Archiv der Kategorie: Köln

Köln-Notizen und Sonstiges Köln betreffend

DD in Köln

51+r+blSagt dem Attentäter, der am Samstag vor der OB-Wahl zum Wochenmarkt ging, um zu morden, was ich von ihm halte, es genügt ein Wort: „Idiot!“

Einer dieser wildgewordenen Kleinbürger, ein kleines Licht, will in aufgehetztem Umfeld zum großen Held werden. Mann, willst du zu Adolf in die Hölle fahren, um in der Galerie der Unmenschen unter „ferner liefen“ ganz kleingedruckt genannt zu werden? Du bist eine traurige Gestalt, wenn du meinst, dass damit dein Leben einen Sinn bekäme. Du bestätigst den Spruch: „Jeder taugt zu etwas, und wenn es nur als schlechtes Beispiel wäre“ — nämlich als Beispiel für feige Brutalität, die obendrein politisch sinnlos ist. Wieso das? Warte, vielleicht erklärt dir das der Anstaltspfarrer oder ein Psychiater, oder irgendwann ein Durchblicker, der sich deiner erbarmt und dich aufklärt, statt dich aufzuhetzen (wie deine angeblichen Freunde).

Das Übrige könnt Ihr den (ernstzunehmenden) Medien entnehmen, die nicht nur in DD von einigen Verwirrten als „Lügenpresse“ beschimpft werden. Diese rechte Hetze gegen die „Systempresse“ entspringt dem Frust darüber, dass sie in den Medien nicht positiv dargestellt werden und (zu Recht) kaum zu Wort kommen. Dieser Frust entlädt sich als braune Fäkalienflut in den Internet-Foren und als Hass-Mails inkl. Morddrohungen.  Aber diese Ekel-Ergüsse haben auch ein Gutes: Jeder nicht ganz Verblödete kann daran erkennen, was jene selbsternannten Verteidiger „unserer Kultur“ in Wahrheit sind. Da zeigen sie sich ohne Maske — und ersparen uns weiteren Kommentar.

Wir wünschen Frau Reker baldige Genesung!

S. R.

Anmerkung: DD könnt Ihr als Abkürzung für „Dunkel-Deutschland“ verstehen. Es ist zufällig auch das Kfz-Kennzeichen für Dresden, wo so Viele (aber längst nicht Alle) der Pegida nachlaufen und immer verbal-radikaler werden. Dresden lag zu DDR-Zeiten im „Tal der Ahnungslosen“ — das hat wohl noch Nachwirkungen?* Schade jedenfalls, dass soviel Protest-Energie für falsche Ziele vergeudet wird. Mit Goethes Worten: „Ein großer Aufwand, schmählich! ist vertan.“ (Faust II, 5,, 11837).

Das wird man doch noch sagen dürfen!

*Nachtrag vom 16.12.2015: Viel pointierter behandelt diese Frage ein Meinungsbeitrag auf Spiegel-Online: >Toleranz: War die Wiedervereinigung ein Fehler? – SPIEGEL ONLINE

13g+

Köln-Notizen #18

51g-Goethe f. kölschen KarnevalPotzblitz! Goethe im Kölner Karneval!? Der SR der F.U.F. traute seinen Augen nicht, doch da schien er leibhaftig auf der Bühne zu stehen: In der TV-Liveübertragung vom Alter Markt in Köln, wo der Straßenkarneval traditionell auf Wieverfastelovend (Weiberfastnacht) eröffnet wird, spielten die Höhner, und der zweite Sänger neben dem Frontmann der Band war – oder sah aus wie – der Dichterfürst J.W.v.Goethe, in einem hellblauen Ausgehrock und mit Goethefrisur. Toll!
Und als ich die Tageszeitung aufschlage, fällt mir ein großer Artikel auf, der sich mit Goethes Beziehung zum Kölner Karneval beschäftigt. (Kölner Stadt-Anzeiger, 12.02.2015, Kultur/S. 23: „Dä Joethe – wie kütt mer an dä ran?“ von Wolfgang Oelsner)
Daraus ist zu entnehmen, dass Goethe seinerzeit den Organisatoren zuliebe, die sich bemühten, das Image von Saufgelagen durch einen Karneval mit Niveau zu ersetzen, lobende Worte über den „Cölner Mummenschanz“ fand – welcher damit dank der Expertise des „Kulturpapstes“ 1825 zum anerkannten Kulturgut avancierte. Ein mehr als gelungener PR-Coup! Und einer mit weitreichenden Folgen… Der rheinische Karneval kam nun erst richtig in Schwung, und aktuell schwingt er sich (auch Goethe sei Dank!) auf die Antragsliste zum immateriellen Weltkulturerbe, will sagen: Liste der Traditionen, die als würdig geschätzt werden, zum Erbe der Menschheit zu zählen.

