Archiv der Kategorie: Zukunft

Keine Angst! (?)

WÄHREND die meisten Menschen auf dem Globus ihrer Arbeit nachgehen — oder Arbeit suchen — oder auf der Suche nach genießbarem Trinkwasser lange Wege gehen — oder ihren Feierabend mit einem Bier vor dem Fernseher genießen — oder Hunger leiden — oder vor Krieg und Bandenkämpfen auf der Flucht sind — oder an einer Küste auf eine Chance warten, mit einem überladenen Schrott-Boot ein sicheres Land mit besseren Lebensbedingungen zu erreichen — beschäftigen einige Andere sich damit, Künstliche Intelligenz zu erschaffen und diese auf die Welt loszulassen.

Muss man vor Künstlicher Intelligenz alias KI Angst haben? Sollte man sich auf Chancen der Menschheitsbeglückung durch KI freuen?

Dazu gibt es bereits kluge Einlassungen und lange Artikel, die uns das Pro und Kontra vortragen. Einer kann hier als Beispiel angeklickt werden: Künstliche Intelligenz: Die Rückkehr des Wunderglaubens – Kolumne – DER SPIEGEL

Meine persönliche und einstweilige Meinung: Das ist ein selbstlernendes System, es kann sich schnell in eine nicht gewünschte Richtung entwickeln. Also muss man Kontrollsicherungen einbauen — inklusive die Möglichkeit, das System abzuschalten oder zu zerstören.

Der Film „2001 — Odyssee im Weltraum“ (1968) führte uns im Kino schon vor Jahrzehnten vor Augen, was passieren kann, wenn allzu große Technikgläubigkeit Dinge schafft, die dem Menschen die Kontrolle entwinden. In jenem Film ist es der umfassend befähigte Bordcomputer des Raumschiffs, der unerwartet Befehle verweigert und die Kontrolle über das Raumschiff übernimmt. Da wurde das Problem schon vorweggenommen, das uns mit der KI ins Haus stehen könnte (oder wird?).

Heutzutage ist ja fast alles vorstellbar, z.B. auch (angesichts der Begehrlichkeit von autoritären Regierungen, die totale Kontrolle über alles zu haben) die Aneignung einer KI-„Maschine“ durch eine Macht, die die globale Kontrolle anstrebt.

Schon lange vor dem o.g. Film gab es die Ballade vom Zauberlehrling, der „die Geister, die ich rief“, nicht mehr beherrschen konnte… Diese Warnung existierte also schon, als der zunehmende wissenschaftlich-technische Fortschritt die industrielle Revolution in Gang setzte*, und lange, bevor wir die digitale Revolution unserer Lebenswelt erlebten.

Die Frage ist, ob es interessierten Gruppen (das sind die, die darin Geld investieren und mehr Geld erwirtschaften wollen) gelingt, die öffentliche Meinung so zu beeinflussen, dass die Menschen falschen Erzählungen glauben und gegen ihre eigenen Interessen den profitorientierten Gruppen freie Hand lassen.

Gegenwärtig sehen wir z.B. den Einfluss von Lobby-Verbänden am Werk, die die Energiewende behindern, die das Aus für Atomkraft in Deutschland rückgängig machen wollen, die (besonders zur Freude Putins) den Abschied von fossilen Energieträgern (Öl, Gas) verzögern und möglichst vereiteln wollen. In den Medien wird ein Informationskrieg geführt, bei dem Leute von „Vernunft“ sprechen, die alles möglichst beim Alten lassen wollen. Diese Art von Vernunft verharmlost den Klimawandel und seine immer stärker sichtbaren Folgen, versucht die Gemüter zu sedieren, verschweigt dabei die Konzeptlosigkeit für die Zukunft, wirft aber ständig mit Worthülsen wie „Technologie-Offenheit“ um sich und verschleiert die Verantwortungslosigkeit gegenüber unseren Nachkommen.

Diese Sorglosigkeit der Konzernlenker (um noch ein paar Milliarden mehr zu scheffeln) und Diktatoren (Putin ist die Umwelt in Russland und anderswo völlig egal) kann Einem schon Angst machen. Gerade ist der Iran dabei, nach chinesischem Vorbild die Überwachung der Bevölkerung auszubauen (mit zahlreichen Kameras mit Gesichtserkennung). Wenn bald auch noch KI hinzukommt, um die Menschen noch viel effektiver zu täuschen und zu unterdrücken… **

Wir kannten die Egomanen mit Allmachtsfantasien und Streben nach Weltherrschaft bisher eher aus James-Bond-Filmen. Nun stellt sich heraus, dass ein paar Großmannssüchtige das tatsächlich versuchen. Putin will ein großrussisches Imperium erobern, China die Weltmacht Nr. 1 werden, und daneben strampeln noch ein paar Diktatoren der zweiten Liga danach, ihre Macht mit allen Mitteln zu sichern und auszubauen. Allen ist gemeinsam: Menschen sind bloß Nummern und austauschbar, einzigartig ist (nach seiner Selbst-Einschätzung) nur der Diktator.

Fazit: Die Entwicklung neuer Techniken und Technologien ist weder gut noch schlecht, es kommt wesentlich darauf an, wer sie in die Hände bekommt und mit welchen Absichten verwendet. Mir persönlich reicht schon der Hinweis auf die „social media“ des Internet, um mir ein flaues Gefühl im Magen zu machen. Wo bleibt da die Informationsfreiheit, wenn Google und Andere ihre Algorithmen nicht offenlegen? Und was sollen wir noch für wahr halten, wenn uns erst die KI alles Unmögliche als Wahrheit vorgaukeln kann?

W. R.

* Goethe schrieb die Ballade 1797, in einer Zeit, als die Industrielle Revolution in England einsetzte. Wer sie nachlesen möchte, klicke hier: Johann Wolfgang von Goethe – Das Gedicht ‚Der Zauberlehrling‘

** Dazu ein Update vom 02.05.23, das zeigt: Meine Bedenken sind nicht nur meine > Die Gefahren von KI: Warum Geoffrey Hinton Google verlässt – Wirtschaft – SZ.de

An ihren Taten…

DIE zunehmende globale Klimaveränderung wächst sich in einigen Regionen bereits zur Katastrophe aus, Jede und Jeder weiß es — bis auf ein paar hartnäckige Leugner, die stur-besserwisserisch die Erkenntnisse der Wissenschaft ignorieren und sich lieber in Verschwörungsfantasien verlieren… und dazu ein paar geistige Tiefflieger, die nur glauben, was sie zu sehen glauben, nämlich dass die Erde eine Scheibe sei und Sol mit dem Sonnenwagen tagsüber über den Himmel fährt.
So einen Sonnenwagen, befeuert mit E-Fuels, malt uns unser derzeitiger Verkehrsminister Wissing (FDP) an den Himmel und will uns das als Alternative zur Abschaffung der Verbrenner-Motoren in Autos verkaufen. Sein Motto: Was schert mich Europa, wenn ich ein parteipolitisches Süppchen kochen kann!
Ich habe besonnene und gut informierte Leute reden hören, wie sie im Gespräch fragten: Ist dieser Verkehrsminister noch bei Verstand? In einer Wahlkampfrede in Hessen bezeichnet er alle Kritik an seinen Plänen als „Klima-Blabla.“ Geht’s noch verbohrter? Ist dieser Minister überhaupt politikfähig, oder muss man gar noch schlimmere Defizite befürchten?
Und seine Partei, die FDP? Selbst den meisten Porsche- und SUV-Fahrern, so sie bei Verstand sind, muss dieser Mann langsam unheimlich werden. Ich verzichte auf ausführliche Begründung, es genügen die Stichworte Tempolimit, Autobahnausbau, DB. Wissings Markenzeichen ist das Geisterfahren gegen Klimaschutz, gegen Empfehlungen der Fachleute, und gegen EU-Beschlüsse.
Die FDP soll sich bloß nicht erdreisten, sich als gute Europäer darzustellen. Ich erinnere mich an einen Europa-Wahlkampf zur Zeit der rot-grünen Schröder-Regierung, in dem die FDP Plakate klebte mit dem Slogan: „Denkzettel für Berlin!“ Ich war entgeistert darüber, wie unverfroren da eine Wahl für das Europaparlament missbraucht wurde, um innerdeutsche Stimmung gegen die Bundesregierung zu machen: Das wollen aufrechte Demokraten sein? dachte ich. Die sind doch bloß populistisch unterwegs und nutzen mangelnde Kenntnisse in der Wählerschaft für egoistische Zwecke, anstatt sie über den Sinn dieser Wahl aufzuklären.
Das ist Schnee von gestern? Für mich nicht. An ihren Taten sollt ihr sie erkennen, danach beurteile ich PolitikerInnen und Parteien. Wissing hat sich soeben in Brüssel als Saboteur einer europäischen Einigung gezeigt, die schon ausgehandelt war (was in Europa oft mühsam genug ist).
Wer wundert sich angesichts solcher Politik darüber, dass die „Letzte Generation“ nicht aufhört, sich auf belebten Straßen festzukleben? Es würde aber treffsicherer wirken, wenn sie sich z.B. an die Dienstwagen von Wissing und Lindner klebten. Denn die bisherigen Aktionen mögen zwar mediale Aufmerksamkeit sichern, aber Einiges erscheint mir nicht so zielführend, wie es im Furor der Weltrettung beabsichtigt ist.
Leider hatten wir in letzter Zeit mehrere närrische Verkehrsminister, die das Ressort für egoistische Parteipolitik genutzt haben statt für das Gemeinwohl. Ist das der Preis für ein Demokratie-System, das auf Parteien setzt und im Zweifel auf Koalitionsregierungen, die durch Kompromisse zustande kommen? So scheint es, und in anderen Staaten mit einem demokratischen System läuft es nicht unbedingt besser.
Churchill sagte: „Demokratie ist die schlechteste Regierungsform…“ Und irgendwann fügte er hinzu: „Aber ich kenne keine bessere.“ Den Fans von autoritären Regierungen bzw. Diktaturen kann ich nur raten: Schaut Euch die Sache vom Ende her an. Ein Putin, der davon träumt, Russland zu alter historischer Größe zurückzuführen, führt Russland in den Niedergang. Ein Hitler, der größter Feldherr aller Zeiten sein wollte, ließ Deutschland verkleinert und in Trümmern zurück. Beide sorgen dafür, dass ihr Volk einen hohen Blutzoll zahlt — und für was?

