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Köln-Notizen 4/2016

50Zunächst: Wir erinnern uns (oder lesen nach), was zum Blog auf der >Startseite von fu-frechen.de geschrieben steht. Darum verweisen wir erstmal auf den Kalender der FUF (>FUF – der Club/Gedenk- und Feier-Kalender der FUF) zum heutigen 01.09. Gestern allerdings wollten unsere Medien gern den Jahrestag von Merkels „Wir schaffen das!“ thematisieren, wobei nicht mehr herauskam als die bekannten Pro- und Kontra-Standpunkte. Mir ist dabei längst klar, dass Merkel ihre Politik gar nicht seit dem 31.08.2015 stur verfolgt hat, wie Gegner ihr gern vorhalten, vielmehr sah ich danach verschiedene Anzeichen einer realpolitischen Anpassung an die sich ändernde Lage. Das wurde leicht übersehen wegen Horst Seehofers Getöse um Obergrenze und Grenzendichtmachen. Aber das nur am Rande, denn ich sehe mich nicht berufen, hier zur großen Verteidigung von Merkel bzw. ihrer Politik auszuholen oder zum großen CSU-Bashing. Letztlich geht es da auch um Verhinderung weiterer Wahlerfolge der AfD.
Und so sehr ich manche sachlich begründete Kritik an der Regierung verstehen kann, so sehr widerstrebt es mir, gewissen Kotzbrocken der AfD Gehör zu schenken, allen voran jenem Geschichtslehrer H. (eine Schande für seine Zunft!), der in meinen Augen einige Disziplinarverfahren und Anzeigen wegen Volksverhetzung verdient. Es fällt mir auch sehr schwer, Leute nicht als Nazis zu bezeichnen, die sich rassistisch äußern. Dieselben empören sich aber, dass sie „in die rechte Ecke gestellt“ werden.

Natürlich ist Rassismus auch ein wesentlicher Kernpunkt der NS-Ideologie, ganz klar! Wie geschichtsvergessen muss man denn sein, das nicht zu wissen (oder sich dumm zu stellen) und sich ganz naiv als braven Demokraten zu bezeichnen?! Wie wenig vom Grundgesetz weiß so ein Mensch? Wie fremd sind ihm die Menschenrechte?

Mich erstaunt oder erschreckt oft, wie Menschen neue Nachrichten einfach in ihr altes Weltbild einordnen oder, wenn das nicht geht, diese schlicht ignorieren. Klar, der Mensch hängt am Gewohnten, aber muss er deshalb sein Weltbild mit einer Mauer aus Vorurteilen schützen, muss er deshalb wider besseres Wissen-Können an falschen Behauptungen kleben bleiben?

Da wir oben das Signet „Köln-Notizen“ haben, will ich auch aus Köln ein Beispiel anführen: Die Ursache für den Einsturz des Stadtarchivs (2003) wird immer noch untersucht. Einige Leute unkten bereits: Das zieht sich ja ewig hin, das wird solange verschleppt, bis keiner mehr schuld ist… Das passt schön in das Weltbild, das sich kritisch gibt und überall nur Machenschaften wittert. Wahr hingegen scheint mir, dass die technische Ermittlung der Einsturzursache (die gerichtsfest sein muss — und mit hohen Schadenersatzforderungen verbunden ist!) größtmögliche Sorgfalt erfordert und nicht beliebig beschleunigt werden kann. Also dauert das eben — in einem Rechtsstaat.

Beim Neubau des Stadtarchivs am Eifelwall gibt es auch Verzögerungen und Kostensteigerungen. Das passt wiederum ins Bild für diejenigen, die inzwischen gewohnheitsmäßig auf die Stadt Köln bzw. die Stadtverwaltung einprügeln. Dabei sind diese Verzögerungen u.a. auf die erhöhte Vorsicht bei der Kampfmittelräumung zurückzuführen, denn Köln ist im Zweiten Weltkrieg ziemlich plattgebombt worden und hat seither eine Menge Blindgänger im Boden.

Das nochmal als Erinnerung, auch an den 1. September. Jedem sind hoffentlich noch die Fotos der Kölner Ruinenlandschaft von 1945 im Gedächtnis (>Koeln 1945 – Köln – Wikipedia) , auch wenn aktuell ähnliche Bilder z.B. aus Syrien in den Fernsehnachrichten zu sehen sind. Hier in Köln, in ganz Deutschland hoffentlich ist das eine bleibende Erinnerung und Erfahrung: Krieg ist das schlimmste, was uns passieren kann. Und das fängt damit an, dass man sich zerstreitet und den Streit eskalieren lässt, anstatt friedliche Mittel zum Gespräch und zum Interessenausgleich zu nutzen — und fest zu etablieren. Dazu gibt es auch eine EU.