SR 13g+

Köln-Notizen #17

51+r+blDas hat dem Image Kölns gut getan: Stell dir vor, die Pegida will vor erleuchteter Altstadt-Kulisse „das Volk“ aufbieten, und nur wenige gehen hin, dafür kommen zehnmal soviel Gegendemonstranten, und die Dombestrahlung wird abgeschaltet, und „Kögida“ verkrümelt sich ins Dunkel der Stadtgeschichte. So geschehen am Montag, 5.1.2015.

Endlich hat Köln mal wieder gut dagestanden als weltoffene Stadt, in der sich zumindest die meisten Menschen nicht ins Bockshorn jagen und vor den falschen Karren spannen lassen. Dumpfes Bauchgefühl allein ersetzt eben keinen politischen Verstand! Und die Welt wird nicht davon überschaubarer, dass man sich die Dinge einfach backt und sie in Gut und Böse einteilt.

Tut mir leid, Leute, die heutige Welt ist nun mal komplizierter, als man es in zwei kurzen Sätzen beschreiben kann. Und wenn man meint, mit der Deutschlandfahne in der Hand „Stille Nacht“ singen und behaupten, man sei das Volk, und alles, was nicht ins Weltbild passt, sei gelogen… Also nee, da fällt es einem schwer, das politisch ernst zu nehmen. Zu schade, dabei gäbe es schon Gründe, auf die Straße zu gehen. Man müsste sich aber vorher informieren, was Sache ist, wo man am besten ansetzt, und welche Forderungen Sinn machen.

Leider vermittelt diese „Pegida-Bewegung“ schon im Ansatz den Eindruck, dass es gar nicht um konkrete politische Forderungen geht, sondern eher um einen Auftrieb der Orientierungslosen. Da wird Stimmungsmache schon für Politik gehalten, dagegen sein ist alles – und dafür, ja wofür stehen diese Leute eigentlich? Wofür? Jetzt kommt mir nicht mit „Patrioten“ und dergleichen. Nationalistischer Dummschwätz, der im Ungefähren bleibt, ist eher verdächtig: Wer an Nationalismus appelliert, führt meist nichts Gutes im Schilde. Das müsste man wissen, wenn man ein bisschen Ahnung von Geschichte hat.

W. R.13g+

 

Köln-Notizen #16

50+sWas unbedingt einmal gesagt werden muss:

In Köln, am Alter Markt, steht ein Haus, das sich durch eine einzigartige Besonderheit auszeichnet: Oben an der Dachkante schwebt eine Figur, gestaltet von einem Künstler, die gutbürgerlich erzogenen Köln-Besuchern als unflätig oder gar obszön erscheinen könnte.

Wer die Kölner Altstadt gut kennt, weiß, was gemeint ist: Die Figur wird „Kallendresser“ genannt, und wie das abgebildete Foto zeigt, schwebt sie dort oben in hockender Stellung, mit ganz entblößtem Hintern. Der Name sagt, dass 19 Kall.dies jemand ist, der in die Dachkalle (=Dachrinne) sch… (sich stuhlgangmäßig erleichtert).

Von Stadtführern in Person wie in Form von handlichen Büchern werden verschiedene Geschichten über die Bedeutung dieser Figur erzählt – VERGESST diese blassen Fabeln! Alles Unfug und Verschleierung!

Zur Aufklärung der Bevölkerung und Förderung ihrer politischen Bildung (schließlich läuft das hier unter „Freie Universität Frechen“!) sei’s der Stadt und dem Erdkreis kundgetan: Der Kallendresser sendet in Wahrheit die bildliche Botschaft „Passt auf, Leute, von oben werdet Ihr meist beschissen!“

Das ist so klar und eindeutig, dass man sich fragen muss, wer all die Vernebelungsgeschichten warum erfunden hat. Aber das Denken wollen wir unseren BesucherInnen nicht abnehmen, wir tun schon viel dafür, sie zum genauen Hinsehen zu animieren und anzuleiten.

Dabei fällt mir noch ein Witz ein, den ich neulich gehört habe:

Ein hochgestellter Wirtschaftsmanager, ein Bildzeitungsleser und ein Asylbewerber sitzen an einem Tisch. Auf dem Tisch liegen 10 Kekse. Der Mann der Wirtschaft nimmt 9 Kekse weg. Dann sagt er zum Bildzeitungsleser: „Pass auf, der Asylant will dir den Keks wegnehmen!“

13g+

Mittelalter-Magazin: Kölns Raumproblem

052faDie Stadt Köln hat, wie schon in den Köln-Notizen #3 angesprochen, ein Raumproblem. Vielleicht steckt dahinter aber auch ein aus der Geschichte herrührender Komplex: Köln hatte im Mittelalter und in der Neuzeit kein Territorium außerhalb seiner Mauern, anders als etwa die Freie Reichsstadt Nürnberg.