Dabei haben wir, die Völker dieser Welt, doch ganz andere Probleme, die weder durch Krieg noch durch Wegsehen, sondern nur durch internationale Zusammenarbeit gelöst werden können. Aber solange die falschen Leute auf wichtigen Posten sitzen, muss man befürchten, dass wir viel zu langsam an Lösungen herangehen. Dem alles überschattenden Klimaproblem ist mit halbherzigen Maßnahmen nicht beizukommen. Wir sehen das doch fast täglich in den Nachrichten. Und das Problem wächst rasant, während manche Leute immer noch Volksverdummung spielen und wichtige Maßnahmen ausbremsen.

W. R.

In Sachen „Verbrenner“ und Energiepolitik lesen wir Deutliches in diesem Beitrag vom 19.02.2023: Konservative Energiepolitik: Mit Vollgas in die falsche Richtung – Kolumne – DER SPIEGEL

Was der Klimawandel für Europa bedeutet (das sich im Vergleich zu anderen Kontinenten besonders stark erwärmt), zeigt z.B. diese Meldung: Spanien hat Angst vor der Sonne – DER SPIEGEL

Das geht in die Geschichte ein

DAS Jahr 2022 neigt sich dem Ende zu, und wir sind sicher, dass man sagen kann: Dieses Jahr wird in die Geschichte eingehen.

Wir machen hier jetzt keinen Jahresrückblick, aber zumindest das Datum 24. Februar fällt uns sofort ein. Das war der Tag, an dem Möchtegern-Eroberer-Zar Wladimir Putin einen unnötigen und ungerechtfertigten Krieg begann, indem er in das Nachbarland Ukraine einmarschierte und glaubte, mit Propagandalügen und vielen russischsprachigen Sympathisanten im angegriffenen Land einen schnellen Sieg einfahren zu können.

Doch es kam anders, denn die „ruhmreiche Rote Armee“ war offenbar längst Vergangenheit. Putin selbst lebt ja in seiner Gedankenwelt in einer Vergangenheit, die längst vorbei ist, ihm aber als Orientierungshorizont dient. Deshalb hat er im Jahr 2021 und schon davor in öffentlichen Verlautbarungen sehr stark auf Geschichte zurückgegriffen. In seiner Sicht war die Annexion der Krim (2014) eine „Wiedervereinigung“, und die beabsichtigte Eroberung der Ukraine die Zerschlagung eines Un-Staates, den es in seiner Sicht nicht geben durfte (erst recht nicht nach der politischen Wende hin zu mehr Demokratie). Die Ukraine, hieß es, sei immer Teil Russlands gewesen. Doch tatsächlich ist diese Interpretation historischer Verhältnisse umstritten, denn aus den Macht- und Abhängigkeitsverhältnissen im Mittelalter (Kiewer Rus) lassen sich nicht so einfach ethnische oder territoriale Zugehörigkeiten für die heutige Welt ableiten.

Wie auch immer, man kann ja in Allem immer etwas Anderes sehen und einen Vorgang der Geschichte anders interpretieren, als er nach allgemeingültigen Kriterien beurteilt wird. Welche „historische Wahrheit“ sich durchsetzt und allgemein anerkannt wird, ist manchmal eine Machtfrage.

Aber Macht allein kann auf Dauer nicht garantieren, dass krasse Verleugnung und Verfälschung von Geschichte nicht doch erkannt und publik gemacht wird.

Als nach Stalins Tod (1953) Nikita Chruschtschow eine Teil-Entstalinisierung begann und von Stalins Verbrechen sprach (1956), da brach für stalintreue Kommunisten nicht nur in der Sowjetunion eine Welt zusammen. Stalin wurde erstmals als der gesehen, der er war: Ein Massenmörder, der über Berge von Leichen hinwegging. Und doch wollten ihn Viele weiterhin als das verehrte „Väterchen Stalin“ sehen und weiter dem Personenkult huldigen, der Stalin so lange erstrahlen ließ.

Unter Putin wurde die Aufarbeitung der Vergangenheit unter Stalin nach Kräften zurückgedreht: Die Arbeit einer Organisation namens „Memorial“, die Verbrechen der Stalin-Ära untersucht, wurde zunehmend behindert, schließlich ganz verboten. Warum? Das könnt Ihr Euch selbst denken.*

Und was hat Putin in diesem Jahr erreicht? Zwei Dinge: 1. Er hat in einer Fehleinschätzung der Realität sein Militär vor den Augen der Welt in eine Blamage geführt, die den Nimbus einer „siegreichen Sowjetarmee“ vergessen lässt. 2. Er hat die Ukraine, eine angeblich nicht-existierende Nation, zu patriotischen Widerstand gedrängt und sie in kurzer Zeit zu einer wirklichen Nation zusammenwachsen lassen.

Zum konstituierenden Mythos der ukrainischen Nation wird in Zukunft gehören, dass sie dem übermächtigen Nachbarn die Stirn geboten hat, der sie vernichten wollte. Damit hat Putin moralisch verloren.** Und dabei haben wir noch nicht einmal von Putins moralfreier, unmenschlicher Kriegführung gesprochen.

Zu letztem Punkt muss ich darauf aufmerksam machen: Die Welt, oder die Weltgemeinschaft, darf nicht zulassen, dass Putins Verhalten der neue globale Standard bei Konflikten wird. Sie darf nicht hinnehmen, dass ein Machthaber willkürlich einen Krieg vom Zaun bricht und, mehr noch, diesen Krieg mit zahllosen Kriegsverbrechen führt. Wenn die Gründung der UN damals Lehren aus dem Zweiten Weltkrieg zog, dann ist es dringend nötig, Lehren aus den Kriegen Putins zu ziehen und eine Weltordnung zu etablieren, die als Konsequenz nicht nur Putins Regime verurteilt, sondern auch den Angriffskrieg als solchen erneut ächtet – wie das schon in den Nürnberger Prozessen gegen das Nazi-Regime geschah.

Moralisch ist das keine Frage, politisch muss es durchsetzbar sein und auch durchgesetzt werden. Und wenn es nicht anders geht, dann muss Putins Russland eben eine Niederlage einstecken und zum Frieden genötigt werden. Wie sonst, bitte schön, soll denn diese Welt ein Stück friedlicher werden? Wir haben außerdem noch andere Probleme zu lösen, von denen leider Putins Zaren-Nostalgie die Welt ablenkt. Das kommt noch zusätzlich auf sein Konto: Statt zum Fortschritt im Sinne der Menschheit beizutragen, verursacht er Chaos und Rückschritt. Damit ist seine Rolle in der Geschichte auf jeden Fall schon negativ vorgemerkt.

S. R.

P.S. Die Verbrechen Stalins betrafen die Ukraine unmittelbar: Er ließ große Mengen Getreide beschlagnahmen und ins Ausland verkaufen, um Devisen für den geplanten Aufbau der Schwerindustrie einzunehmen. Als Folge verhungerten mehrere Millionen Menschen nicht nur in der Ukraine, wo dieses Verbrechen „Holodomor“ genannt wird. Ein Denkmal in Mariupol, das seit 2004 daran erinnerte, ließen die russischen Besatzer im Oktober abreißen — auch hier zeigt sich wieder der Kampf um die Deutung der Geschichte… Schon in der Sowjetunion wurde das Gedenken an den Holodomor unterdrückt.

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*mehr zu Memorial: Memorial (Menschenrechtsorganisation) – Wikipedia

** Hätte Putin sich nicht nur mit dem historischen Großrussland, sondern auch näher mit dem Zweiten Weltkrieg in Westeuropa befasst, dann wüsste er, wie Hitlers Bombenkrieg gegen England dort zum Mythos (The Blitz) des Widerstands- und Überlebenswillen erkoren wurde, die Nation stolz machte und so zum Durchhalten animierte.

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Nachtrag am 12.12.2022: Kaum war der obige Blog-Beitrag online gegangen, da sagte Putin seine übliche große Pressekonferenz zum Jahresende ab, die heute stattfinden sollte. Man könnte da einen Zusammenhang sehen, muss man aber nicht. So verhält es sich auch mit der einen oder anderen „historischen Wahrheit“, die vielleicht nur eine kühne Hypothese ohne Belege ist, aber trotzdem Gläubige findet — weil manche Leute eben einfach glauben wollen, was ihnen so schön ins Bild zu passen scheint. Ein Beispiel, das wir alle kennen: Donald Trumps Lüge von der „gestohlenen Wahl“, die noch immer bei vielen US-Bürgern verfängt.

Dieser Tage gab es eine große Polizei-Aktion gegen sogenannte Reichsbürger. Das sind Leute, die daran glauben wollen, dass dieser Staat keine Legitimation habe und das Deutsche Reich seit 1945 de jure weiter bestehe. Diese verrückt erscheinende Vorstellung könnte man als witzige Kabarett-Nummer verstehen, und so verstand ich sie, als ich in den Nuller-Jahren zum ersten Mal davon hörte. Inzwischen ist bekannt, dass viele Leute Gefallen an dieser Vorstellung gefunden haben und — das ist der Knackpunkt — ernsthaft glauben, mit dieser gedanklichen Konstruktion real Politik machen zu können.

Inzwischen haben diese Leute gemerkt, dass sie damit in der realen Politik keinen Blumentopf gewinnen können. Einige von ihnen wollen trotzdem nicht davon lassen und verlegen sich auf verschwörerische Umtriebe gegen diesen Staat, den sie mit oder ohne „Reichsbürgertum“ pauschal ablehnen. Konkret: Einige gehen so weit, dass sie reale Verschwörungen zum Sturz der Regierung und des demokratischen Systems planen, Waffen horten, „Feindeslisten“ schreiben, Einsatzpläne für den „Tag X“ ausarbeiten und sich in eine Machtübernahme nicht nur hineinträumen, sondern sie mit gewaltbereiten Leuten real in Szene setzen wollen.

Spätestens da muss auch ein demokratischer und im Prinzip toleranter Staat eingreifen. Wäre unser Staat ein autoritäres System, dann wären diese Möchtegern-Putschisten schon lange im Vorfeld verhaftet worden. In einem Staat wie z.B. dem gegenwärtigen Russland wären sie längst im Arbeitslager inhaftiert.

Wer unser demokratisches System erst gar nicht verstanden hat, der weiß auch wenig von den Grundwerten der Demokratie und läuft daher z.B. in einer Demo der Pegida oder der Verquerdenker mit. Da entblödeten sich fehlinformierte Menschen nicht, Schilder hochzuhalten, die von einer „Merkel-Diktatur“ kündeten. Auch das wäre allenfalls als Kabarett-Witz zu gebrauchen, wenn es diese Leute nicht tatsächlich ernst meinten.