Doch manche Polit-Clowns wollen uns die überholte Vorstellung auftischen, dass NATIONAL das allein seligmachende Prinzip der Politik sein sollte. Schmarrn! Ein „Europa der Vaterländer“ hatten wir schon, z. B. vor dem Ersten Weltkrieg, und vor dem Zweiten. Unsere blutig und teuer erkauften Erfahrungen sollten uns eine Lehre sein! Wer das für eine billige Phrase hält und nichts davon wissen will, wie Krieg entsteht, kann sich gern hier über die konkrete Wahrheit informieren: Krieg in Jugoslawien: Ein Filmemacher aus Sarajevo erzählt – SPIEGEL ONLINE

Doch diese Erfahrungen muss man eben auch zur Kenntnis nehmen! Das heißt vor allem: nicht mit der Zuspitzung von Konflikten spielen, erst recht nicht mit Gewalt und Krieg als Möglichkeit der Auseinandersetzung. Damit sollte man nicht einmal drohen. Doch dazu muss man mental auch in diesem Jahrhundert ankommen und nicht Vorstellungen anhängen oder nachtrauern, die uns früher in Kriegstreiberei und Kriegswahn geführt haben. Dazu muss man auch die alten Illusionen vom Nationalstaat mit homogenem Staatsvolk ablegen und sich die Wirklichkeit anschauen: Wo man versucht hat, mit Gewalt ein uniformes Staatsvolk zu schaffen, gab es unterdrückte Minderheiten, Konflikte, Aufstände. Am besten fahren Staaten oder Staatenbünde, die von vorneherein Vielfalt zulassen und den Staat nicht völkisch definieren, sondern über das, was alle wollen: das gemeinsame Wohl.

Damit hat man beispielsweise in Köln auch weniger ein Problem. So war es kein Zufall, dass ein Pegida-Ableger „Kögida“ sich in Köln nicht etablieren konnte (mehr >Blog / Köln-Notizen #17, vom 09.01.2015). Ein rechtsradikal gesinnter Mann, verzweifelt über mangelnden Rassismus in Köln, glaubte sich daraufhin berechtigt, zur Mordtat zu schreiten in der verblendeten Hoffnung, damit seinen politischen Vorstellungen Realität zu geben >Blog / DD in Köln, vom 17.10.2015. Wie bei anderen Terroristen auch, steht da Gewalt und Blutvergießen als Mittel an erster Stelle. Wer so etwas gutheißt, verlässt nicht nur den Boden unserer Verfassung, er stellt sich vielmehr auch außerhalb der menschlichen Gesellschaft.

Wie sagt eine kölnische Redensart: „Levve un levve losse.“ (Leben und leben lassen.) …!

W. R.

Kurzer Nachtrag: Der erwartete Erfolg der AfD bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern verstärkt leider auch den Eindruck, dass Menschen am (geografischen) Rande der Republik, anscheinend wenig beleckt von politischem Grundwissen, mit dem Bauch ihr Kreuz in der Wahlkabine gemacht haben: Wo fast keine Flüchtlinge oder überhaupt Ausländer gesichtet werden, ist die Abwehr und Angst am größten!

Die wenigsten Wähler wissen überhaupt, was die aus verschwommener Protest-Haltung gewählte AfD an konkreten programmatischen Zielen nennt. Das ist geradezu die Stärke der AfD-Propaganda: drastische Sprüche klopfen, aber im Ungefähren bleiben. Damit wird keiner der o.g. Wähler überfordert, oder abgeschreckt, oder gar zum Denken verleitet. Na dann: Viel Spaß im Deutschen-Getto! Eines ist leider auch zu erwarten: Ausländische Investoren werden sich nicht darum reißen, in diesem Landstrich Arbeitsplätze zu schaffen. Das ist das Traurigste an diesem Wählerverhalten (nicht nur in MV): Sie sehen keine Zusammenhänge, wo sie sie sehen sollten. Mehr zu MeckPomm >Mecklenburg-Vorpommern: Das passiv-aggressive Bundesland – SPIEGEL ONLINE – (Ja, hat nicht direkt mit „Köln-Notizen“ zu tun. Sollte man aber mal anschauen, damit man sich in Deutschland besser auskennt.)

Der Nachtrag war doch nicht so kurz. Tschuldigung, aber man will ja den BesucherInnen dieser Website ein möglichst fundiertes Informationsangebot liefern — über den Tag hinaus. Für’s geifernde Schnellkommentieren sind Andere zuständig.

W. R. 05.09.2016

13g+

Gewalt verstehen?