Wenn im Buch DIE BEATUS-CHRONIK von Köln und Frechen die Rede ist und der Kölner Macht- und Einflussbereich im Mittelalter angesprochen wird, wenn Kölns Bannmeile und auch der Burgbann in einer Karte zu sehen sind (S. 163), dann verschwimmt den meisten LeserInnen das Bild von den tatsächlichen Grenzen Kölner Machtbefugnisse außerhalb seinen Mauern. Aber der Autor wollte die LeserInnen nicht mit dieser schwierigen Materie belasten, zumal ihre differenzierte Betrachtung nicht notwendig zum Kernthema jenes Buches gehört.

Um das für Interessierte aber doch einmal abzuklären, halten wir zunächst fest: Köln war, wie gesagt, eine Stadt ohne eigenes externes Territorium. Köln war umgeben von fremdem Territorium, das zum großen Teil zum Erzstift alias Kurköln gehörte (siehe Karte unten). Und dort regierte als weltlicher Fürst der Erzbischof von Köln, der auf die Stadt Köln nicht gut zu sprechen war. Grund für das seit dem Hochmittelalter meist schlechte Verhältnis waren die Querelen und Konflikte um Kompetenzen in Fragen der Rechtsprechung, der Besteuerung oder der Zölle. Es ging um die Macht, die der formale Herr der Stadt real über Köln ausüben wollte, die ihm aber die Stadtregierung zunehmend streitig machte.

In einem mehrere Jahrhunderte auf und ab schwankenden Maß hatten die Kölner dem Erzbischof das eine oder andere Recht (Privileg) abgerungen, abgeschwatzt oder als Dank für treue Dienste erhalten, so das für die Handelsstadt enorm wichtige Stapelrecht (1259). Allmählich hatte sich die Stadt ein Stück weit aus der Herrschaft und Bevormundung des Erzbischofs gelöst. Auch andere Städte versuchten im Mittelalter, sich vom Stadtherrn zu emanzipieren und politisch von ihm unabhängig zu werden. Das gelang einigen auch, sie wurden reichsunmittelbar; das bedeutete, dass sie nur den Kaiser bzw. König als Herren anerkannten.

Als der Kölner Erzbischof wieder einmal verärgert über die Kölner war, strafte er die Stadt mit neuen Zöllen, die in Zollburgen am Rhein und anderswo erhoben wurden. Er brauchte ohnehin Geld, während die Kölner auf Handel angewiesen waren, den sie aber nicht durch neue Zölle verteuert sehen wollten. Mit der Aussicht auf Zerstörung von Zollburgen waren die Kölner von den Feinden des Erzbischofs gelockt worden, ihm vor der Schlacht von Worringen (1288, mehr >Mittelalter Magazin, ~) in den Rücken zu fallen und zur Gegenseite überzulaufen.

Danach war das Verhältnis verständlicherweise nicht verbessert. Es kam zwar zu keinen großen militärischen Konfrontationen mehr, aber der Erzbischof sah sich weiter als rechtmäßigen Herrn der Stadt, und die Kölner versuchten ohne Erfolg, ihren eng begrenzten Machtbereich vor der mittelalterlichen Stadtmauer zu erweitern. Jedesmal, wenn sie Fakten schaffen wollten, schickte der Erzbischof Soldaten, z.B. als sie im Gelände vor den Toren ein Schützenfest abhielten: Die Soldaten ritten heran und lösten die Veranstaltung auf. Der Erzbischof achtete genau darauf, dass die Kölner nicht auf sein Territorium übergriffen (Becker, S. 78f.).

Wie die Karte hier eher ungenau zeigt, hatte Köln im Mittelalter und danach bis Ende des 18. Jahrhunderts zwei verschiedene Bezirke um sich her: 1. den Burgbann, einen Rechtsbezirk, der ein Stück weit vor den 13+aMauern endete, 2. die Bannmeile, die im Halbkreis um Köln mit etwa 5 km Abstand von der Mauer verlief und im Westen bis in Frechener Gebiet (Herrlichkeit Frechen) reichte.