Da werden Leute, die argumentieren wollen, von solchen Demonstranten niedergebrüllt — denn „man weiß“ ja längst, dass die alle bezahlte Marionetten des Systems sind und dass die Medien gleichgeschaltet und aus dem Kanzleramt gesteuert sind.

Das wiederum fand ich ausgesprochen lustig: Diese Leute, die sich von „Russia Today“ und anderen, von der Putin-Regierung finanzierten Kanälen bestens „informiert“ fühlten, beschrieben ein Bild, das eher auf Russland passte, aber von Putin als Bild hiesiger Verhältnisse in die Köpfe unserer Bevölkerung gesetzt werden sollte. Man will die Leute hier verunsichern, indem man frech die Tatsachen auf den Kopf stellt.

Dieses Propaganda-Schema findet man heute auch in den russischen Verlautbarungen über den Krieg gegen die Ukraine. Aber in einem Krieg wundert das nicht. Und, messerscharf geschlossen: Putin sah sich anscheinend schon vor 2022 im Krieg mit den westlichen Demokratien. Warum sonst finanzierte er soviel propagandistische Unterwanderung, warum finanzierte er schon lange viele rechtsradikale Parteien und Gruppierungen im Westen?

Wer verstehen will, wie Russland sich selbst sieht, und welche Erzählung über die Geschichte dieses Selbstbild begründet, der lese, was Orlando Figes in seinem Buch Eine russische Geschichte dazu schreibt. Seit Zar Iwan IV. dem Schrecklichen wird ein Mythos von der heiligen russischen Nation und dem „Sammeln russischer Erde“ gepflegt und Großrussland beschworen, Moskau als „Drittes Rom“ und Haupt der russisch-orthodoxen Kirche etabliert und in den Köpfen verankert.

Kein Wunder also, dass Putin den Schulterschluss mit der orthodoxen Kirche vollzogen hat (Wir erinnern uns z.B. an die Protestaktion von Pussy Riot in einer Moskauer Kirche 2012, für die die Teilnehmerinnen zu mehrjährigen Haftstrafen im Arbeitslager verurteilt wurden), kein Wunder auch, dass Patriarch Kyrill Putins Krieg gegen die Ukraine (auch aus kirchenpolitischen Gründen) unterstützt.

Und das Gros der Bevölkerung Russlands folgt der mythisch überhöhten Geschichtserzählung, die den Traum eines wiederhergestellten Großrusslands als historische Sendung preist — und dabei natürlich vom Selbstbestimmungsrecht der Völker oder gar von Demokratie nichts wissen will.

Wen überrascht da noch, dass andere Autokraten ebenfalls nostalgische Großreich-Träume wieder aufwärmen, z.B. Erdogan (Osmanisches Reich) oder Orban (ungarische Minderheiten in Nachbarstaaten „heim ins Reich“ holen). Wen überrascht, dass solche Autokraten auf Machtpolitik und Drohgebärden setzen und machomäßig Stärke zeigen — anstatt den Menschen diesseits und jenseits der Grenzen Ruhe, Frieden, Handel und Verbesserung ihres Lebensstandards zu ermöglichen durch friedlichen Austausch und Verständigung.

Die rückwärts orientierten Machthaber-Träume von Grenzverschiebungen und Annexionen schüren Konflikte, führen zu Unfrieden, betonen Trennendes zwischen den Menschen statt das Gemeinsame. Grenzen auf politischen Landkarten sind — so gesehen — etwas Gestriges, Antiquiertes, und sollten in unserer Zeit keine so große Rolle mehr spielen. Denn tatsächlich wird unsere Welt mit 8 Milliarden Menschen immer mehr zum „globalen Dorf“, in dem niemand mehr so tun kann, als ginge ihn/sie die anderen Menschen nichts an.

Grundsätzlich…

… muss jeder Mensch bei Verstand das so sehen. Aber ist der Homo Sapiens immer bei Verstand?

Wie schon im letzten Beitrag „Welt, quo vadis?“ mit guten Gründen dargestellt: Die Menschheit überlebt nur durch Zusammmenarbeit und Verständigung, durch friedlichen Austausch und Interessenausgleich.

Vergesst allen Unfug aus Opas Mottenkiste, in die z.B. ein Putin ganz tief hineingreift, vergesst Nationalismus, Macho-Wahn, Ehrenpusselei, etc. Sowas wirft uns zurück in gewalttätige Zeiten, in denen es auch nicht gepasst hat; nur lenkte es damals nicht, wie heute, von den Problemen ab, die aktuell die ganze Menschheit betreffen.

Wer heute noch Opas schädliche Parolen vertritt, der outet sich als denkfaul, oder als begrenzt zurechnungsfähig, weil er/sie den wahren Zustand dieser Welt nicht erkennt — oder nicht sehen will. Von wegen: Homo Sapiens, da lachen ja die Hühner!

Wer geistig nicht flexibel ist und sich an alte, unheilbringende Parolen und Konzepte klammert, dem sollte man kein politisches Amt anvertrauen, am besten auch kein anderes, wo er Unsinn verbreiten könnte. Das sollte, ja müsste wenigstens ab heute und in Zukunft gelten.

Fragt sich nur noch: Wie werden wir die Knallköpfe los, die unflexibel denken, die sich wie Dinosaurier an die Macht klammern, die lieber alles in Scherben schlagen, als sich zurückzuziehen und den Zukunftsorientierten, den Menschenfreunden das Steuer zu überlassen?

W. R.

Ergänzung am 17.08.2022:

Nun kommen sicher Leute mit Kritik daher, z. B.: Das ist doch alles zu wenig konkret. Ja Leute, waren Euch viele frühere Beiträge in diesem Blog nicht konkret genug? Lesen hilft! Da wurden Namen, Parteien und sonst wer benannt, die dem Fortschritt, wie er oben beschrieben ist, im Wege stehen, die sogar erklären, dass sie zurück in die Vergangenheit marschieren wollen, dass sie für Trennendes und Diskriminierung sind, dass sie gegen friedliches Miteinander sind, dass sie Leute gegeneinander hetzen wollen, Europa zurückversetzen wollen in Zeiten kriegerischer Konflikte und völkischem Zwist. Und wir wissen doch, wo und von wem immer noch Urwälder abgeholzt werden, wo bedrohte Tier- und Pflanzenarten gejagt und ausgerottet werden, wo weiter durch Autobahnen Naturräume zerschnitten und zerstört werden; dass ernsthaft die Ausbeutung von Rohstoffen in der Tiefsee geplant wird, dass viele ignorante Regierungen ihre Bevölkerung dumm halten und zuwenig über Umwelt-Bewahrung informieren (um ihnen stattdessen Halbwahrheiten über Arbeitsplätze und rauchende Schornsteine zu erzählen) … Menschenskinder, das konntet ihr schon längst in diesem Blog und/oder auf hier verlinkten Seiten lesen. Wenn Euch das nicht reicht, dann fehlt Euch der konkrete Wille, eine erträglichere Zukunft mitzugestalten, erträglicher als das, was uns bei einem „Weiter so!“ droht.

Denn inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern: Die schlimmen Folgen des durch Menschen beschleunigten Klimawandels erleben wir immer deutlicher. Was wir erleben wollen und sollten, ist eine deutliche, wirksame Abbremsung der globalen Erderwärmung, die derzeit noch an Fahrt aufnimmt. Wir hörten hierzulande Stimmen, die sagten: Es nützt doch nichts, wenn Deutschland etwas tut und andere Länder weltweit nicht mitziehen. Das waren die Stimmen des „Weiter so!“. Wir sehen aber, dass (leider noch zu langsam) immer mehr Regierungen (zumindest mit Worten) für Klimaschutz sind. Aber der Druck auf die Ignoranten wächst. Und es wächst die Zahl der Einsichtigen, die die internationale Zusammenarbeit fördern wollen.

Eines Tages werden sogar Figuren wie Putin einsehen müssen, dass die Menschheit weder durch Krieg positiv zu beeindrucken ist, noch ihn aus der Verantwortung entlässt, für sein Land wie für die Welt die gemeinsamen Interessen in den Vordergrund zu stellen. Das wird einem Putin schwer fallen, es sei denn, er sähe sich international isoliert oder sogar geächtet. Putin ist schlau genug, um seine Politik zu ändern, wenn sich immer weniger Leute belügen lassen und ihm der Verlust der Macht droht.

P.S. Wenn wir, dle Menschen alias der Homo Sapiens, eine Zukunft haben wollen, müssen wir konsequent handeln. Wir können uns halbherziges Taktieren, das möglichst niemandem weh tut, nicht mehr leisten. Wer jetzt noch glaubt, alles könne im Prinzip laufen wie bisher, der lebt in einer Traumwelt. Wer das den Leuten immer noch ernsthaft erzählen will, ist ein populistischer Dummschwätzer.

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Welt, quo vadis?

W O steht die Welt heute? Das ist eine Frage, die wir noch vor drei Jahrzehnten gern optimistisch beantworteten. Ja, Ende des Kalten Krieges, Auflösung und Demokratisierung des Ostblocks — das ermutigte zu kühnen Zukunftsentwürfen, gar zu der These vom „Ende der Geschichte“…
Weltfrieden, internationale Verständigung und Konfliktlösung durch Interessenausgleich, viele Menschen glaubten sich an der Schwelle zu einem Friedens-Endzeitalter. Denn eigentlich weiß Homo Sapiens: „Friede ist machbar, Herr Nachbar.“

Doch bald kam Ernüchterung, z.B. beim Zerfall des Staates Jugoslawien. Es gab Kämpfe zwischen den Volksgruppen, die lange friedlich miteinander ausgekommen waren. Und das in Europa! Wir hatten geglaubt, dass Alle die Lektion der Weltkriege gelernt hätten und Krieg als Mittel der Konfliktlösung verwerfen würden. Aber da gab es die machtgeilen Scharfmacher, die ethnische Unterschiede zu Feindschaften hochjazzten und Propaganda für ein ethnisch „gesäubertes“ Territorium machten, sodass Nachbarn plötzlich zu Feinden erklärt und umgebracht oder vertrieben wurden.

Ein serbischer Politiker namens Milosevic machte sich zum Sprecher für ein „Großserbien“ und bemühte die Geschichte: Wo im Mittelalter die Osmanen in einer Schlacht dem Großserbischen Reich ein Ende gemacht hatten, da rief er 600 (!) Jahre später zum Kampf für ein neues Großserbien auf. Mit welcher Berechtigung? Egal, der Großserbien-Mythos taugte dazu, Gefolgsleute hinter sich zu sammeln und zum großen völkischen Führer zu werden.