IMG_5949Was ist los in Europa, in der Welt? Sind es nur die Sensationsnachrichten, die dieses Bild vermitteln, oder nimmt die Bereitschaft zur Gewalttätigkeit unter den Menschen wirklich zu?
Man  gewinnt den Eindruck: Jeder durchgeknallte Wirrkopf glaubt inzwischen, er könne seine Aggressivität willkürlich an irgendwem abreagieren, und jeder Versager versucht mit einer Gewalttat in den Medien groß rauszukommen, und weil es mehr Beachtung bringt, bekennt er sich zu irgendeiner Terror-Ideologie.
Es sind gar keine politischen oder religiösen Motive, die die meisten Terror-Mordtaten auslösen, es sind vielmehr emotional gestörte Seelen, die ihre Gefühle nicht mehr kontrollieren können und ein beliebiges Objekt suchen, um sich abzureagieren.
Die meisten der in den Medien als Aufreger gemeldeten Gewalttaten haben einen gemeinsamen Hintergrund, egal ob es diese Einzeltäter-Attentate oder jene Gruppengewalt von Hooligans ist. Es sind kranke Seelen, oft von erlittener Gewalt geprägt, die von der Vorstellung beherrscht werden, ihr Dasein habe den einzigen Zweck, ihre angestaute Aggressivität in Gewalt zu entladen, koste es, was es wolle.
Hooligans bestärken und befeuern ihre Idee in der Gruppe und mit Alkohol (der bekanntlich enthemmt), politische oder religiöse Fanatiker heizen ihre Menschenfeindlichkeit oft im Internet auf, wo sie sich, wie wir hören, radikalisieren, d.h. wo sie eine passende Ideologie für ihre Gewaltbereitschaft finden, sodass sie bald selbst glauben, im Namen einer höheren Sache zu handeln. Das gibt dem Mörder ein besonderes Hochgefühl: Ich lande im Paradies, oder wenigstens für kurze Zeit im Focus der medialen Aufmerksamkeit – was für ein Höhepunkt, was für ein spektakulärer Abgang!
Ursprung dieser Gewaltbereitschaft ist eine aus persönlichen Kränkungen und Ohnmachtserfahrungen geborene Zerstörung ihres Glaubens an das Gute in der Welt, ein aus persönlicher Versagenserfahrung und Hoffnungslosigkeit gezeugter Glaube an die Verderbtheit der sie umgebenden Gesellschaft bzw. der Welt überhaupt — woraus die Folgerung gezogen wird, es sei eh alles egal, und es spiele keine Rolle mehr, wen und wieviele es treffe.
So sammelt sich ein Hass an, der nur noch danach trachtet, loszuschlagen und möglichst Vielen viel Leid zuzufügen. Der aus Versagensgefühlen geborene Selbsthass lässt dabei jede Rücksicht auf das eigene Leben vergessen — und fertig ist der ideale Selbstmordattentäter.
Wer sich mit den politischen oder religiösen Deklamationen in Bekennerschreiben etc. aufhält, sieht also am entscheidenden Tatmotiv vorbei. Da hilft kein „Verständnis“ für die (angeblichen) Motive der Mörder oder Terroristen, denn damit versteht man nicht wirklich, was solche Täter antreibt. Und damit versteht man auch nicht, warum noch lange nicht jeder zum Gewalttäter und Amokläufer wird, der sich gegen Unrecht ausspricht und auflehnt.
Man kann auch nicht mit einem Hooligan über angeblich ungerechtes Vorgehen der Polizei diskutieren, wenn der doch ohnehin in eine Gewalt-Kultur hineingewachsen ist und gerne Gewalt-Eskalationen provoziert. Es gibt Milieus, wo Gewalt die erste Wahl als Problemlösung ist, es gibt Kreise, in denen Gewalttaten gefeiert und die Täter aus den eigenen Reihen zu Helden gemacht werden. Das muss man nüchtern zur Kenntnis nehmen, auch wenn man selbst solchen Kreisen fern steht.

Kann man Gewalt verstehen? Ja, man kann im Einzelfall ihre Ursache verstehen, aber: verstehen bedeutet noch lange nicht entschuldigen und verzeihen. Und auf gar keinen Fall: tolerieren.

Wer zu Gewalttätigkeit neigt, möchte trotzdem moralisch in gutem Licht erscheinen, und Menschen finden meist Gründe, Vorwände oder Ausreden, um ihr Handeln (zumindest vor sich selbst) zu rechtfertigen. Gewaltbereite Menschen legen sich eine Begründung zurecht, die z.B. auf der Grundannahme IMG_5950fußt, die Welt sei nun mal von ständigem Kampf bestimmt, es gelte das Recht des Stärkeren, und man müsse sich ständig mit Gewalt durchsetzen. Darauf fußt auch die Weltanschauung von Faschisten: Sie meinen, Gesprächsbereitschaft und Kompromisse seien etwas für Schwächlinge. Daher verachten sie Demokratie und Völkerverständigung, setzen vielmehr auf Machteroberung und Machtpolitik, und — einmal an der Macht — planen sie Krieg gegen andere Völker… einfach aus Prinzip, denn Frieden langweilt sie.

Auch heute gibt es Menschen, die in pubertären und spätpubertären Machtfantasien z.B. an die nationalsozialistische Ideologie anknüpfen — oder sich von Propaganda des Terror-Machtapparates IS beeindrucken und faszinieren lassen. Wer charakterlich nicht so gefestigt ist,  wer die Identifikation mit Machokultur und großspurige Machtdemonstration braucht, um sich nicht als unsicheres Würstchen zu fühlen, der schließt sich leicht solchen Gruppen oder Organisationen an, fühlt sich als Teil von etwas Größerem, Höherem, und wird dabei meist unmerklich zum Werkzeug fremder Interessen.

Manchmal sind es die einfachen Erklärungen einer komplizierten Welt, gepaart mit emotionalen Parolen und der Nestwärme in der Gruppe oder Masse, die eine unwiderstehliche Anziehung auf verunsicherte, verstörte Geister und Gemüter ausüben. In wohliger Übereinstimmung mit der Masse lassen sich die zuvor friedlichen Mitläufer zu Ausschreitungen hinreißen, für die sie allein nicht die Traute hätten. Man braucht Beispiele nicht in der Geschichte zu suchen, die Gegenwart bietet dafür genug Anschauung.*

Gewalttätigkeit lässt sich schwer aus der Welt schaffen, wenn Menschen schon als Kinder in einem gewaltbereiten Umfeld aufwachsen, wenn sie Gewalt als natürliche Begleiterscheinung ihres Lebens akzeptiert haben, wenn sie nicht gelernt haben, Konflikte auch durch Gespräch, Kompromiss und Interessenausgleich zu lösen. Was in Familie und Gesellschaft für friedliche 10eKonfliktlösungen sorgt, kann und muss auch zwischen Staaten funktionieren. Die Geschichte Europas sollte doch 26bAbschreckung genug sein: Sie zeigt, welche Folgen es haben kann, wenn man lieber auf nationalistische Überheblichkeit, Größenwahn, Gewalt und militärische Macht setzt: Das Ding entwickelt eine unheilvolle Eigendynamik, und am Schluss fährt die größte Ernte der Sensenmann ein.