Wie man bei Becker* ausführlich nachlesen kann, hatte der Rat der Stadt Köln aber in diesen Bereichen vor seinen Toren keine rechtlichen Befugnisse und keine politische Macht. Köln versuchte zwar immer wieder, seine Kompetenzen über das unmittelbare Vorfeld seiner Mauern hinaus auszuweiten, der Erzbischof wachte aber mit Argusaugen über die Einhaltung der Grenzen (s.o.). Dasselbe gilt für den Rhein, an dessen Ufer Köln stieß, während das gegenüberliegende Ufer mit Deutz Territorium des Erzstiftes war. Köln konnte seinen Anspruch auf den Fluss, oder wenigstens die Flussmitte als Grenze, nicht durchsetzen.

Man kann Kölns Interesse ebenso verstehen wie das des Erzbischofs: Letzterer hatte ein am Rhein langgestrecktes und gerade auf der Höhe Kölns ziemlich schmales Territorium, durch Jülichs Vogtei über die Herrlichkeit Frechen von Westen eingeschnürt (vgl. Karte oben). Da wollte er keinen Fußbreit der Stadt Köln überlassen. Er sah sich ohnehin bis zuletzt, bis zur Annexion des Linksrheinischen durch Frankreich (1802), als rechtmäßigen Oberherrn der Stadt Köln, und hatte trotz der verlorenen Schlacht bei Worringen diesen Anspruch nie aufgegeben. Köln war zwar offiziell Freie Reichsstadt geworden (vom Kaiser bestätigt 1475), hatte aber dennoch nicht die volle Souveränität, da vor allem die Burgvogtei über Köln, verbunden mit dem Hochgericht, seit 1279 wieder in der Hand des Erzbischofs war.

Auch die Gerichtshoheit in der Bannmeile ließ sich nicht durchsetzen, sie lag in den Händen Kurkölns, bzw. im Süden das Gericht Rodenkirchen in Händen Bergs, wie auch im Norden die Herrschaft Riehl, im Südwesten stand Efferen und im Westen Frechen unter der Gerichtshoheit Jülichs. Und diese starken Nachbarn ließen keine Eingriffe in ihre Rechte zu. Köln war und blieb auf sein Stadtgebiet beschränkt. Es gab auch keine kleineren Gebiete im näheren Umkreis, die Köln als territorialen Zuwachs hätte erwerben können.

Erst im 19. Jahrhundert, unter ganz anderen Voraussetzungen und ohne territoriale Umklammerung durch den Gegner Kurköln, konnte Köln sein Stadtgebiet ausdehnen und erste Dörfer im Umkreis eingemeinden. Aber da war das Mittelalter längst Geschichte, ebenso das Heilige Römische Reich mit seiner Kleinstaaterei, mit den geistlichen Fürstentümern wie Kurköln, und mit den Freien Reichsstädten. Köln war nun eine Großstadt in Preußen, und die Industrialisierung ließ seine Bevölkerung stark anwachsen. Köln machte seine mittelalterliche Stadtmauer weitgehend platt und wuchs darüber hinaus – in mehreren Schritten während des 20. Jahrhunderts bis zu einer Ausdehnung, von der man bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nicht einmal träumen konnte.

Derzeit liegt Kölns Stadtgebiet in den Grenzen von 1975/76, das scheint aber auf lange Sicht nicht das Ende Kölner Begehrlichkeit zu sein (vgl. W. Reinert, DIE BEATUS-CHRONIK, S. 115 u. 164). –

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* Wer sich damit ausführlicher beschäftigen will, sei auf dieses fundierte Buch verwiesen: Hans-Michael Becker, „Köln contra Köln: Von den wechselvollen Beziehungen der Stadt zu ihren Erzbischöfen und Kurfürsten.“ Köln: J.P.Bachem Verlag, 1992.

W. R.

13g+

Köln-Notizen #7

50Es ist der 6. August, ein besonderes Datum, das man nicht so leicht vergisst. An diesem Tag im Jahr 1945 fand der erste Einsatz einer Atombombe statt, sie wurde über der japanischen Großstadt Hiroshima abgeworfen mit dem Ziel, möglichst viel Zerstörung und Tod anzurichten und möglichst großen Schrecken zu verbreiten.

In Köln, zwischen dem Japanischen Kulturinstitut am Aachener Weiher und der Universität, heißt ein Park seit einigen Jahren Hiroshima-Nagasaki-Park. Über Nagasaki wurde ein paar Tage nach der ersten die zweite Atombombe abgeworfen.

Eigentlich nennt man so etwas Terror. Aber hier handelt es sich ja um Maßnahmen eines mächtigen Staates, und der hatte ja erklärtermaßen nur Gutes im Sinn: Man wollte möglichst wenige Menschenleben opfern, wohlgemerkt die Leben amerikanischer Soldaten, während man Japan zur Kapitulation zwang. Also musste Japan mit einem Riesenschock zum Aufgeben gezwungen werden, einem Schock, ausgelöst durch das schlagartige Auslöschen sehr vieler Leben japanischer Zivilisten. Nebenbei waren zumindest die beteiligten Wissenschaftler und Techniker daran interessiert, bei diesem ersten Kriegseinsatz der A-Bombe die realen Auswirkungen zu beobachten, also: einen Test auf Feindesgebiet durchzuführen.