Ein Höhe-(oder besser: Tief-)punkt dieser Aktionen war das Massaker von Srebenica (1995): Der serbische Kommandeur Mladic befahl den Mord an ca. 8000 unbewaffneten männlichen Einwohnern. Sein erklärtes Ziel: Ethnische Säuberung, Tötung waffenfähiger Menschen, Schüren von Hass bis weit in die nächsten Generationen. (Näheres > Massaker von Srebrenica – Wikipedia)

Das war ein Schock. Wie konnten zivilisierte Menschen in Europa solch einem Befehl folgen und zu Mördern werden?
Diese Frage konnte man sich jüngst auch wieder stellen, als im Frühjahr 2022 die Gräueltaten an der Zivilbevölkerung in Butscha (Ukraine) bekannt wurden.

Wir träumten von einer friedlichen, zumindest aber einer friedlicheren Welt. Und sahen: Mit milden Worten und Appellen an die Vernunft drangen wir längst nicht überall durch. Und bei Rückblicken in die Geschichte finden wir viele Beispiele: Wo man einer aufgehetzten und verrohten Soldateska freie Hand lässt, da foltert und metzelt sie wahllos alle Lebewesen, die nicht fliehen konnten. Aber ein aufgehetzter, ziviler Mob ist ebenso zu Mordtaten und Massakern fähig.

Ein wichtiger Punkt dabei ist, dass die Mörder zuvor aufgehetzt und aufgestachelt wurden, sodass sie jede Menschlichkeit vergessen und in einen Blutrausch geraten konnten. Darum richte man sein Augenmerk auf den Vorlauf: Wer hetzt, wer ruft zu Gewalt, zu Totschlag und Mord auf? Gewaltbereitschaft wird durch militante Worte und Extremismus gefördert. Wer vom Rednerpult aus Feindbilder malt und zur Aktion aufruft, der darf sich hinterher nicht aus der Mitverantwortung stehlen.

Das hat Donald Trump uns vorexerziert, als er den Sturm auf das Capitol (6. Januar 2021) befeuerte und den Mob ungebremst toben ließ. Mit in der Verantwortung stehen neben Trump andere Hetzer, die seit Langem über Medienkanäle Lügen, Hassparolen und Verschwörungsfantasien verbreiteten und nach Kräften weiterhin das politische Klima vergiften. Einer dieser Hetzer wurde jüngst in den USA aufgrund einer Privatklage zu Schadensersatz verurteilt, weil er schamlos Lügen über ein Schulmassaker verbreitete.

Doch man muss diesen Auswüchsen schon im Vorfeld wehren. Erst wenn es Tote gibt, erwägt die Politik Maßnahmen. Doch wie bisher gegengesteuert wurde, das war offenbar zu wenig. Vordringlich ist ein wirksames Vorgehen gegen Hetze und Hetzer im Netz. Da ist bisher zu wenig Erfolg — was auch an den Strukturen im Netz liegt, nämlich an den Algorithmen in den „social media“. Dort ist das Geschäftsmodell: Je krasser die Posts und Beiträge (und je dreister die Lügen), desto länger bleiben die User dabei und hecheln den Sensationen hinterher (… und desto mehr Werbe-Einschübe kann man unterbringen, mit denen fettes Geld verdient wird). Wer es noch nicht wusste, nehme zur Kenntnis: Im Internet ist nichts wirklich umsonst; vor allem die Betreiber von Social-Media-Plattformen wollen nicht sozial sein, sondern Kohle machen!

Schlimm ist dabei die Naivität oder Unbedarftheit, mit der sich viele Menschen ins Netz einloggen und da herumsurfen. Vielen ist nicht klar, dass sie nicht kostenlos surfen, sondern zahlen — nämlich mit ihren Daten, die sie im Netz hinterlassen. Manche geben sogar freiwillig jede Menge Informationen über sich und ihre Familie im Netz preis. Folge: Google weiß sehr viel über dich, auch Dinge, die du längst vergessen hast. Das Netz vergisst nichts. Damit wird Geld verdient: Daten und Profile über Menschen werden gehandelt und paketweise verkauft.

Doch Unbedarftheit sieht man leider auch in vielen Meinungen und Einstellungen von Menschen, denen es an gesundem Menschenverstand mangelt oder an politischer Bildung, und die deshalb ihre Likes an Vieles vergeben, das sie bei gründlichem Nachdenken nicht gut finden dürften. Beispiel: Sehr verbreitet und sehr berechtigt ist die Ansicht, dass Krieg Sch… ist und Friede ein wertvolles Gut. Doch wo ein Hetzer den richtigen Trigger bedient und zu spontan-emotionalen Reaktionen verleitet, da liken viele Menschen militante Äußerungen, die ihrer eigentlichen Grundeinstellung widersprechen.

Solche Menschen sollte man nicht gleich verurteilen, sondern sie eher dazu anleiten, sich mehr ihres Verstandes zu bedienen und zu überlegen, welche Folgen sich aus dieser Behauptung oder jener Aktion ergeben werden. Das ist nicht leicht für Menschen, die gern ihrem Herdentrieb folgen und sich mitziehen lassen. Aber letztlich bleibt die Verantwortung für sein Handeln oder Nichthandeln bei jedem/jeder Einzelnen.

Wenn Menschen sich daran gewöhnt haben, Autoritäten zu folgen und kritiklos zu gehorchen, dann haben es machtgierige Menschen leicht, sich zu Führern aufzuschwingen und die Menschen dahin zu lenken, wo sie gegen ihre eigenen Interessen zustimmen und folgen.

Das kann z.B. so weit führen, dass sich ein Großteil der russischen Bevölkerung von einem ausgebufften Geheimdienstmann ihre Demokratie abschwatzen lässt und ihm auch dann noch glaubt, wenn er sie in einen unnötigen Krieg führt… (Obwohl fast niemand für Krieg ist). Da wird sich dann die Welt mit Wodka schön getrunken.

Das kann auch dazu führen, dass ein Großteil der türkischen Bevölkerung sich erneut in Feindschaft gegen Kurden treiben lässt, dass sie die militärischen Abenteuer ihres Präsidenten in Nordsyrien gutheißt, dass sie nicht aufmuckt, wenn er zu seinem persönlichen Machterhalt mit konservativen religiösen Kräften paktiert und eine relativ freie Gesellschaft unter eine streng-konservativ-islamische Knute beugen will. Schon treibt er viele junge Menschen aus dem Land, indem er Freiheiten zunehmend einschränkt und sogar in diesem Jahr (man glaubt es kaum!) Rock-Konzerte und andere kulturelle Veranstaltungen verbieten lässt. Außerdem provoziert er bewusst Spannungen zum Nachbar Griechenland, damit eine Bedrohung von außen ihm hilft, die Reihen unter seiner Führung zu schließen und Kritik verstummen zu lassen.

Leider kennt die Welt derzeit gleich mehrere Machthaber, die groß auftrumpfen und ihre Macht erhalten und vergrößern wollen — ohne Rücksicht auf die Folgen ihrer Scharfmacherei, auf Kosten der eigenen Bevölkerung, auf Kosten des friedlichen Zusammenlebens der Völker. Die Menschheit im Ganzen hat noch zuwenig aus der Geschichte gelernt, um Mittel gegen solche Auswüchse zu finden und zu etablieren. Die UNO ist mit ihrem Sicherheitsrat längst kein Mittel zur Verhinderung von Krieg und Vertreibung mehr (Das sollte sie ursprünglich sein, nach der Erfahrung des Zweiten Weltkriegs).

Und Europa bekleckerte sich auch nicht mit Ruhm, als es in den 1990er Jahren darum ging, die grassierende Gewalt in Ex-Jugoslawien zu stoppen. Da mussten die USA Weltpolizist spielen und militärisch eingreifen, um die Scharfmacher an den Verhandlungstisch zu bringen.

Dabei ist eigentlich klar: Die Welt, d.h. die Menschheit ist dazu verdammt, zusammenzuarbeiten und sich zu verständigen. Ein Putin und einige andere rückwärts denkende Machthaber und Machtgierige haben das nicht kapiert, sie sind aus der Zeit gefallen. Wenn die Menschheit untergeht, dann wegen dieser Knallköpfe an der Macht sowie der Knallköpfe, die ihnen zujubeln und ihnen damit die Macht geben, die sie für ihr unheilvolles Wirken brauchen. Merke: Die Menschheit kann nur überleben, wenn sie die untauglichen Denkschablonen früherer Jahrhunderte über Bord wirft und Gegenwart und Zukunft gemeinsam gestaltet

Wir haben Probleme zu bewältigen, die nicht mit Retro-Konzepten zu lösen sind. Vergesst die alten Konzepte von Nationalstaat-Über-Alles, von Eroberungen und Grenzverschiebungen, von Uniformierung einer Nation ohne abweichende Meinungen und Lebensentwürfe… Dieser alte Kram ist Klotz am Bein der Menschheit und hindert nur beim Fortschritt, nämlich bei internationaler Zusammenarbeit und gemeinsamer Lösung weltumspannender Aufgaben.

Wenn sich die Menschheit nicht positiv zusammenrauft und gemeinsam gegen Klimakatastrophe und menschengemachte Plagen inklusive Umweltzerstörung vorgeht, dann… gute Nacht. Aber es geht nur positiv: Dass Ihr nur gemeinsam überlebt, das müsst Ihr doch einsehen! Optimisten haben den Pessimisten eins voraus: die bessere Laune. Darum redet nicht vom Untergang, sondern vom Leben und Überleben — für alle Lebewesen auf dieser unserer Erde.

W. R.

„Welt — quo vadis“ könnte auch überschrieben werden „Was die Welt braucht — und was nicht“. Dies ist ein Beitrag, der helfen soll, desorientierten Menschen den Blick für’s Ganze zu öffnen und ihren moralischen Kompass zu justieren. Auf jeden Fall muss verkündet werden, dass die alten, gewohnten Lösungen nicht mehr taugen, dass die alten Parolen nicht mehr ziehen dürfen, dass wir als Menschheit gemeinsam unsere Zukunft sichern müssen, wir als Menschheit. Unsere Zukunft aber ist gekoppelt an die Zukunft des Lebens auf diesem Planeten. Wenn wir gegen die Natur wirtschaften, verfehlen wir das Ziel. Wenn wir uns weiter von machtgeilen Egoisten spalten lassen, erst recht.