Leider lernen andere Regionen und Kontinente nicht aus unserer Geschichte, z.B. aktuell in Syrien: Der dortige Krieg, der das Land ruiniert, erinnert an den unsäglichen Dreißigjährigen Krieg in Europa (1618-48), dessen Schauplatz hauptsächlich Deutschland war. Damals mischten mehrere ausländische Mächte mit und griffen in ihrem eigenen Interesse in den Krieg ein — ohne Rücksicht auf die Bevölkerung. Lest die Folgen nach in den Geschichtsbüchern!

W. R., im Juli 2016

* Nach Ortega y Gasset gibt es eine typische Charakterstruktur, die den Menschen zum Element der Masse macht und ihn bewegt, seine Individualität aufzugeben; er schwimmt gern in der Masse, wo er scheinbar als Mitläufer keine Verantwortung hat, sich aber immer in der Masse geborgen fühlt. „Masse“ wird hier zum Kennzeichen auch des Einzelnen, der nicht individuell denken, fühlen, beurteilen und entscheiden will, sondern sich meist der Herde anschließt.

Menschen treten (egal in welcher Anzahl) als „Masse“ auf, wenn sie z.B. einem Verkehrsunfall, einer Vergewaltigung in der Fußgängerzone, einer Schlägerei gaffend zuschauen, ohne selbst in irgendeiner Weise helfend einzugreifen, ohne die Polizei zu rufen, ohne den Rettungskräften Platz zu machen, etc.

13g+

 

Köln-Notizen 3/2016

50„Deutsche Männer können nicht mehr prügeln.“ So ist eine dpa-Meldung im Kölner Stadt-Anzeiger vom 21./22.5.2016 übertitelt. Nanu! Was heißt das denn?
Der Gewaltforscher J. Barberowski wird dort mit der o.g. These zitiert, die er am Beispiel der „Kölner Siivesternacht“ veranschaulicht sieht: Diese Vorgänge (>Köln-Notizen 1/2016) ließen erkennen, dass deutsche Männer ihre Frauen nicht gegen Übergriffe verteidigt hätten – weil „Männer in Deutschland gar nicht mehr wissen, wie man mit Gewalt umgeht.“ Und er meint: „Gott sei Dank.“ Deutsche Männer vertrauen auf den Staat, auch in einer Situation wie in der Silvesternacht. Sie erwarten, dass der Staat aber sein Gewaltmonopol auch wahrnimmt (was bekanntlich in jener Nacht in Köln nicht funktionierte, warum auch immer).
Es ist in der Tat ein Fortschritt, wenn in einem zivilisierten Land die Bürger friedlich zusammenleben und nicht wie im Wilden Westen zu Selbst- und Lynchjustiz greifen. Es ist ein weiterer Fortschritt, wenn die Bürger auch in privaten Auseinandersetzungen nicht gewalttätig werden, wenn sie sich im Griff haben, wenn sie nicht Frust oder schlechte Laune aggressiv an Schwächeren auslassen.
In patriarchalischen, männerdominierten Gesellschaften sieht man oft etwas Anderes: Männer dürfen zu Gewalt greifen, „weil sie nun mal so sind“, sie dürfen auch mal eine Frau vergewaltigen, „weil es mit ihnen durchging“ oder die Frau sie angeblich gereizt hat, usw. In solchen Gesellschaften wird üblicherweise der Mann entschuldigt und das Opfer für erlittene Übergriffe verantwortlich gemacht.
Deutsche Männer haben dazugelernt, und das nicht nur wegen Fortschritten in der Emanzipation der Frauen. Vielmehr ist es ein wichtiges Element demokratischer Gesinnung, Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung zu ächten und nur in Notwehr anzuwenden.
In einer gelebten Demokratie gibt es Regeln, die eine friedliche Diskussion und Auseinandersetzung ermöglichen. Und wer sich ungerecht behandelt sieht, kann sich beschweren oder Gerichte anrufen.

Hinzu kommt ein gesellschaftlicher Wandel: In der Wirtschaft werden immer weniger Muskelmänner benötigt, aber immer mehr Menschen mit Grips und Nerven, um mit der Digitalisierung der Arbeitswelt und der weitgehend automatisierten Produktion umzugehen. Diese Entwicklung findet schon seit Jahrzehnten statt und ist in den Industrieländern weit fortgeschritten. Trotzdem hinken einige Menschen mental dieser Entwicklung hinterher, z.B. in ihrer Auffassung von den Geschechterrollen. Das trifft umso mehr auf Migranten aus Ländern zu, wo dieser Wandel erst in Gang kommt oder noch gar nicht stattgefunden hat. Für Machos aus solchen Ländern muss es ein Kulturschock sein, dass in unserer Gesellschaft ein Mann nicht automatisch mehr gilt als eine Frau, und dass Männlichkeit hier nicht primär durch Muskeln und Gewaltbereitschaft gezeigt wird. Auch dürfte vielen von ihnen neu sein, dass sexuelle Übergriffe auf Frauen hier Empörung auslösen und nicht hingenommen werden. Ich möchte an dieser Stelle kein bestimmtes Herkunftsland als Beispiel nennen, vielmehr zu bedenken geben, dass es auch immer noch deutsche Männer gibt, die mental mindestens ein halbes Jahrhundert zurückliegen und sich die alten Macho-Zeiten zurückwünschen (weil sie sich nicht anpassen wollen). Im Klartext: Da schlummern immer noch latente Gewaltbereitschaft und Machtgelüste. Denn bei den sexuellen Übergriffen geht es nicht um Sex, sondern um Machtausübung. Dabei suchen sich schwache Männer noch schwächere Menschen aus, um sich einmal überlegen zu fühlen. Die psychologische Seite ist ziemlich klar und durchsichtig.