Die realen Auswirkungen – wir kennen wohl alle die Filmaufnahmen, die Tage später im zerstörten Zentrum von Hiroshima gedreht wurden – sind mit Worten kaum zu fassen und mit keinem vorherigen Waffeneinsatz vergleichbar. Die Menschen waren nicht vorgewarnt, und bis heute sind die Spätfolgen, die schweren Erkrankungen tausender verstrahlter Menschen, an denen die meisten längst vorzeitig verstorben sind, in Japan präsent.

Umso eindringlicher appellierten viele Demonstranten in Japan nach dem Reaktor-GAU von Fukushima, die Gefahren im Umgang mit Atomkraft nicht herunterzuspielen. Aber die Politik und die Betreiber von Atomkraftwerken sträuben sich dagegen, ihre gut geölte Verzahnung, die über Jahrzehnte den Ausbau der Nutzung von  Atomkraft den Japanern als notwendig und sicher verkauft hat, zu revidieren und z.B. Kurs auf den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien zu nehmen.

Merkwürdigerweise wurden die an den Spätfolgen leidenden Opfer von Hiroshima und Nagasaki jahrzehntelang in der Öffentlichkeit eher versteckt und fast wie Unpersonen behandelt. Warum? 1. Sie erinnerten die Japaner an die schwere Niederlage am Ende des Zweiten Weltkrieges. 2. Sie erinnerten an die gefährlichen Wirkungen freigesetzter radioaktiver Strahlung, und die wollte man von offizieller Seite möglichst verdrängen.

Man lernt daraus, wie nicht nur von Einzelpersonen, sondern auch kollektiv von ganzen Nationen unangenehme Erinnerungen verdrängt werden können. Das gibt es nicht nur in Japan, sondern überall auf der Welt, wo Menschen sich schwer damit tun, sich einer schmerzlichen Wahrheit zu stellen. (siehe auch >Köln-Notizen #4)

In Deutschland hatten wir z.B. die von Hindenburg freigesetzte Dolchstoßlegende: Der Erste Weltkrieg sei nicht durch eine militärische Niederlage verloren gegangen, die Hindenburg &Co zu verantworten hatten, sondern die Revolutionäre in der Heimat hätten der deutschen Front von hinten einen Dolchstoß versetzt und damit die Niederlage verschuldet. Hindenburg log sich und Ludendorff damit aus der Verantwortung und belastete für die Folgezeit das politische Klima der Weimarer Republik. Und viele Deutsche glaubten gern, dass ihre Helden-Armee „im Felde unbesiegt“ gewesen sei. Sie wählten Hindenburg später sogar zum Reichspräsidenten!

Nach diesem Muster versuchten sich in Deutschland immer wieder braun-verseuchte Köpfe an der Konstruktion einer „Auschwitz-Legende“. Nach dem Verdrängungs- und Nicht-Wahrhaben-Wollen-Prinzip wurden die Opferzahlen der Nazi-Mordindustrie heruntergespielt. Man baute darauf, dass viele Menschen gerne die verbrecherische Grundrichtung des Nazi-Regimes verdrängen wollten. Das hat aber nur bei Wenigen funktioniert.

Übrigens darf man froh sein, dass Hitler nicht über die Atombombe verfügte. Er hätte seinen Satz „Wir werden ihre Städte ausradieren“ hemmungslos in die Tat umgesetzt. Man darf froh sein, dass der Zweite Weltkrieg in Europa schon im Mai 1945 mit der deutschen Kapitulation zu Ende war – sonst hätten die USA die Bombe zuerst bei uns eingesetzt.

Man lernt daraus – oder sollte das zumindest daraus lernen: Krieg ist Mist, und wem immer er im Einzelfall auch Nutzen bringen mag, die Verlierer und Leidtragenden sind immer die große Mehrheit der Menschen. Das haben wenigstens die Menschen in Europa weitgehend kapiert. Und darum hat Köln auch einen Friedenspark: Den findet man am Ende der Südstadt in Rheinnähe, wo vom ehemaligen preußischen Befestigungsgürtel Kölns ein Fort übriggeblieben ist. Wenn man dort spazierengeht, den Frieden genießt und die Kinder spielen sieht, dann wird einem wohler.