Aktueller Nachtrag am 26.09.2022: Die Wahlen in Italien vom 25.09. haben einem Bündnis rechtspopulistischer Parteien eine Mehrheit beschert. Man braucht nur wenige ihrer Parolen zu hören, und man weiß: Eine Mehrheit orientierungsloser, verunsicherter und irregeleiteter WählerInnen ist auf Retro-Parolen hereingefallen, wie so oft in der Geschichte. Die Leute lassen sich mal wieder von Dummschwätzern foppen und geben sich der vagen Hoffnung hin, es würde ihnen etwas bringen, wenn Italien wieder stolz und selbstbewusst die nationalen Interessen (auch gegen die EU) verfolgte. Solche Parolen hörten wir fast gleich schon von Trump, und z.T. auch bei den Nazis in den frühen 1930er Jahren… Das wisst Ihr ja hoffentlich. Fakt ist: Keinem Land bekommt es, wenn es sich von internationaler Zusammenarbeit abkoppelt. Italien im konkreten Fall hängt von der Hilfe der EU ab. Gerade deshalb haben wohl etliche ihre Stimme den Befürwortern von Nationalstolz und Ausländerfeindlichkeit gegeben. Ein ähnliches Phänomen hat viele Briten für den Brexit stimmen lassen. Nostalgie nach alter Größe ist ein schlechter Ratgeber, wenn die Welt sich längst ein Stück weiter gedreht hat. Die Briten merken inzwischen mehrheitlich, dass sie sich mit dem Brexit keinen Gefallen getan haben.

Und wer freut sich am meisten über dieses Wahlergebnis? Dreimal dürft Ihr raten. Es ist derjenige (Du weißt schon wer), der den rechten Parteien schon seit Langem finanziell und propagandistisch unter die Arme greift, damit sie die westliche Demokratie und ihre Freiheiten bekämpfen. Das dürfen wir uns nicht bieten lassen, und deswegen ist, bei allen pazifistischen Neigungen, derzeit das Gebot der Stunde, die Ukraine in ihrem Abwehrkampf gegen den Aggressor auch militärisch effektiv zu unterstützen.

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Nachhaltig riskant!

D A nutzen ein paar Atomkraft-Nostalgiker die Energie-Verteuerung und Putins Spielchen mit dem Gashahn, um den Atomkraftwerken wieder Akzeptanz zu verschaffen. Sie behaupten, dass es gegen alle Vernunft sei, unsere letzten Atomkraftwerke wie geplant Ende des Jahres außer Betrieb zu setzen. Diese Diskussion wird penetrant in die Medien gedrückt, obwohl es zu diesem Thema keine neuen Erkenntnisse gibt. Neu ist nicht einmal, dass Frankreich, das sehr auf Atomkraft setzt, derzeit größere Probleme damit hat.

Die Gründe für die aktuellen Probleme entnehme man diesem Artikel: Nukleare Renaissance aus Energiemangel?: Das schwarz-gelbe Trommeln für die Atomkraft ist absurd – Politik – Tagesspiegel

Andere, gravierende Probleme sind altbekannt. Neben den hohen finanziellen Kosten verursachen Atomkraftwerke Strahlungsschäden und – vor allem – einen wachsenden Berg von radioaktivem Müll, der bloß „zwischengelagert“ wird, weil es bisher in Deutschland kein sicheres Endlager dafür gibt. Sicher ist ein Endlager nur, wenn 1. aus dem Lager nichts in die Umwelt gelangen kann, und wenn 2. das für tausende von Jahren gelten kann.

Bisher hat man weltweit kaum sichere Standorte gefunden, produziert aber fleißig weiter strahlenden Müll. (Müll sind hier nicht nur abgebrannte Brennstäbe, sondern auch verstrahltes Material aus der Umgebung der Reaktoren; außerdem darf das aus dem AKW abfließende Kühlwasser nicht mit Strahlung belastet sein, d.h. nicht über bestimmte Grenzwerte hinaus). Die Sowjetunion und nachfolgend Russland haben Vieles einfach ins Meer gekippt, so wie dort viele Umweltsünden (z. B. mit Erdöl) ganze Landstriche verseucht haben. Aber auch in anderen Weltgegenden sind Betreiber von AKWs nicht immer zimperlich, wenn sie verstrahlten oder hochgiftigen Müll loswerden wollen.

Kurzum: Auch die verharmlosende Bezeichnung „Kernkraftwerke“ macht die Atomkraftwerke nicht besser. Sie sind zu Recht hierzulande ein Auslaufmodell, leider in anderen Ländern noch nicht (Frankreich, Belgien, Großbritannien, Finnland, Türkei, um nur einige in Europa zu nennen).

Man kann im Nachhinein der Ex-Kanzlerin Angela Merkel manch falsche Weichenstellung und eine Verschleppung der nötigen Energiewende ankreiden, doch ihre Kehrtwende nach der Katastrophe von Fukushima war eine richtige Entscheidung. Davon sollte man nicht abrücken. (Mehr siehe: Archive, März 2014) Das AKW ist und bleibt eine Risikotechnologie.

W. R. 19.07.2022

Ceterum Censeo: Diesem Mann (siehe Foto) ist nicht zu trauen! Der redet von Faschisten in der Ukraine und ist dabei selbst der größte Faschist seit Adolf Hitler. Zu seinem Geschäftsmodell gehört, die Wahrheit in ihr Gegenteil zu verkehren und mit Unschuldsmiene die schlimmsten Grausamkeiten zu befehlen.

24.07.2022: Wie um die obige Einschätzung zu bestätigen, ließ Putin kurz nach der Unterschrift unter das Istanbuler Abkommen über Getreideausfuhr den Hafen von Odessa mit Raketen beschießen. Darüber wundern sich nur Leute, die Putin und sein Regime immer noch falsch eingeschätzt haben.

02.08.2022: … oder immer noch nicht aus der russischen Propaganda-Erzählung ausgestiegen sind, nach der Russland von der Nato eingekreist und bedroht sei und sich mit dem Überfall auf die Ukraine (einem heimlichen Aufmarschgebiet der Nato) nur dagegen wehre. Dagegen halten könnte man ja mal mit Putins eigenen Propaganda-Waffen: Wir fordern, Ostpreußen/Region Kaliningrad mit Deutschland oder Polen wiederzuvereinigen, außerdem das ehemalige Ostpolen mit Polen wiederzuvereinigen, usw. Aus dem Steinbruch der Geschichte holen wir uns (wie Putin) ausgewählte Steine und bauen uns daraus ein eigenes Geschichtsbild.

Man könnte auch sagen: wie Chinas Diktator Xi, der androht, eine „Wiedervereinigung“ mit der Insel Taiwan militärisch zu erzwingen. Freiwillig würden die BürgerInnen von Taiwan, demokratisch regiert, mit großer Mehrheit ohnehin keinen Anschluss an China wollen. (Hongkong lässt grüßen.) Und auch hier wäre das Wort „Wiedervereinigung“ aus meiner Historiker-Sicht völlig unangebracht: Taiwan war nie Teil eines von der KP China beherrschten Staates „Volksrepublik China“, früher bei uns kurz „Rotchina“ genannt, um ihn von „Nationalchina“ zu unterscheiden, das heute „Republik Taiwan“ heißt. Da könnte mit genau demselben Grund Taiwan den Spieß umdrehen und eine Wiedervereinigung Taiwans mit einem von der kommunistischen Diktatur befreiten China als Ziel propagieren.

An angeblich historisch begründbaren Gebietsforderungen findet auch der türkische Autokrat Erdogan Gefallen: Er will die griechischen Ägäis-Inseln vor der West-Türkei zu türkischem Territorium machen. Seltsam (oder eher: bezeichnend) ist, dass solche Gebietsansprüche gern von Machtpolitikern erhoben werden, die damit Spannungen zu Nachbarstaaten provozieren und sogleich inneren Zusammenhalt gegen einen äußeren Feind einfordern… zufälligerweise (!) gerade dann, wenn die Zustimmung zu ihrer Politik im Inland schwindet.

Also, jeder um seine Macht bangende Politiker nimmt am besten einen historischen Atlas zur Hand und schaut nach, was man mit Hinweis auf igendwelche früheren Grenzen oder Einflusssphären heute „zurück“-fordern könnte. Und noch besser, wenn da ein paar Leute wohnen, die die gleiche Sprache sprechen, die kann man dann zur bedrohten Minderheit erklären, die „heim ins Reich“ wolle (egal, was die selber wollen).

Als Historiker sage ich: Gähn! Sowas hatten wir doch schon zu Genüge. Wieso verfängt das immer noch bei einigen Menschen, obwohl ihnen klar sein sollte: Wir wollen keinen Krieg, aber solche Forderungen, gekoppelt mit militärischen Drohungen, lassen uns leicht in einen Krieg hineinrutschen. Und wenn erst Krieg ist, weiß niemand im Voraus, was passiert und wie er ausgeht. Sicher ist nur: Viele verlieren ihr Leben oder ihre Gesundheit für — ja, für was eigentlich? Für wehende Fahnen auf einer Militärparade??

Die Menschen sollten längst wissen: Wo genau Staatsgrenzen verlaufen, das hat wenig Einfluss auf unser Wohlergehen, solange man sich über Grenzen hinweg friedlich (!) verständigt, miteinander Handel treibt und international auch an Wissenschaft und Forschung teilnimmt. Ein kluger Mann im Alten Rom formulierte einmal den Satz: Ubi bene, ibi patria. (Wo es mir gut geht, da ist mein Vaterland.) Wer braucht da Ideologien wie z.B. Nationalismus?

Vielleicht will Putin ja mit Krieg davon ablenken, dass es ziemlich vielen Russen nicht so gut geht. Erdogan macht es nach und rasselt mit dem Säbel, weil die Türken mit der krassen Inflation im Land zunehmend unzufrieden sind.

Um der gesamten internationalen Staatengemeinschaft vor’s Schienbein zu treten, ließ Putin dieser Tage verkünden: Ab 2024 steigt Russland aus der ISS (Internationale Raumstation) aus. Das passt übrigens ins Bild wie die o.g. Raketen auf Odessas Hafen… Er gibt vor, auf Zusammenarbeit und Austausch mit der internationalen Staatengemeinschaft verzichten zu können: wie ein trotziges Kind, das seinen Willen nicht durchsetzen konnte, mit dem Fuß aufstampft und Allen den Stinkefinger zeigt.