Die oben benannte Entwicklung in der Wirtschaft fordert von immer mehr Beschäftigten, dass sie teamfähig sind, und besonders von Personen in leitenden Funktionen, dass sie über „soft skills“ verfügen. Das heißt, man erwartet von diesen Arbeitnehmern Fähigkeiten im Umgang mit Menschen, man erwartet Kommunikationsbereitschaft und flexibles Eingehen auf Probleme und Konflikte mit oder unter MitarbeiterInnen. Man fasst das unter dem Begriff „soziale Kompetenzen“ zusammen.

Der Chef „alter Schule“, der kommandiert und den Chef ‚raushängen lässt, ist out. Man liest sogar in einschlägigen Zeitungsartikeln, dass Probleme in den Betrieben oft hausgemacht sind und vom Führungspersonal verursacht werden, wenn es z.B. um mangelnde Motivation und hohe Krankenstände in der Belegschaft geht.

Die Unterhaltungsindustrie, speziell die Filmproduktion, bedient immer noch reichlich das nostalgische Interesse an der guten(?) alten Zeit, als (angeblich) Männer noch Männer waren, und sie versucht, in vielen Filmen moderne Helden oder Supermänner zu kreieren, die mit modernster Technik, vor allem Waffentechnik, umgehen, in ihrem Handeln aber von antiquierten Vorstellungen und Idealen geleitet werden. Das gilt besonders für viele Computerspiele. Bedenklich wird es, wenn solche Film- oder Ballerspiel-Helden jungen Männern als Identifikationsfiguren dienen, noch bedenklicher, wenn das ihre aus Frust und Unsicherheit geborene Gewaltbereitschaft verstärkt, wenn sie zunehmend Gewalt als „normales“ Mittel der Auseinandersetzung verstehen und Gelegenheiten suchen, wo ihnen Gewalttätigkeit Bestätigung und Männlichkeit zu geben scheint.

Wir brauchen hier nicht erst auf die Krawalle von Hooligans bei Fußballspielen zu verweisen. Aggressivität kann sich, besonders unter Alkoholeinfluss, überall Bahn brechen. Das lässt sich nicht ganz aus der Welt schaffen. Aber wir sollten entschieden dem Eindruck entgegentreten, dass Gewalttätigkeit toleriert werden könnte. Und wir sollten entschieden widersprechen, wenn gewalttätige Menschen ihr Verhalten als normal bezeichnen, sich gar als Vorbilder hinstellen. Es ist in der Tat nicht schlimm, wenn deutsche Männer nicht mehr prügeln können, wie es in der oben zitierten Meldung hieß. Es muss aber klar sein, dass im Zweifel Polizei etc. das Gewaltmonopol haben und, wenn nötig, auch ausüben.  Der Schutz der Bevölkerung vor Gewalt und sonstiger Kriminalität ist eine staatliche Aufgabe.

Und es muss klar sein, dass in unserer Gesellschaft keine Unterdrückung toleriert wird, weder im privaten Bereich noch im öffentlichen.

W. R.

13g+

Rabenschwarzer Tag für die EU

3h (2)Da haben wir’s: Die Briten stimmen mit knapper Mehrheit für den „Brexit“, den Austritt aus der Europäischen Union (EU). Im Fernsehen sieht man die Anhänger des Austritts jubeln, als das Ergebnis bekannt wird.
Als Freund der Briten frage ich mich allerdings etwas beklommen: Werden diese Menschen in ein paar Jahren auch noch jubeln können, wenn sie an den 23. Juni 2016 zurückdenken, den Tag des Referendums?
Ein zweiter Blick auf die Ergebnisse zeigt, dass Großbritannien keineswegs einheitlich abgestimmt hat. Mehr>Brexit: Die Ergebnisse in einer Karte – SPIEGEL ONLINE

Mal abgesehen von wirtschaftlichen Folgen — das Referendum, vor Jahren aus innenpolitischen Gründen von Premierminister Cameron losgetreten (mehr >Wie David Cameron versehentlich die Europäische Union opferte – DIE WELT) , beschert dem Land nun verschärfte innenpolitische Probleme. Im überwiegend EU-freundlichen Schottland stehen Kräfte in den Startlöchern, die vor Kurzem erst einen Austritt aus GB herbeiführen wollten und damals mit einem Referendum (noch?) scheiterten. Was die Brexit-Marktschreier den „Independence-Day“ nennen, könnte zum Startschuss für eine Independence-Aktion Schottlands werden und zu einem geschwächten Britannien führen. Damit würde das Gegenteil von dem erreicht, was sich vor allem ältere Briten vom EU-Austritt versprechen.