W. R.

13g+

Köln-Notizen #5

50

„Historiker entsetzt über Stadt Köln“, überschreibt der KStA von Dienstag, 16.07.2013, auf S.22 seinen Bericht über den Skandal um die Planung zum Neubau des Kölner Stadtarchivs. Aus der Presse-mitteilung nationaler Verbände von Archivaren und Historikern wird u.a. zitiert: „In einem unwürdigen Schauspiel begräbt die Stadt Köln ihr Stadtarchiv ein zweites Mal, diesmal im letztlich undurchschaubaren Gewirr ihrer Entscheidungen.“ Offenbar sei den Verantwortlichen die Tragweite ihrer Hinhaltepolitik in keiner Weise bewusst.

Wir haben zur Sache schon in den Köln-Notizen #1 berichtet, und unser Kommentar dort (neben dem Bild) hat leider weiterhin Gültigkeit.

W. R.

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Köln-Notizen #4

50Das zerbombte Köln 1945 – wer kennt sie nicht, diese Fotos von der verheerten Trümmerlandschaft, aus der nur der Dom scheinbar unversehrt herausragt? Die Innenstadt war nicht mehr wiederzuerkennen. Das Entsetzen steckte allen Kölnern in den Knochen, die den Krieg und seine Schrecken überlebt hatten und in ihre Heimatstadt zurückkehrten. Da war es für viele wohl ein zu großer seelischer Kraftakt, auch noch zuzugeben, dass sie die Katastrophe mitverschuldet hatten durch ihre Duldung oder Unterstützung des NS-Regimes.

Im Kölner Stadt-Anzeiger von heute, 08.07.2013, beschreibt Carl Dietmar ganzseitig den Umgang der Kölner mit dieser seelischen Belastung. Insbesondere geht er der Frage nach, wie es zu der Nachkriegslegende kam, Köln sei ein Hort des Widerstandes gewesen, in dieser Stadt habe es stärkere Vorbehalte gegen Hitler gegeben als in vielen anderen deutschen Großstädten. Dietmar stellt fest:

Die überwiegende Mehrheit der Kölner hat die NS-Herrschaft, wenn auch unter beispiellosem systemimmanentem und kollektiven Druck, mehr oder weniger widerspruchslos hingenommen – oder angepasst mitgetragen.

Im anschließenden Gespräch Dietmars mit Werner Jung, dem Leiter des Kölner NS-Dokumentationszentrums, liest man, dass die Aufarbeitung von Schuld bei der großen Masse schnell in den Hintergrund gedrängt wurde, weil man den Aufbau eines neuen, demokratischen Gemeinwesens angehen musste und nicht Millionen von „Belasteten“ wegen ihrer Parteimitgliedschaft in der NSDAP einfach ausschließen konnte: Es bestand eine personelle Kontinuität in fast allen Bereichen, und diese Kontinuität machte dann, erst recht in der Phase von Kaltem Krieg und Wirtschaftswunder, das konsequente Verdrängen der Vergangenheit möglich.

Carl Dietmar hat in einem früheren Artikel schon gezeigt, dass man im Kölner Karneval diese Widerstandslegende pflegte und dabei verdrängte, wie wenig tatsächlich der Vereinnahmung durch die Nazis entgegengesetzt wurde, und das auch eher nur im organisatorischen, formalen Bereich.

Wir, die wir heute in bequemer Distanz, mit mehr Hintergrundinformation und in einem völlig anderen gesellschaftlichen und politischen Umfeld urteilen können, sollten uns nicht zu einer schnellen, hämischen Verurteilung der damals erwachsenen Menschen hinreißen lassen. Verdrängung von unbequemer oder kaum zu ertragender seelischer Belastung ist ein menschliches Phänomen, das wahrlich nicht auf Köln oder die Nachkriegszeit beschränkt ist.

Noch in den Jahren um 2000 regten sich viele, vor allem ältere Deutsche über die damalige Wehrmachtsausstellung auf, die der Beteiligung regulärer Soldaten (nicht SS etc.) an Gräueltaten und Kriegsverbrechen im Zweiten Weltkrieg besondere Aufmerksamkeit widmete und damit der Legende entgegentrat, die Wehrmacht sei „sauber“ geblieben und habe sich nicht in die Verbrechen des Regimes verstrickt.

Das ist nicht auf Deutschland beschränkt, Menschen in anderen Ländern verdrängen solch unbequeme Wahrheiten auch ganz gern. Das ist z.T. eine Folge der üblichen Kriegspropaganda: Unsere Jungs kämpfen auf der richtigen Seite, wir sind die „Guten“, dagegen die zu Feinden erklärten Anderen die „Bösen“. Dieses Schwarz-Weiß-Schema ist eine Beleidigung für jeden intakten Verstand, hilft aber dem Oberkommando bei der Emotionalisierung der eigenen Bevölkerung, die dabei ihre eigene Erfahrung und Menschenkenntnis vergessen soll.