Nachtrag am13.08.2022: Die Russen haben das größte Atomkraftwerk Europas in Saporischschja (Ukraine) besetzt und nutzen auch dies, um dem Rest Europas Angst zu machen. Denn wenn dieses AKW durch Kriegseinwirkung beschädigt wird, kann es zu einer Katastrophe kommen, die mit der von Tschernobyl (1986) vergleichbar wäre. Putin lässt keine Prüfer der Internationalen Atombehörde auf das Gelände. Ich sehe ihn im Kreml sitzen und sich freudig die Hände reiben, wenn westliche Nachrichten von dieser Gefahr berichten. Angst machen ist seine Kernkompetenz, das hat er in seiner Jugend in Hinterhof-Schlägereien gelernt und während seiner langen Geheimdienstkarriere perfektioniert.

Wir sehen überdeutlich: Putin spielt mit der Angst im übrigen Europa, er schürt bewusst (auch über das Internet) Ängste vor radioaktiven Wolken, vor Energieknappheit im Winter, vor explodierenden Preisen auf dem Energiemarkt… Wir dürfen das Spiel nicht mitspielen und seine Wünsche erfüllen, auf gar keinen Fall! Wir müssen Kurs halten.

Seltsam übrigens: Die Atomkraft-Fans hierzulande schweigen sich aus über die Gefahr, dass jemand im Konfliktfall unsere AKWs mit Raketen treffen könnte und… (denkt selbst weiter!). Gerade in diesen Wochen sieht man in der Welt Figuren an der Macht, denen man zutrauen kann, dass sie im Zweifel damit nicht nur drohen. Ungeachtet dessen wünschen sich bestimmte Leute den Neubau weiterer Atomkraftwerke. Denen geht es dabei nur um Geld, das sie scheffeln wollen — womöglich auf unser aller Kosten, und auf Kosten vieler nachfolgender Generationen.

Nachtrag am 06.09.2022: Man glaubt es kaum, aber einige Knallchargen aus FDP und CDU (T’schuldigung, mir geht da langsam die Höflichkeit verloren) fordern unverfroren eine verstärkte Wiederaufnahme von Atom-Strom in den deutschen Energiehaushalt. Manche trompeten in die Medien was von 5 Jahren Laufzeitverlängerung für alles, was an AKWs noch nicht dauerhaft abgeschaltet ist. Und zugleich wird hämisch den Grünen vorgehalten, sie verrieten ihre Ideale, indem ihre Minister und die Parteiführung als Notlösung zwei AKWs in Süddeutschland Ende des Jahres noch nicht (wie vorgesehen) dauerhaft abschaltet.

Die jenigen, die damit die Grünen diskreditieren oder wenigstens irritieren wollen, entlarven sich damit selbst. Denn im Gegensatz zu denen, die eine verfehlte Gaspolitik zu verantworten haben (und damit unseren aktuellen Energie-Schlamassel), zeigen die Grünen in Regierungsverantwortung, dass sie ihr Handeln an der Realität ausrichten und nicht an ideologischen Positionen mit Blick auf ihre Wähler-Klientel. Wirtschaftsminister und Vizekanzler Habeck nimmt seine Verantwortung für das ganze Land wahr, im Gegensatz zu gewissen anderen Politikern bedient er nicht in erster Linie Wähler-Gruppen, und das, mit Verlaub, rechne ich ihm hoch an. Dass auch er nicht über’s Wasser wandelt und mal Fehler macht, ist klar, denn er ist auch nur ein Mensch. Dasselbe gilt für Außenministerin Baerbock, die gelegentlich auch mal Klartext redet und unter Diplomatie nicht nur Wischi-Waschi-Gerede versteht, z.B. beim Besuch in der Türkei, wo sie klarstellte, dass die Ägäischen Inseln griechisches Territorium sind und in deutscher Sicht auch bleiben — trotz des derzeitigen Säbelrasselns der türkischen Regierung.

Nachtrag zu Erdogan und der Türkei: In den 1990er Jahren machte ich gern Urlaub in der TÜrkei. Das hat sich geändert, nachdem ich gesehen habe, dass man in diesem Land besser nicht ins Visier der Polizei und der Justiz geraten sollte. Im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte hat sich mein Eindruck verschärft: Offenbar darf man dort nicht einmal den leisen Anschein erwecken, als wolle man Erdogan und seine Politik kritisieren. Wer sowas schon mal im Internet in den Social Media gepostet hat, sollte bedenken, dass auch türkische Geheimdienste dort mitlesen. >Wegen Kritik an der Türkei: Erdogan lässt mehr als 120 Deutsche festhalten

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Weiter so? Auf keinen Fall!

Natürlich sind wir (die einigermaßen wachen und kritischen Leute) nicht durch den schlimmen Krieg Putins gegen die Ukraine abgelenkt von der Tatsache, dass fortgesetzt weiter unser Klima, die Biodiversität und unsere Ressourcen durch eiskalte Profitjäger — im Verbund mit ignoranten oder gekauften PolitikerInnen — zerstört werden. Konkretes Beispiel hierzulande: Der FDP-Bundesverkehrsminister unterläuft ganz bewusst eine notwendige Verkehrswende und handelt als Einer vom Club „Weiter so, Hauptsache die Kassen klingeln.“
Eine ausführliche Zusammenfassung unserer Lage gibt uns ein Journalist hier: https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/dws-skandal-und-nachhaltigkeitsziele-wie-wir-den-kollaps-herbeiwirtschaften-a-d768db0d-2479-40da-a136-ba9c12e0fc0b

Inzwischen kann keine/r mehr so tun, als wüsste sie/er nichts von der akuten Gefahr, die uns allen droht… und die uns in ersten Schritten schon ereilt (Stichworte: Flutkatastrophe an der Ahr etc. Juli 2021, Austrocknung unseres deutschen Waldes, u.a.m.).

Es gibt nichts Gutes, außer: man tut es. Auf das nötige Handeln kommt es an. Hier hilft kein „Augen zu und durch.“ Was sollen wir also tun? Uns informieren! Es gibt genug Infos dazu, was jede/r Einzelne tun oder ändern kann. Und es gibt Möglichkeiten, der Politik und der Wirtschaft auf die Finger zu schauen und da, wo sie ignorant weiter wirtschaften wie zuvor, ihnen auf die Füße zu treten.

Und, liebe NichtwählerInnen: Nehmt per Brief oder im Wahllokal an den Wahlen teil! Lasst Euch nicht einreden, Wählen könnte nichts ändern! Macht die Augen auf, informiert Euch und stellt fest, wie das wirklich läuft. Und macht erst dann ein Kreuz auf dem Zettel, wenn Ihr wisst, wer Eure Interessen vertritt und nicht bloß durch Dummschwätzen an die Macht will.

Wenn jemand die Gefahren des Klimawandels kleinredet, dann müssen Eure Ohren groß werden, und Euch muss klar sein: Dieser Jemand meint es nicht gut mit uns. Längst wissen wir: Den Klimawandel zu bremsen kostet nicht nur Arbeitsplätze, es schafft auch viele neue. Windräder mögen einigen Leuten im Landschaftsbild nicht gefallen, aber sie liefern ERNEUERBARE ENERGIE, und sie produzieren keine Abgase, denn sie verbrauchen kein Öl oder Gas und auch keine Kohle. Das ist uns ja in diesen Wochen drastisch klar geworden: Gut ist, wenn Energie im eigenen Land produziert wird. Noch viel besser: wenn es erneuerbare Energie ist!

Also: Die Sache ist klar. Handeln ist die Devise.

W. R.

P.S. Sich informieren — das klingt plausibel. Von Vielen hört man auf die Frage: Wie und wo informieren Sie sich? als Antwort: im Internet. Gemeint ist damit leider oft: Ich klicke an, was ich gerade so sehe, oder was Leute in social media posten… Ja, kann man machen, aber ist das „informieren“? Das ist „Kraut und Rüben“ durcheinander, vor Allem taucht da viel unseriöses Gewäsch von Wichtigtuern auf, und bewusste Falschinformation.

Letztere wird, getarnt als Einzelmeinungen aus dem Volke, von interessierter Seite ins Internet geschleust, teils auch über nicht journalistisch-professionelle Kanäle verbreitet, aber auch z.B. über Russia Today. Und konkret gesagt: Putin z.B. hat ein gesteigertes Interesse daran, bei uns Falschinformationen zu streuen und Verwirrung zu stiften; vor Allem will er unser Vertrauen in unser politisches System erschüttern und untergraben, denn die westliche Demokratie mit ihren Freiheiten für die BürgerInnen ist ihm ein Greuel. Auch andere autoritär geführte Regierungen mischen gern in unseren Internet-Foren etc. mit und versuchen, Euch mit Falschmeldungen und erfundenen Verschwörungen zu irritieren. (Mit Kopfschütteln sehe und höre ich bei gewissen Demos jene Brüllaffen marschieren, die, mit Putins Propaganda abgefüllt, wollen, dass alles in Scherben fällt, und die Freiheit abschaffen wollen, die sie hierzulande genießen.)

An einem Beispiel können wir sehen, wie Einflussnahme von außen geht, wie Putins Regime in Bulgarien agiert: (5) Desinformation in Bulgarien: „Russlands Ziel ist Zwietracht und Chaos“ – Politik – Tagesspiegel (Mehr dazu siehe unten: Nachtrag vom 18.09.2022)

Vor Allem denkt daran: Putin befiehlt die brutalstmögliche Kriegführung, sowohl gegen alles Lebendige als auch gegen die Infrastruktur, gegen die Versorgung mit Wasser, Elektrizität, gegen Krankenhäuser und Schulen… Das hat er schon in seinen anderen Kriegen so gemacht. Oder was glaubt Ihr, wovor soviele Syrer aus ihrem Land geflohen sind?

Wir, die wir Frieden genießen, können uns das trotz der Nachrichtenbilder nur schwer vorstellen. Und wie schnell wollen wir vergessen und uns wieder unseren kleinen Alltagssorgen widmen!

Putins Menschenverachtung verheizt auch die eigenen Leute hemmungslos. Gleichzeitig streut er in seltener Unverfrorenheit Lügen; so lässt er in afrikanischen Staaten verbreiten, der Westen trage die Schuld an der Getreide-Knappheit und den gestiegenen Preisen. Für den alten Geheimdienst-Zyniker ist jedes Mittel recht, um an der Macht zu bleiben und die Leute an der Nase herumzuführen. Er zeigt sich nicht nur als Zyniker, sondern auch als ausgemachtes Charakterschwein, wenn man seinen Krieg gegen die Ukraine genauer betrachtet.

Ich frage mich, wie man so einen Menschen und sein Regime noch respektieren und als Gesprächspartner akzeptieren kann. Offenbar gibt es immer noch Menschen und auch Regierungen in der Welt, die Putins Erzählungen Glauben schenken wollen und westlichen Regierungen eine Mitschuld an Putins Krieg wie an seinem eiskalten Kalkül mit Hunger geben.