Überhaupt scheint mir die Brexit-Kampagne ein Lehrbeispiel für nationalistischen Populismus zu sein, wie er in vielen Teilen Europas aufkommt: Statt mit rationalen Argumenten operierte die Brexit-Kampagne mit emotionalen Appellen an Nationalstolz und nationalen Egoismus, vermischt mit ausländerfeindlichen Ressentiments, und scheute auch nicht Verdrehung von Tatsachen und freche Lügen, womit sich auch einige Blätter der Boulevardpresse hervortaten (In diesem Fall liegt es einmal nahe, von „Lügenpresse“ zu sprechen). Alles diente nur dem Aufputschen von Emotionen, um den Verstand zu vernebeln: Wählt mit dem Bauch! (Egal, ob ihr damit hinterher auf denselben fallt…)

Was Populisten nicht wollen, ist sachliche Aufklärung und Appelle an den Verstand. Das wäre nur hinderlich, wenn man Stimmvieh zusammentreibt. Wohlgemerkt: Nichts gegen Gefühle, aber dazu hat uns der Herrgott doch auch noch ein Denkvermögen geschenkt. Und er hat nicht verboten, diese Gottesgabe zu benutzen! Das sollte man gerade dann bedenken, wenn es um politische Entscheidungen mit weitreichenden Folgen geht.

Das Foto oben erinnert mich daran, dass ein alter Spruch sagt: „Solange die Raben um den Tower fliegen, geht das Empire (oder das United Kingdom) nicht unter.“ Wer die Raben am Tower of London beobachtet, stellt fest, dass sie viel über den Rasen schreiten, doch kaum fliegen — weil man ihnen vorsichtshaber die Flügel gestutzt hat, damit sie den Bestand des Empire bzw. United Kingdom sichern und nicht davonfliegen. Auch das passt symbolhaft zu der Brexit-Kampagne: Vorspiegelung falscher Tatsachen. In Wahrheit sind die Raben am Tower kein Zeichen mehr für den Fortbestand Großbritanniens.

Einige Brexit-Befürworter riefen in Fernsehkameras: „Freedom!“ Wie, durch den Brexit? Wenn das mal kein Aberglaube ist… Hier zitiert sich W. R. einmal selbst mit einem selten gebrauchten Spruch: „Volkes Mund tut Unsinn kund.“ (Trifft zumindest auf ein desinformiertes Volk zu.)

W. R. 24.06.2016

Nachtrag: Am Tag, an dem das Abstimmungsergebnis bekannt wurde, trat Boris Johnson, „das Gesicht der Brexit-Kampagne“, vor die Medien und säuselte Sätze von „Alle müssen jetzt wieder zusammenstehen“ und „Wir sind trotzdem alle Europäer.“ Mann, dachte ich, hast Du plötzlich Kreide gefressen? Boris will Premier Cameron beerben, doch in diesem Moment erschien er mir wie jemand, der Schiss in der Hose hat, weil er als Premier den ganzen Mist übernehmen und verantworten müsste, den er angerichtet hat. Daher versucht er sofort, Öl auf die Wogen zu gießen, die er wochenlang mit aufgepeitscht hat. Dann taucht er erstmal ab in sein Landhaus, um mit seinen Beratern in Klausur zu gehen.

Derweil erregen sich vor allem junge Briten — die wird er wohl kaum bei zukünftigen Unterhauswahlen für sich mobilisieren können. Und die Mehrheit der Schotten auch nicht. Die Tories werden sich also überlegen müssen, ob sie mit so einem Spitzenkandidaten Wahlen gewinnen könnten…

Nachtrag am 30.06.: Offenbar lag ich richtig, Boris J. hat erklärt, er werde nicht für den Parteivorsitz der Konservativen und das Amt des Premiers kandidieren. Damit verliert das Brexit-Lager seine populärste Führungsfigur. —

Nachtrag am 05.07.: Nun hat auch noch der UKIP-Vorsitzende Nigel Farage hingeschmissen. Auch ihm ist es wohl zu heiß, den Brexit zu verantworten, für den er vor dem Referendum jahrelang Stimmung gemacht hat. Ein Tollhaus, die britische Innenpolitik derzeit! Aber Farage kann es nicht ganz lassen, er will in Europa für weitere Austritte aus der EU werben. Mich beschleicht langsam das Gefühl: Diese Politiker gefallen sich in Volkstribun-Posen, putschen Emotionen auf und treiben Stimmvieh-Herden zu Wahlurnen, haben aber keine langfristigen politischen Konzepte und daher auch keine Lust, langfristig ernsthafte politische Arbeit zu machen — mit dem mühsamen „Bohren dicker Bretter“.

Schaut man sich in Europa um, so sieht man einige Chaoten dieser Art, vor allem im rechten, nationalistischen Lager. Dort schreiben sie sich Sabotage gegen „das System“ auf die Fahnen, können mit Demokratie wenig anfangen und streben mehr oder weniger autoritäre Machtapparate an. Zielvorgabe: Wir brauchen kein Sachprogramm und keine sachliche Mitarbeit in Parlamenten, wir wollen einfach nur an die Macht!

Und da man in diesem Lager gern Verschwörungstheorien hört, sage ich: Das alles ist Putins Werk, er fördert alles, was die EU stört und Unruhe macht. Typisch waren die Schlägertrupps, die zur Fußball-EM nach Frankreich geschickt wurden und bei ihrer Rückkehr fast wie Kriegsheimkehrer begrüßt wurden.

Ich kenne einen, der einen kennt, der gehört hat, wie russische Agenten in einem Hinterzimmer in London……. Stop: Wer weiß, ob diese Fantasie nicht schon von der Wirklichkeit überholt wurde? Wer weiß überhaupt noch irgendetwas sicher? Am besten baue ich die Fantasie von der Unterwanderung der EU noch etwas abenteuerlicher aus, stelle sie in sozialen Netzwerken ein, und mit Sicherheit verbreitet sich auch diese „Wahrheit“ im Netz! Da wimmelt es ohnehin schon von Desinformation und Schein-Enthüllungen.

