschöpft werden müsse, um auf mehr gut ausgebildete Menschen zurückgreifen zu können. Das führte damals zu einer Bildungsreform und u.a. der Einführung der Gesamtschule (zunächst als Versuch). Heutzutage kommt es mir so vor, als habe sich eine Akzeptanz von sozialer Schieflage eingeschlichen, als nehme man mangelnde Chancengleichheit im Bildungssystem nicht mehr als Skandal wahr. Wie kann dieser Zustand verbessert werden? Bestimmt nicht dadurch, dass man Bildungsausgaben je nach Kassenlage gestaltet statt mit Weitblick. Zu diesen Ausgaben gehören u.a. Bau und Instandhaltung von Kita- und Schulgebäuden, Bereitstellung des nötigen Fachpersonals, usw.

Es scheint in den Köpfen vieler deutscher PolitikerInnen und Verwaltungsmenschen die seltsame Vorstellung zu herrschen, dass Bildung und Kultur nicht so wichtig seien und ggf. gekürzt und zusammengespart werden können. Hinzu kommt noch die Programmierung vieler PolitikerInnen auf Legislaturperioden und die jeweils nächste Wahl, sodass für sie Themen eine wichtige Rolle spielen, mit denen man Wahlen gewinnen kann. Denn auch WählerInnen vergessen oft, dass Ausgaben für Kinder und Heranwachsende nicht nur diesen zugute kommen, sondern der ganzen Gesellschaft, der Wirtschaft, dem ganzen Land (wie oben erwähnt).

Daher steht auf meinem Wunschzettel, dass mehr Menschen in diesem Land einsehen, wie wichtig ein funktionierendes, ein gutes Bildungssystem ist. Und dass wir da investieren müssen. „Kinder sind unsere Zukunft,“ wird oft so dahingesagt. Die Bildung und Ausbildung unserer Kinder ist tatsächlich für die Zukunft des ganzen Landes von Bedeutung. Dazu gehört, dass man Kinder auch gegen Armut absichert, damit sie sich auf das Lernen konzentrieren können.

Wunschzettel

MEIN Wunschzettel für Weihnachten ist lang, daher zitiere ich hier nur wenige Punkte.

Zuerst einmal wünsche ich, dass PolitikerInnen bei uns in Deutschland sich nicht entblöden, überhastet aus Allem Kapital zu schlagen, was gerade in der Welt passiert. Konkret: Machthaber Assad war gerade erst nach Moskau geflohen, da posaunten hier ein paar Hänsel und Gretel, die syrischen Flüchtlinge in Deutschland sollten nun SOFORT in ihre Heimat zurückkehren — da es ja nun keinen Fluchtgrund mehr gebe.
Für wie blöde und uninformiert halten diese Figuren uns eigentlich? Auch ich habe zwar keinen umfassenden, perfekten Überblick über die Lage in Syrien nach dem Umsturz, die weitere Entwicklung ist im Fluss, aber ich kann mir gut vorstellen, dass da Putins und Assads Bomben bis zuletzt noch viel kaputt gemacht haben, was Menschen als Behausung diente. Wo sollen die Rückkehrer wohnen, wovon sollen sie leben? Das ist doch alles ungeklärt. Ich würde an Stelle eines geflüchteten Syrers, besonders mit Familie, den Teufel tun und gleich meine Sachen packen.
Und als angestammter Deutscher würde ich erst recht sagen: Moment mal, Ihr populistischen Dummschwätzer, Ihr wollt doch nicht etwa, dass die vielen Ärzte und andere Fachkräfte von jetzt auf gleich unser Land verlassen!! Bei uns steht doch so Manches kurz vor dem Kollaps, weil Personal fehlt!
Echt jetzt, ich fasse es kaum: Da gehen in den Köpfen einiger WahlkämpferInnen die Pferde durch!
So, das Thema „politische Dummschwätzerei“ stand weit oben auf meinem Zettel: Ich wünsche mir erheblich weniger davon. Das sollten auch die Dummschwätzer einsehen: Ihr blamiert Euch! Solche Luschen, die schneller reden, als sie denken können, die kann ich doch nicht wählen!
Und da wir gerade Syrien erwähnten: Anstatt dummes Zeug zu schwätzen, sollten PolitikerInnen zur Vernunft kommen und überlegen, was sich da in Syrien auch Schlimmes entwickeln kann. Was denn, fragt Ihr, alle freuen sich doch? Nee, schaut mal in die Kurden-Gebiete, da stoßen Erdogans Truppen bzw. von ihm unterstützte islamistische Milizen vor und vertreiben für Erdogan dort ansässige Kurden. Und wer macht was dagegen? Da wird von türkischen Bomben alles kaputtgemacht, was Menschen dort zum Leben brauchen. Folge? Könnt Ihr Euch doch denken, oder?
Glaubt ja nicht, dass wir hier weniger Kriegsflüchtlinge haben werden, wenn das so weitergeht — übrigens auch in der Ukraine, wo Putin gerade ganz gezielt und mit voller Wucht Heizkraftwerke zerstört. Warum das? Der Winter hat begonnen… Wie bei Putin üblich, wird Krieg nicht nach internationalen Regeln geführt, sondern ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung, ob (wie bis Anfang Dezember) in Syrien oder (weiterhin) in der Ukraine. Wartet noch eine Weile, dann müsst Ihr Euch womöglich Eure Friedensträume vollständig in die Haare schmieren.


