WER wusste noch nicht, was „Populismus“ ist? Gerade hat Donald Trump nochmal als Beispiel eine Äußerung rausgehauen, die an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Bei einem Wahlkampfauftritt behauptete er, einem europäischen Präsidenten gesagt zu haben: Wenn Ihr Eure Rechnungen nicht bezahlt (d.h. mindestens 2% des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgebt), dann verteidigen wir euch auch nicht, und „dann ermutige ich einen Angreifer zu tun, was immer er tun möchte.“
Dieser Kraftspruch, der vorgibt, Trump könne von jetzt auf gleich den Nato-Vertrag außer Kraft setzen, zeigt:
1. Trump ist keine Ungeheuerlichkeit zu schrill, um von sich reden zu machen, Aufruhr hervorzurufen und Tabus der Politik in Frage zu stellen; das zeigt
2. Trump ist vielleicht ein „dealmaker“, der in der Wirtschaft einigermaßen (d.h. mit Tricksereien) klarkommt, aber er ist kein Politiker, und er ist ganz gewiss kein Außenpolitiker. Schon in seiner Amtszeit als Präsident hat er das bewiesen. Einer seiner schlimmsten Fehler war seine vermeintliche Kumpanei mit Wladimir Putin, der dreimal gerissener als Trump ist und ihn in die Tasche steckt.
Apropos Putin: Immer deutlicher schält sich das Bild heraus, dass Putin im ganzen Westen — und nicht nur dort — seine Fäden zieht, die er, als alter Geheimdienst-Mann gewieft, schon lange gesponnen hat, sei es im Internet und da besonders in den social media, sei es in anderen Medien. Seine Trolls stützen weltweit rechtsradikale Strömungen und Organisationen, da fließt auch Geld, damit seine Propaganda-Erzählungen verbreitet werden. Sein Ziel ist die Destabilisierung demokratisch regierter Staaten sowie von Regierungen, die seine Politik kritisieren.
Man kann sich nur noch wundern, wieviel davon in den Köpfen z.B. von Deutschen hängenbleibt, wie unbedarft sie sich in Kanälen im Internet „informieren“, die ihnen vorgaukeln, die wahre Wahrheit zu verkünden, welche angeblich in anderen Medien unterdrückt wird.
Wer kein solides Grundwissen in Politik und Geschichte besitzt, lässt sich leicht von Behauptungen einfangen und irreführen, die auf dubiosen Kanälen und in den social media gestreut werden. In seriösen Medien werden Behauptungen normalerweise überprüft, da wird nichts ungeprüft sofort online gestellt.
Aber die dubiosen Kanäle stellen diese Verhältnisse auf den Kopf, streuen Zweifel an den geprüften und sicheren Fakten in den Nachrichten und fabulieren von Verschwörungen… So erschleichen sie das Vertrauen verwirrter und wenig informierter Leute, die im Internet unterwegs sind.
Trump hat 2016 in seinem Wahlkampf kräftige Unterstützung von Putins Trolls bekommen, und 2024 wird Putin sicher alles tun, um den Nato-Schreck Trump wieder ins Weiße Haus zu puschen.
Was glaubt Ihr, was Putins Trolls und seine Influencer alles versuchen, um die Ukraine-Hilfe im Kongress zu Fall zu bringen? Er hat die Partei der Republikaner im Zusammenwirken mit Trump so auf seine Linie gebracht, dass diese Partei sich nur noch als Befehlsempfänger für Trump zeigt.
Jetzt fragen Manche (durchaus zu Recht, natürlich): Wo sind die Beweise? Ich meine: Es ist mit Händen zu greifen, was hinter der Fassade vor sich geht. Und wenn mehr Leute nach Beweisen fragen würden, wäre Trump wohl nicht in der Lage gewesen, seine Behauptung von der „gestohlenen Wahl“ bis heute zu verbreiten und dafür Unterstützung in seiner Partei zu finden.
Trump wollte nach der knapp verlorenen Wahl nicht einsehen, dass auch er, der große Zampano, einmal eine Wahl verlieren könnte. Sein narzistisches Ego kann mit einer Niederlage nicht umgehen. Daher inspirierte er seine radikalen Anhänger dazu, am 06.01.2021 das Capitol zu stürmen. Das allein ist ein so ungeheuerlicher und antidemokratischer Vorgang, dass Trump dafür längst hätte im Gefängnis sitzen können, ja müssen.
Wie gesagt, Trump ist kein Außenpolitiker. Sein ganzes Reden und Tun zielt darauf, im Inneren der USA zu punkten und seinen WählerInnen nach dem Mund zu reden. Sowas nennt man Populismus: dem Volk nach dem Munde reden, egal, was man wirklich vorhat. So kann er nach Belieben sogar die Nato in Frage stellen, weil seine Gefolgschaft gar nicht versteht, dass die USA mit ihren Bündnissen auch eigene Interessen in der Welt verteidigen.
Leider ist in den USA die Außenpolitik kein Themenbereich, mit dem jemand Wahlen gewinnen könnte. Das verschafft Trump eine gewisse Narrenfreiheit, denn seine Gefolgschaft interessiert sich nicht für ferne Länder; sie will z.B. die Einwanderung nicht-weißer Menschen in die USA blockieren. Trumps Vorhaben einer Mauer an der mexikanischen Grenze kommt besonders bei weißen Rassisten gut an.