Als z.B. eine Fernseh-Dokumentaton der BBC über das Massaker von Srebenica (1995) nach 2000 im serbischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, ging ein Aufschrei der Empörung durch das Land: Unsere jungen Helden haben so etwas nicht getan — sie haben nur für die heilige serbische Nation gekämpft!

Es hat einige Zeit gedauert, bis verständige Leute wenigstens einen Teil ihrer serbischen Landsleute davon überzeugen konnten, zumindest einen Teil dieser Verbrechen für wahr zu halten: Serbische Soldaten (bzw. Milizionäre) unter dem Kommando des Generals Mladic hatten ca. 8000 unbewaffnete männliche Personen aus Srebenica mitgenommen und auf einem Marsch im Gelände umgebracht (Näheres >Wikipedia >Massaker von Srebenica). Mladic befahl diese Aktion gezielt, um Feindschaft zu vertiefen und spätere Versöhnung zu torpedieren.

Menschen laden bisweilen Schuld auf sich, indem sie unkritisch einer Fahne hinterherlaufen und ihren Verstand ebenso wie ihren Fähigkeit zum Mitgefühl (Empathie) zurücklassen. Falls sie später Verstand und Empathie wiederfinden und zur Einsicht kommen, finden sie meist selbst schrecklich, wozu sie sich haben hinreißen lassen, und verdrängen es. Wenn nicht, zerbrechen sie an ihrer Schuld — oder bleiben fanatische Rechtfertiger der unter dieser Fahne begangenen Missetaten.

Der sinnvolle Weg zur Heilung dessen, was sich nicht ungeschehen machen lässt, ist die Aufarbeitung der Schuld, indem man sich den Tatsachen stellt, indem man, statt totzuschweigen, im Gespräch das Belastende benennt, sich damit auseinandersetzt, und lernt, damit zu leben. Das hört sich leichter an, als es für Betroffene ist. Darum flüchten Viele lieber in die Verdrängung. So gibt es z.B. immer noch Menschen, die den Holocaust leugnen oder die Zahl der Opfer nicht anerkennen wollen. Sie erkennen nicht einmal, dass sie selbst Opfer sind — von Täuschung und Selbsttäuschung.

Sich den Tatsachen stellen heißt auch: Wahrhaben, dass man Mitmenschen Empathie und menschliche Solidarität verweigert hat, dass man sie als „Feinde“ entmenschlicht und sie kaltherzig zu Opfern gemacht hat. Und dass man damit sich selbst ein Stück Menschlichkeit genommen hat.

W. R.

13g+

Köln-Notizen #2

50Köln hat nicht nur Klüngel und teils kitschigen Karneval zu bieten (woran sich kritische Geister gern abarbeiten), Köln ist auch eine Stadt der Kultur – immer noch, trotz einiger Misstöne (siehe z.B. Köln-Notizen #1).

Also mal positiv: In Köln gibt es auch echt witzigen und ideenreichen Karneval; und seit einigen Jahren finden so erfreuliche Veranstaltungsreihen statt wie die LitCologne (im März) und neuerdings die PhilCologne (im Juni).

Daneben floriert ganzjährig eine lebendige Kulturszene, die z.T. vom amtlichen Köln kaum oder wenig wahrgenommen und gefördert wird und daher vom privaten Engagement und Initiativen „von unten“ lebt — und natürlich von einem Publikum, das die Vielfalt zu schätzen weiß und die Aufführungen, Lesungen, Events, Gigs und Konzerte etc. besucht, was einer Großstadt wie Köln, die sich auch als Kulturstadt rühmt, gut zu Gesicht steht. Entsprechend interessiert und ggf. kritisch beobachtet dieses großstädtische Publikum aber auch den Umgang des offiziellen Köln mit Kultur.

Entsprechend laut sind dann Proteste gegen Kürzungen oder Streichungen von Fördergeldern für kulturelle Zwecke zu hören. „Kultur“ zu fördern ist ja bekanntlich keine der gesetzlichen „Pflichtaufgaben“ einer Kommune, also wird bei klammer Kasse dort auch zuerst der Rotstift angesetzt. In Köln gab es deswegen in den letzten Jahren viel Zoff — z.B. bei der Streichung von Zuschüssen für die Freie-Theater-Szene.