W. R.

13g+

Vereint…

IMG_5380Brüssel, 23.03.2016, am Tag nach den Terroranschlägen in Flughafen und U-Bahn der belgischen Hauptstadt: Im Fernsehen sieht man eine Menge Leute, die dem Terror trotzen wollen, Blumen für die Opfer ablegen, Kerzen aufstellen, und demonstrieren. Ein Schild ragt heraus: «UNIS CONTRE LA HAîNE». Zu deutsch: „Vereint gegen den Hass.“

Diesem Appell kann man sich nur anschließen — sollte man meinen. Ein paar Hassprediger in Deutschland sind da ganz anderer Meinung und nutzen die Anschläge für Hasskommentare in „sozialen“ Netzwerken des Internets. Schwer zu glauben: Einige verhetzte Gemüter (Der Herr erbarme sich ihrer) sehen hier eine scheinbar passende Gelegenheit, um antisoziale Hassparolen zu verbreiten.

Manche verstecken ihre braun angehauchten Ansichten hinter angeblicher Sorge um die deutsche Nation, um das Vaterland, usw. Manche geben sich (noch) große Mühe, Vokabeln wie „Reinheit deutschen Blutes“ und ähnliche in der Öffentlichkeit zu vermeiden. Vielen in Deutschland scheint immer noch nicht klar zu sein, dass sie sich mit Teilen von NS-Gedankengut gemein machen, wenn sie kaum verhüllten Rassismus zeigen. Und Einige glauben sogar, dass es nun an der Zeit sei, sowas salonfähig zu machen. Dass sich dabei ein paar Leute ermutigt fühlen, „über die Stränge schlagen“, gewalttätig zu werden oder Brände zu legen, wird verharmlost und heruntergespielt.

Nähern sich Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte nicht gefährlich der Grenze zum Terrorismus? Gehören Einschüchterung und Verbreiten von Angst etwa nicht zu den Mitteln von Terroristen? Wer da nicht Gemeinsamkeiten sieht, ist auf dem rechten Auge blind. Wer von „Terrorismusbekämpfung“ redet,  muss in alle Richtungen schauen und ermitteln.

Vereint gegen Hass, das bedeutet natürlich, gegen Hassprediger aller Richtungen sowie gegen die gewalttätigen Vollstrecker von Hassparolen Front zu machen. Ist doch ganz einfach. Nur so erhalten wir eine Gesellschaft, die ihre Meinungsverschiedenheiten und Konflikte friedlich austrägt und beilegt.

W.R.

Nachtrag am 31.03.2016: Deutsche Politiker sollten sich mit Kritik an belgischem Behördenversagen zurückhalten, da auch hierzulande Datenabgleich und -zusammenführung sehr lückenhaft stattfinden mit der Folge, dass auch hier gesuchte Islamisten durch die Lappen gehen. Außerdem fördert der unsägliche NSU-Skandal schon seit Jahren immer neues Behördenversagen zutage. Das kann man ausführlicher und sehr pointiert in diesem Kommentar lesen: > Terror und Datenwahn: Überwachung ist die falsche Antwort (Kolumne) – SPIEGEL ONLINE

Angesichts dieser Sachlage fragt man sich, ob diverse Politiker in der Vergangenheit ihrem Amtseid gefolgt sind, „Schaden vom Volke abzuwenden“. Das sollte nicht mit wohlfeiler, pauschaler Politikerschelte verwechselt werden, vielmehr richtet sich diese Kritik gegen konkrete Fehlentscheidungen, die u.a. in letzter Zeit zu einer hohen Rate nicht aufgeklärter Wohnungseinbrüche beigetragen haben — bzw. zu einer weithin überforderten Polizei. Denn nicht nur in Belgien, auch hierzulande wurde massiv Personal abgebaut bei Polizei und Justiz.

13g+

Es müffelt!