Hitler wurde durch eine Kriegskoalition niedergerungen und beseitigt (nachdem Attentate gescheitert waren), heute beteuern Regierungen ständig, nicht Kriegspartei in der Ukraine werden zu wollen. Ja, wenn Ihr das nicht wollt, dann müsst Ihr mehr tun, um Putins Regime in der Welt zu ächten und als das bloßzustellen, was es ist (siehe oben). Putin hat noch zuviele Geschäftspartner und Unterstützer. Und die Sanktionen des Westens wirken erst langsam, und nicht so heftig wie anfangs erhofft.*

________________

* Immer wieder versuchen hierzulande Leute (Putin-Versteher? Angsthasen?), diese Sanktionen als wirkungslos oder gar als „Eigentor“ hinzustellen. Das ist falsch, denn Russland befindet sich in einem wirtschaftlichen Niedergang und wird durch die Sanktionen des Westens zusätzlich geschwächt. Putin ist kein Fachmann für Wirtschaft und hat sich offenbar nicht beraten lassen, sondern stur auf die Karte „schnelle Eroberung“ der Ukraine gesetzt. Sein „Erfolgsmodell“ sind Kriege, die er ungeachtet aller (möglichst geheim gehaltenen) Verluste den Russen als großartige Erfolge verkauft. Doch Krieg verursacht Kosten — ungeachtet des Ausgangs. Putin nimmt durch Energie-Exporte und die Preissteigerung haufenweise Geld ein, kann sich aber wegen der Sanktionen nur wenig dafür kaufen.

Wenn das lange fortdauert, arbeitet die Zeit gegen Putin, denn auch die Abhängigkeit von seinen Energielieferungen lässt bei vielen Ländern nach. Und in Russland werden die Leute allmählich merken, dass immer mehr Soldaten nicht mehr nach Hause kommen, während Russland die Ukraine immer noch nicht besiegt hat. Sie werden Fragen stellen: Wozu das Ganze? Warum wird unser Leben nicht besser, sondern schlechter?

Bei Putins zynischer Kriegführung leidet aber zunehmend auch die Ukraine, weil Putin ihr die Lebensgrundlagen zerstört. Mag sein, dass er es nicht schafft, den Staat Ukraine unter seine Kontrolle zu bringen; doch seine Bomben und Raketen tun alles, um möglichst viel Infrastruktur und möglichst viel Wirtschaft kaputtzumachen. Darum wäre es besser, nicht abzuwarten, sondern die Ukraine massiv militärisch zu stärken.

Warum? Nur so lässt sich der Krieg verkürzen, nur bei Erfolgen der ukrainischen Armee besteht Aussicht, dass Putin zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist. Ansonsten wächst auch täglich das Ausmaß der Zerstörungen, und besonders Deutschland wird mit Aufbauhilfen auf Jahre hinaus finanziell unterstützen müssen. Eine einfache Rechnung: Wer jetzt an Waffenlieferungen spart, muss später umso mehr an Hilfsmilliarden drauflegen.

Auf jeden Fall sollte niemand hier den Ukrainern Ratschläge geben wollen, die auf Kapitulation hinauslaufen, schon gar nicht in dieser Lage.

Nachtrag am 18.09.2022 zum Thema Desinformations-Kampagnen des Kreml: Russlands Krieg gegen die Ukraine: So schafften es Wladimir Putins Lügen in den Bundestag – DER SPIEGEL Übrigens war das für klarsichtige Leute schon lange kein Geheimnis mehr: Putin lässt auf verschiedenen Kanälen und Ebenen seine Propaganda und seine Verunsicherungs-Lügen verbreiten. Das wurde auch auf dieser Website schon mehrfach angesprochen. Mehr darüber >Ukraine-Invasion: Wladimir Putins globale Rechte demaskiert sich selbst – Kolumne – DER SPIEGEL

Nachtrag am 01.11.2022, betrifft die meist unterschätzte Klimakrise, die offenbar auch Putin falsch einschätzt >Frank-Walter Steinmeiers Rede: Die harten Wahrheiten des Bundespräsidenten – Kolumne – DER SPIEGEL

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Ein Hoch auf Tony Rinaudo!

Tony Rinaudo, ein Wissenschaftler aus Australien, wird zum Gegenpol einer Figur wie Putin: Tony macht die Welt eine bisschen besser, indem er Menschen in Afrika lehrt, vorhandene Ressourcen zu beleben und in trockenen Gebieten neuen Wald entstehen zu lassen. Dagegen sorgt Putin für das Gegenteil, er bringt Zerstörung, Leid und Tod über die Bevölkerung eines Landes, greift seine Lebensgrundlagen an und terrorisiert die Menschen durch eine barbarische Kriegführung. Leider kann man einen solchen skrupellosen Menschenfeind nicht einfach totschweigen, weil er zuviel Macht hat und mit allen Mitteln seine Macht noch ausdehnen will.
Umso mehr muss man auf die positiven Beispiele von Menschen wie Tony Rinaudo schauen! Er sorgt dafür, dass es vielen Menschen besser geht, dass vertrocknetes Land wieder ergrünt und damit auch das Klima günstig beeinflusst wird. Er geht zu den Menschen und zeigt ihnen, wie sie sich selbst helfen können und zugleich die Welt ein bisschen verbessern.
Dafür bekam Tony bereits den Alternativen Nobelpreis, Volker Schlöndorff machte einen Film über ihn >Volker Schlöndorffs Kino-Doku „Der Waldmacher“: Tony Rinaudo und das Wunder der Bäume – SWR2. Tonys Beispiel kann Viele ermutigen, Viele zur Nachahmung begeistern oder ihren Esprit zu anderen produktiven Projekten befeuern.
Nicht so Putin: Er befeuert neue Krisen und verstärkt alte, etwa indem er durch Zerstörungen in der Ukraine, einer Kornkammer der Welt, die Lebensmittel sehr verteuert und vor allem ärmere Länder damit trifft sowie diejenigen, in denen derzeitige Trockenheit eh schon zu Hunger führt, z.B. in Afghanistan oder in mehreren Ländern Ostafrikas. Aber der alte Geheimdienst-Zyniker hat da gar keine Skrupel, er verursacht absichtlich Chaos und Krisen in der Hoffnung, damit viel Schaden anzurichten, vor allem die westliche Welt in die Bredouille zu bringen und seine Retro-Vorstellung vom großrussischen Reich zu verwirklichen. Wozu sonst hat er jahrelang seine Armee hochgerüstet?
Man braucht es ihm nicht zu wünschen, er wird auch so mit seiner gewalttätigen Politik scheitern. Schon jetzt steht er in der Welt als Regierungschef da, dem man nicht trauen kann und mit dem man besser keine Verträge mehr schließt. Das wollte mit Hitler auch keiner mehr, als klar geworden war, mit wem man es zu tun hatte.
Darum ist klar: Putin darf nicht gewinnen.
Und, ganz wichtig: Vergesst das Positive nicht, erhebt Euer Glas und trinkt auf Tony Rinaudo und alle friedlichen Menschen! Und wenn Ihr könnt, dann überlegt, ob Euch Tonys Beispiel zu etwas inspiriert, mit dem Ihr die Welt auch ein wenig freundlicher, friedlicher und besser machen könntet.
W. R.

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Mein kleiner Beitrag

Das bisschen Müll, das ich zurücklasse – ach komm, das fällt doch gar nicht ins Gewicht! Was bewirkt schon mein kleiner Beitrag gegen die großen Verschmutzer? Was bewirke ich Einzelner überhaupt, wenn ich auf viel Fleischkonsum verzichte oder weniger Auto fahre?
Verführerisch raunt uns eine Stimme ins Ohr: Dein kleiner Beitrag bewirkt doch gar nichts, um den Klimawandel zu bremsen! Lass doch erst einmal die Anderen ihr Verhalten ändern!
Und noch eine teuflische Stimme ruft: Was können wir überhaupt tun? Wir können die Erderwärmung nicht stoppen. Wir können den Plastikmüll nicht mehr aus den Ozeanen holen. Wir können… ja, was denn? Einfach alles laufen lassen, uns in das Schicksal ergeben, unseren Kindern und Enkeln eine vermüllte, sich weiter erhitzende Welt des Untergangs hinterlassen?
Das haben wir uns so vorgestellt: Wir kosten es noch aus, uns einfach gehen zu lassen. Verzichten und umdenken sollen dann Andere, wir nicht.
Und dann kommt ein nicht gekannter Sturzregen über uns, zerstört Schienenwege und sogar Autobahnen, sogar fern vom Katastrophengebiet stehen wir nun im Stau. Das hatten wir uns nicht vorstellen können!
Junge Menschen sagen uns: Was habt Ihr denn geglaubt! All die Warnungen seit Jahrzehnten, Ihr habt sie nicht ernst nehmen wollen. Wir haben im Schulunterricht gelernt, wie das zustande kommt und was für Folgen das hat. Darum sind Viele von uns auf die Straße gegangen und haben mit „Fridays For Future“ für eine vernünftige Klimapolitik demonstriert. Aber Ihr wolltet uns nicht ernst nehmen, habt sogar gemeint, das Thema sollten wir den Fachleuten überlassen (so Lindner von der FDP). Jetzt begreift Ihr hoffentlich, wer die wahren Fachleute sind, und wer Euch was vom Pferd erzählt.
Das Dilemma ist: Solange Ihr nicht kapiert, dass jeder einzelne Beitrag zählt; solange Ihr nicht begreift, dass die ganze Misere menschengemacht ist; solange Ihr nicht anfangt, als Teil der Menschheit Euren kleinen, aber wichtigen Beitrag zu leisten — so lange besteht für die Menschheit keine Hoffnung.
Ihr meint: Das ist übertrieben und dramatisiert? Jetzt fangt Ihr ja schon wieder an, Euch zu drücken und die Augen zu verschließen! So geht’s weiter abwärts! Da hilft nur noch eins: Wir, die die Katastrophe noch abwenden wollen, müssen Euch entmachten. Ihr lasst uns keine andere Wahl…
M. B.

Spuren des Homo Sapiens, der glaubte, über der Natur zu stehen

Dies ist ein Gastbeitrag von Mark Bogner, dem wir hier eine Stimme gegeben haben – stellvertretend für seine Generation.