Aber bleiben wir mal beim Erfreulichen. Die beiden o.g. Veranstaltungsreihen sehe ich auch im Lichte der Frage, wie sich die Geisteswissenschaften angemessener als unverzichtbarer Beitrag zur Kultur präsentieren und erweisen könnten. Die Kommunikation mit dem Publikum ist dabei ganz entscheidend. Darauf wies auch Richard David Precht in einem Interview mit dem KStA hin (26.06.13, S. 3 / http://www.ksta.de/kultur/richard-david-precht-alles-dreht-sich-um-das-richtige-leben,15189520,23515204.html).

Precht auf die Frage, ob Philosophen sich mehr in den gesellschaftlichen Diskurs einmischen sollten: „Ich möchte nicht jeden zwingen, sich einzumischen. Aber man sollte sich schon die Frage stellen, ob das, was man macht, nicht allein wissenschaftlich relevant ist, sondern auch gesellschaftlich.“

Auch Geisteswissenschaftler, hier im Besonderen die Philosophen, leben und arbeiten ja nicht in einem verantwortungsfreien Raum. Dazu hat auch Julie Bogner-Lafranc Stellung genommen und an die Durchblicker appelliert, ihre gesellschaftliche Verantwortung nicht zu ignorieren und aufklärend zu wirken („Nachwort für das akademische Publikum“, in: DIE BEATUS-CHRONIK, S. 137ff.).

13g+

Köln-Notizen #1

50Im Kölner Stadtrat wurde im April 2013 vorgeschlagen, die bereits beschlossene Planung für den Archiv-Neubau zu überdenken, genauer: den Entwurf abzuspecken und eine billigere Version zu planen, in die die Kunst- und Museumsbibliothek nun doch nicht integriert werden soll.

Köln hat zwar einerseits Finanzprobleme, andererseits aber die Verpflichtung, das Stadtarchiv nach dem Desaster von 2009 in angemessener Weise wieder zu errichten und sich als Kulturstadt nicht selbst zu desavouieren. Die Initiative „Archivkomplex“ hat gegen die Revisionsabsichten eine Petition verfasst, die alle interessierten BürgerInnen im Internet lesen und ggf. unterschreiben können: www.archivkomplex.de. Der Autor W. R. hat dies natürlich bereits getan.

Nach Umfragen sollen Anfang Juni 2013 die Mehrheit der Kölner Bürger für die Sparversion sein. Vermutlich steht das im Zusammenhang mit der Diskussion um die Archäologische Zone am Rathaus – ein völlig anderes Projekt. Vielleicht sind es „der Kultur“ weniger nahestehende Befragte, die lieber z.B. mehr Schlaglöcher auf den Straße Kölns repariert sehen wollen. (Umfrage siehe KStA 8./9.6.13, S. 36)

Die Frage ist nur, ob man verschiedene Ausgabenbereiche so gegeneinander ausspielen kann; ebenso ist die Frage, ob die Stadt bei klammer Kasse „einfach“ da Gelder streichen soll, wo es sich nicht um die sogenannten Pflichtaufgaben handelt – also bei „der Kultur“.

01fDie Frage ist auch, ob sich Köln einen (weiteren) Ansehensverlust leisten will, indem es vier Jahre nach dem Einsturz seines Stadtarchivs (schon wieder) langfristig wichtige kulturelle Institutionen stiefmütterlich behandelt, die über Köln hinaus von Bedeutung sind.

Man kann hier nicht achselzuckend sagen: Jeder blamiert sich eben, so gut er kann. Hier geht es um Entscheidungen mit langfristiger Tragweite, die nicht im nächsten Haushaltsjahr oder nach den nächsten Kommunalwahlen einfach revidiert werden können.

Die Entscheidung im Kölner Stadtrat ist vom 18.06. auf den 18.07.2013 verschoben worden. Also: Zeit, noch Proteste zu senden und ggf. an weiteren Protestaktionen teilzunehmen.

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Wie steht es eigentlich währenddessen in den stillen Hallen, wo die materiellen Schäden am Kölner Archivgut aufgearbeitet werden? In welcher Art die Archivalien Schaden genommen haben, und wie sie restauriert werden, kann man im Überblick auf www.stadt-koeln.de/kulturstadt/historisches-archiv  lesen und anschauen.

Bei einer Führung durch das RDZ in Köln-Porz konnte der SR der F.U.F. selbst sehen, wie viele Fachkräfte mit Spezialpinseln und -schwämmen etc.29-RDZ, 10.10.2012 behutsam an der Säuberung und Restaurierung der geborgenen Stücke arbeiten. Im RDZ steht auch eine große Maschine, die die durchfeuchteten Akten und Bücher, die nach der Bergung umgehend vereist worden waren, um Verfallsprozesse zu stoppen, langsam auftaut und zugleich trocknet, sodass kein Pilzbefall entsteht. Die Maschine ist enorm teuer, es gibt nur wenige davon.

W. R.

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