Nochmal zu Putin: Für ihn geht es um viel! Wenn die Unterstützung der USA für die Ukraine eingestellt würde, wäre das schon das schnelle Ende des militärischen Widerstands der Ukraine.
Für den Westen geht es aber auch um viel: Wenn Putin mit seinem Eroberungskrieg durchkäme, wäre das ein schlimmes Signal an alle Machthungrigen in der Welt, nämlich die Botschaft: Gewalt und Krieg lohnen sich, im Zweifel ist der Westen uneinig und weicht zurück, statt die Werte von Menschenrechten und Demokratie zu verteidigen.
Daher kann uns Deutschen nicht egal sein, wie der Krieg Putins gegen die Ukraine endet. Hier geht es auch um die Glaubwürdigkeit des Westens, der EU. Und nach dem Afghanistan-Debakel (August 2021) wäre es gut, wenn hier der Westen standhaft bliebe und die Ukraine konsequent mitverteidigte. Die Hauptlast des Krieges trägt ohnehin die Ukraine — aber, nicht zu vergessen: auch die vielen russischen Opfer. Und die Russen werden von Putin kusch gehalten, Protest darf es nicht geben: Russland ist inzwischen eine lupenreine Diktatur.
Aber auch Trump zeigt offen seine Gedankenspiele um Machtergreifung und (zumindest kurzfristige) Diktatur. Und sein Respekt für die Wahrheit ist längst hinter dem Horizont verschwunden. Seriöse Medien hat er vor Jahren schon beschimpft: „You are fake news!“ (Das entspricht der deutschen Beschimpfung „Lügenpresse“.) Und er schreckt nicht einmal davor zurück, Artikel aus seriösen Medien zu manipulieren und sie zu Trump-Lob umzufunktionieren: Donald Trump verbreitet manipulierte Newsweek-Artikel als »Originalversionen« – DER SPIEGEL
Worüber soll man eigentlich mit solchen Figuren reden, wenn Fakten mal Fakten und dann wieder Fake sind, wie es halt gerade passt? Das gilt leider auch für diejenigen unserer Landsleute, die sich aus solch dubiosen Quellen „informieren“ und glauben, sie seien informiert.
Im Grunde kann man mit einem Putin nicht über Fakten diskutieren, sondern — wie er es tut — Fakten schaffen. Das bedeutet: Putin muss militärisch zurückgedrängt werden. Man muss ihn in eine Lage bringen, in der er die Reißleine zieht und Verhandlungen anbietet, um einer Blamage vor seinem Volk vorzubeugen. Und das geht vor allem mit Lieferung von Kriegsmaterial an die Ukraine — nicht irgendwann, sondern subito! Es geht nicht, dass manche europäischen Politiker sich zurücklehnen und meinen, die tapferen Ukrainer würden sich schon zu wehren wissen. Das ist fahrlässig, dumm, kurzsichtig, und es ist unterlassene Hilfeleistung. —
Update 26.06.2024:
Was Trump kann, können wir schon lange, dachte man vor Kurzem wieder einmal in der CSU-Führung. Für die größten Klopper schickte man wie so oft den Scharfmacher Dobrindt an die Medienfront, wo er die Forderung in die Welt setzte: Die Flüchtlinge aus der Ukraine, die hier Bürgergeld beziehen, aber nicht arbeiten, sollten entweder zur Arbeit aufgefordert oder zurück in ihr Heimatland geschickt werden. In der West-Ukraine sei es ja sicher, da tobe kein Krieg.
Populistisch war daran die verfälschende Vereinfachung der Realität, um weiniger informierte Leute mit scheinbarer Logik zu täuschen. Dobrindt verschwieg 1. die Wahrheit, dass viele der ukrainischen Flüchtlinge Mütter mit Kindern sind (die mangels Kita-Plätzen ihre Kinder selbst betreuen müssen und nicht arbeiten können, obwohl sie gerne würden). Er verschwieg 2., dass die deutschen Bürokratie-Hürden es qualifiziertem Fachpersonal erschweren, hierzulande einen Job anzunehmen, für den sie (im Ausland) ausgebildet sind und wo sie hier auch gebraucht werden. Und 3. tat er so, als würde er nicht wissen, dass Putins Drohnen und Raketen überall in der Ukraine einschlagen und dabei den Westen des Landes keineswegs verschonen.
Dobrindt wollte auch gar nicht sachlich argumentieren, sondern nur auf billige Weise Sozialneid schüren und „deutsche Normalbürger“ gegen die Flüchtlinge aufbringen. Was ist der Zweck dieser haarsträubenden Spalterei? Die CSU (und auch ihre Schwesterpartei CDU) fürchten die Konkurrenz der AfD, von der sie rechts überholt werden. Da wollen sie (auf dem Rücken von Flüchtlingen und Ausländern) Stimmen zurückgewinnen. Das ist reinster Populismus: Gefühle aufputschen ohne sachliche Grundlage. Dobrindt hat ein perfektes Beispiel geliefert.