Und da komme ich zu einem weiteren Punkt, den ich fast schon nicht mehr auf den Wunschzettel zu schreiben wage: FRIEDE AUF ERDEN, wie es so schön in der Weihnachtsbotschaft heißt. Wir haben leider nicht mehr die „Zeit, in der das Wünschen noch geholfen hat“, wie es im Märchen heißt. Friede ist machbar, ja, aber dazu müssen erst die Voraussetzungen geschaffen werden. Im Alltagsleben ebenso wie in der großen Politik ist es bei verhärteten Fronten kaum möglich, Leute einfach an den Verhandlungstisch zu rufen und friedlich einen Konflikt beizulegen. Das geht oft nur mit harter Arbeit, mit Vermittlung neutraler Dritter, und mit dem hartnäckigen Bearbeiten Uneinsichtiger, denen man klarmachen muss, dass sie durch Verhandlungen auch etwas gewinnen können.
Im Fall Russland, oder besser: im Fall des Putin-Regimes lasse ich mir jedenfalls keinen Sand in die Augen streuen, auch nicht von Sahra Putinknecht, die uns seit Jahren einreden will, dass die Sanktionen gegen Russland nichts brächten, dass man Russland nicht besiegen könne, dass man gegen eine Atommacht nur kuschen könne, usw. Ich neige vielmehr dazu, Nachrichten Glauben zu schenken, dass Russlands Wirtschaft in Schieflage ist, dass seine Staatsfinanzen durch Militärausgaben stark belastet sind, dass Putin nicht genug Soldaten hat und deshalb Kanonenfutter aus Nordkorea bestellt hat, dass er außerdem Syrien fallenlassen musste, um sich auf die Ukraine konzentrieren zu können… In meiner Sicht gibt es Anzeichen, dass Putins Regime nicht so erfolgreich ist und nicht so fest im Sattel sitzt, wie von Vielen behauptet wird. Daher ist sein Hauptgeschäft, den Kritikern im eigenen Land wie auch den Unterstützern der Ukraine in Europa Angst zu machen und ständig mit noch mehr Gewalt zu drohen.


Es hat in der Geschichte schon manche überraschende Wendung gegeben. Nicht nur der Sturz Assads in Syrien kam für die Welt überraschend. Die Überraschung aber ist weniger groß, wenn man sieht, dass schon einige Regime in der Geschichte über Nacht zusammenfielen, die lange als übermächtiger Koloss galten, aber nur auf Gewalt und Terror gebaut waren. Das macht Hoffnung. Bertolt Brecht schrieb dazu ein Lied, das Lied von der Moldau: „Am Grunde der Moldau, da wandern die Steine…“ Ihr kennt es vielleicht. Da heißt es unter Anderem: „… Das Große bleibt groß nicht, und klein nicht das Kleine.“ Brecht schrieb es 1943 im Exil, in der finsteren Zeit des Zweiten Weltkriegs…

W.R.