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Zukunft der Menschheit

SO ist der Mensch: Was nicht ins Weltbild passt, wird geleugnet bis zum Gehtnichtmehr. Oder umgekehrt: Was so prima und einfach ins Weltbild passt, das wird gern geglaubt (selbst wenn es bei genauer Betrachtung nicht stimmen kann). Damit ist schon viel gesagt über das Schicksal der Menschheit – wenn man Geschichte, Gegenwart und mögliche Zukunft ins Auge fasst.
Diese „Erfindung der Chinesen“ (D. Trump), gegen die wir nichts tun können (AfD): die durch Menschenhilfe beschleunigte Klimaerwärmung, wird uns noch lehren: Egal, was Ihr denkt oder glaubt, die Natur lässt sich ihre Gesetze nicht von menschlichem Wunschdenken vorschreiben. „Der Mensch denkt, Gott lenkt“, lautet ein alter Spruch. Denn unsere Vorfahren kannten die Macht der Natur und ihre Wucht, mit der sie zuschlagen kann.

Doch dann, als man sich des „wissenschaftlich-technischen Fortschritts“ bewusst wurde, begann die Hybris: Man konnte die Natur bezwingen, wie man schon die Welt kolonisiert und unterworfen hatte.
Als die Brücke über den Tay, ein Vorzeigeobjekt damaliger Baukunst und 1879 längste Brücke der Welt, von einem mächtigen Sturm samt einem darüber fahrenden Zug in die Fluten gerissen wurde, dichtete Theodor Fontane:

„Tand, Tand, ist das Gebilde von Menschenhand.“

Der Stolz britischer Schiffsbaukunst, die „Titanic“, versank 1912 im Meer – auch das ein Fanal, das man als Warnung hätte verstehen können.

1914 begann das große Schlachten, der Erste Weltkrieg, der die Menschen fassungslos auf in diesem Ausmaß nie dagewesenes Leid und immense Zerstörung blicken ließ. Dementsprechend hart bestraften die Siegermächte die Verlierer, vor allen Deutschland, womit sie aus Rachsucht und mangelnder Weitsicht dem „Führer“ Bühne und Aufstieg bereiteten – und sich selbst neues Leid in einem Krieg, den man den Zweiten Weltkrieg nennt. Den Weg dahin bereiteten auch die militärischen Führer aus dem Ersten Weltkrieg, Hindenburg und Ludendorff, die sich vor der Verantwortung für die deutsche Niederlage drückten und die „Dolchstoßlegende“ erfanden: Angeblich sei der Aufstand in der Heimat der Front in den Rücken gefallen und habe die Niederlage ausgelöst. (In Wahrheit war der Krieg schon lange vor dem Kieler Matrosenaufstand verloren.)

Die Legende vom „Dolchstoß“ glaubten damals viele Deutsche, die der Kriegspropaganda nach wie vor folgten: Die Armee war angeblich „im Felde unbesiegt“ in die Heimat zurückgekehrt. So blieben die beiden Kriegsherren ungestraft bei ihrer Lüge. Nur eine Minderheit zog aus dem entsetzlichen Schlachten die Schlussfolgerung: „Nie wieder Krieg!“

Und nach dem Zweiten Weltkrieg war endlich Schluss mit Lügen und Selbstbetrug? Denkste! Viele Deutsche duckten sich weg und behaupteten, das Nazi-Regime nie unterstützt zu haben, beschwiegen diese Zeit nach Möglichkeit und stürzten sich in Wiederaufbau und Geldverdienen. In Westdeutschland betäubte das „Wirtschaftswunder“ bei Vielen das Nachdenken über die Vergangenheit. Das Gefühl „Wir sind wieder wer“ griff um sich, man integrierte sich im Kalten Krieg ins westliche Bündnis und Wirtschaftssystem und wollte die NS-Zeit als „Betriebsunfall der deutschen Geschichte“ ablegen.

Es passt eben besser ins eigene Weltbild, das Prinzip „Wir sind die Guten“ aufrechtzuerhalten und Anderen die Schuld an Krieg und Katastrophen zuzuschieben. Dann braucht man nichts zu überdenken oder zu ändern. Schön bequem!

Nach diesem Prinzip verfängt bei Vielen auch der Irrglaube, die wesentlich von Menschen verursachte globale Erwärmung sei nicht unsere Schuld, wir könnten sogar nicht einmal etwas dagegen tun. Das ist so ziemlich das Faulste und Ignoranteste, was die Menschheit sich leistet.* Wie verbohrt oder blind muss man sein, um abzustreiten, was offensichtlich ist? Was wir aktuell, im Juli/August 2021, gehäuft in den Nachrichten von Katastrophen hören und sehen (Flutkatastrophen, Brandkatastrophen), ist die exakte Bestätigung von wissenschaftlichen Voraussagen! Und diese Voraussagen gab es schon in den 1980er Jahren.**

Man könnte daraufhin am Homo Sapiens verzweifeln und sagen: Er hat’s nicht besser verdient, er will ja mehrheitlich nicht auf Vernunft hören und benutzt sein Gehirn bloß für egoistisches, engstirniges Vorteilsdenken. Für diese Beurteilung gibt es unbestreitbar gute Gründe. Aber das ist nicht alles. Es gibt auch einen Teil der Menschheit, der nicht im Strom der Denkfaulen und Egozentrischen mitschwimmt. Dieser Teil versucht, sich gegen die Mehrheit für Humanität, Empathie, Solidarität, Vernunft, Weitsicht einzusetzen.

Wer ein einseitig schlechtes Menschenbild hat, der unterstützt indirekt die blutigen Diktatoren, die in einigen Staaten dieser Erde an der Macht sind (und sie nicht mehr hergeben wollen). Den Gewaltherrschern dieser Erde ist eins gemeinsam: Sie verachten die Menschen prinzipiell als manipulierbar, verführbar, einer „starken Hand“ bedürftig, und sehen sie als Masse, die zu lenken ihre Aufgabe sei. Angeblich weiß nur der Diktator, was für diese Masse gut ist (nämlich, was für ihn selbst gut ist). Alle Kritik muss daher zum Schweigen gebracht werden: Die Masse soll nur glauben, nicht denken, nicht wissen. Diesem Ziel dient alle staatliche Propaganda. Das alles wird begründet mit der angeblichen Unreife der Masse und der Schlechtigkeit der Menschen.

Wenn die Menschheit noch zu retten ist, dann… Ja, was? Jetzt denkt mal bitte selbst weiter! Brauchen wir mehr Diktatoren, die als Zuchtmeister die Massen mit Zuckerbrot und Peitsche zu Zielen treiben, die die Diktatoren vorgeben? Oder brauchen wir mehr Aufklärung und Menschlichkeit, damit sich eine große Mehrheit für Vernunft und Mitgefühl einsetzt?

In diesen Zeiten geht es nicht um Kleinigkeiten. Es geht um Grundsätzliches. Und ja, selbst wenn Euch das übertrieben vorkommen sollte: Es geht um die Zukunft der Menschheit. Über diese Zukunft wird in unserer Gegenwart entschieden, nicht irgendwann später.

W. R.

Nachtrag am 03.09.21: Neulich fanden Journalisten heraus, dass eine russische Firma im Internet versucht, Fake News über das Impfen zu verbreiten, und dazu besonders in bestimmten sozialen Medien aktiv ist, die viel in Afrika und Lateinamerika genutzt werden. Diese Desinformationskampagne will den Leuten einreden: Wer sich impfen lässt, wird zum Schimpansen!

Ja, da müsst Ihr laut lachen! Zu komisch! Nur: Die Kampagnen-Betreiber wissen, dass gerade in diesen Kontinenten viele Menschen wenig Bildung bekommen und noch sehr einem magischen Weltbild verhaftet sind. Magisches Weltbild heißt: Man glaubt an Zauberei und den Bösen Blick, an Hexen, u.a.m. (Das war auch bei uns in Mitteleuropa vor Jahrhunderten sehr verbreitet). Was man sich halt so vorstellt, wenn man viel glaubt und wenig weiß, wenn man anfällig ist für alle möglichen Gerüchte und aufregende Falschmeldungen. Ja, Ihr merkt schon: Das ist auch bei uns nicht so selten, da ja ständig Verschwörungsmythen im Netz verbreitet werden – und sogar von Einigen geglaubt werden.

Man könnte jetzt überlegen lästern über die geistigen Schimpansen, über Leute, die sich im Netz verrückt machen lassen und sensationellen Stuss eher glauben als wissenschaftlich geprüfte Tatsachen. Aber Vorsicht vor Hochmut: Kehrt auch vor Eurer eigenen Tür, und seid vorsichtig gerade im Wahlkampf, wenn dubiose News an Euch herangespült werden. Denn es gibt sie, die Produzenten von Fake News, die alles versuchen, um Unruhe ins Netz zu tragen, Leute zu verunsichern und Zweifel gegen die nach guten journalistischen Standards arbeitenden Medien zu säen.

Wollt Ihr nicht zu Bildungs-Schimpansen werden, dann schaltet Euer Hirn nicht ab bei abenteuerlichen Meldungen, die auf Euren Bauch zielen und Euer Denken ausmanövrieren wollen. Ihr wollt Beispiele? Klar, z.B. die „jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung“ (die Hitler sogar, ohne rot zu werden, in seinen offiziellen Reden nannte), oder: Die „Weiße Rasse“ ist allen anderen überlegen (eine nicht haltbare Behauptung, mit der weiße Bildungsschimpansen sich selbst bauchpinseln), oder: Impfen macht unfruchtbar (Gegenbeweise werden stur ignoriert), oder… ach, Ihr habt sicher auch schon einigen Blödsinn im Internet vorgefunden.

Aber Ihr, hoffe ich, habt genug fundiertes Wissen und fallt schon deshalb nicht auf jeden Betrugsversuch herein. Hab ich recht?

P.S. Ihr braucht diesen Beitrag nicht zu „liken“ und zu teilen wie in einem Kanal der „social media“. Es reicht völlig, wenn Ihr ohne Hast nachdenkt und daraus Schlüsse zieht — und Euch eine begründete Meinung bildet.

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* die Menschheit? Sagen wir genauer: Die von einer Verdummungskampagne der Ölindustrie und von ihnen bezahlten Multiplikatoren irregeführte Menschheit, darunter auch die offiziellen Vertreter der hiesigen AfD (Gauland etc.)

** Der „Spiegel“ brachte das Thema als Titelgeschichte im August 1986(!); als aufrüttelnde Mahnung zeigte das Titelbild den Kölner Dom in einem rundum überschwemmten Gebiet. Unglaublich, aber wahr: 35 Jahre Nicht-Hinhören und Wegschauen bei den Verantwortlichen in der Politik – und bei großen Teilen der Wirtschaft, die lieber weiter um das Goldene Kalb tanzten und die Zukunft allein im Weitermachen-Wie-Bisher sahen…

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