EU-RechtsÜber den Tag und die Tagespolitik hinaus lohnt es sich für die helle Bürgerin und den aufgeweckten Bürger, einmal einen Blick auf die Thesen und Vorschläge zu richten, die Rechtspopulisten hierzulande (wie auch in anderen EU-Ländern) ihren Anhängern, Mitläufern und potentiellen WählerInnen anbieten.
Das wollen Sie gar nicht erst hören oder lesen? Sie wehren nur mit beiden Händen ab und rufen „Igitt!“? Nun, das bleibt selbstverständlich Ihnen überlassen. Wer aber den Rechtspopulisten mehr als nur ein „Igitt“ entgegensetzen will, sollte schon zur Kenntnis nehmen, welche Vorstellungen und Ideen sich im rechtspopulistischen Milieu tummeln. Dazu biete sich z.B. hier Gelegenheit: >
https://blog.campact.de/2016/03/steuern-bildung-hartz-iv-was-die-afd-wirklich-will/?utm_campaign=%2Fcampact%2F&utm_term=link1&utm_content=random-b&utm_source=%2Fcampact%2Floeschen%2F&utm_medium=Email
Grundsätzlich haben Populisten (also Leute, die dem Volk nach dem Munde reden und auf populären Stimmungen surfen wollen, anstatt die Leute aufzuklären) kein Interesse daran, den Menschen, ihren potentiellen Wählerinnen und Wählern, in allem die Wahrheit zu sagen, obwohl sie genau das behaupten. Sie stellen sich als ehrliche Alternative zum pauschal „verlogenen“ oder „korrupten“ Politikbetrieb dar, ihre Glaubwürdigkeit besteht für wenig Informierte aber darin, dass sie Vorurteile und Aversionen des „einfachen Volkes“ bestätigen und verstärken, und sie unterstreichen das mit einer deftigen Sprache. Das verwechseln die „einfachen“ Leute dann mit Ehrlichkeit und Glaubwürdigkeit.
Wer sich mit der deutschen Geschichte bis 1945 gründlich genug beschäftigt hat, erkennt die demagogischen Sprüche und Vereinfachungen der Wirklichkeit wieder, die schon in der Propaganda der Nazis ihren festen Platz hatten. Gerade darum fordern heutige Rechtspopulisten ja auch, man sollte in den Schulen nicht mehr soviel über die Nazizeit reden, sondern mehr von glorreicher deutscher Geschichte, um den Nationalstolz zu fördern…
Mit anderen Worten: AfD und andere, weit rechts stehende Kreise wollen unser Land herunterziehen auf ein rückständiges Entwicklungsniveau, auf nationalistisches Denken und eine latent rassistische Gesellschaft mit sozialdarwinistischer Haltung gegenüber Minderheiten und Schwachen. Wir sollen uns von rechtskonservativen Regierungen — wie derzeit in Ungarn und Polen — reaktionären Schwachsinn von vorgestern als neues Rezept verordnen lassen!
In einer Welt, in der Globalisierung längst real ist und internationale Konzerne nationale Regierungen am Nasenring vorführen, wollen uns diese nationalistischen Hassprediger geistig verdummen und verzwergen. In einer Welt. in der europäische Staaten nur noch in einem europäischen Verbund weltpolitisch etwas zu melden haben können, predigen diese Volksverdummer „nationale Stärke“, Abschottung und nationale Alleingänge. Ja, geht’s noch??!
Gerade Deutschland kann sich solchen Rückschritt überhaupt nicht leisten, schon allein wegen seiner stark exportorientierten Wirtschaft. Bedauerlich, dass trotzdem viele ZeitgenossInnen rückwärtsgerichtete Parolen beklatschen, die für das 21. Jahrhundert völlig untauglich sind und stark nach Moder müffeln.*

W.R.

„The day after“, oder: Das Resultat des Wahltags vom 13.03.2016 (3 Landtagswahlen):

EU-Rechts 2Wie nach Umfragen erwartet, zog die AfD mit zweistelligen Prozentzahlen in die Landtage ein. Bemerkenswert auch: Die FDP schaffte den Wiedereinzug in 2 Landesparlamente. In den Talkrunden im Fernsehen diskutierte man am Abend u.a. die Frage: Ist das nun eine Bestätigung für Angela Merkels Flüchtlingspolitik, oder das Gegenteil? Nicht verwunderlich ist, dass aus der CSU verlautet: im Gegenteil, Merkel muss nun ihre Politik ändern. Andere meinten: Gerade die Spitzenkandidaten der CDU in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hatten mit ihrer Distanz zu Merkels Politik keinen Erfolg.

W.R.

*Nachtrag am 25.03.2016: Leider bestätigen die Terroranschläge der letzten Zeit sehr drastisch die Untauglichkeit nationaler Eigenbrötelei und Abschottung! Aufgrund mangelnder Kooperation nationaler Polizeibehörden und Geheimdienste finden sogar gesuchte Terroristen noch Lücken, durch die sie der Fahndung entgehen. Obwohl bereits erkannt, werden diese Lücken von den meisten EU-Staaten immer noch nicht geschlossen, weil sie mit Europol und der zentralen Terrorismus-Bekämpfungsstelle nicht kooperieren. Gibt es ein besseres Beispiel dafür, wie ein in Nationen zersplittertes Europa von international operierenden Organisationen ausgespielt und zum Narren gehalten wird?

Früher kannte man den Spruch: „Allein — machen sie dich ein!“ In der Globalisierung gilt das für eigenbrötlerische Nationen auch. Nationale Regierungen werden von multinationalen Konzernen wie auch von Terroristen (s.o.) leichter an die Wand gespielt als international vernetzte Organisationen.

Eine Lach- (oder Wein-) nummer ist die jüngste Verlautbarung der polnischen Regierung nach den Anschlägen in Brüssel: Polen sei derzeit nicht in der Lage, die zugesagten 4700 Flüchtlinge im Land aufzunehmen, nicht einmal die zuvor zugesagten 400! Wovor hat diese Regierung Angst, oder womit ist sie überfordert? Ist sie zu sehr damit beschäftigt, den Rechtsstaat abzubauen und ihren Gefolgsleuten alle möglichen Posten in Ämtern und Organisationen zuzuschanzen? Was da in Polen abgeht, spottet schon jeder Beschreibung…

W.R.

13g+

Köln-Notizen 2/2016

5k+kAlso doch, es gibt sie, die ausgleichende Gerechtigkeit. Über Wochen war Köln wegen Silvester in den Negativ-Schlagzeilen, immer hieß es „Köln“, kaum einmal wurde erwähnt, dass auch andere Städte von den Übergriffen betroffen waren. Das Image von Köln litt darunter.
Nun hatte „höhere Gewalt“ ein Einsehen. Sturmwarnungen für Rosenmontag führten in vielen Städten zu Absagen des Rosenmontagszuges, die Fernseh-Übertragungen fielen ins Wasser…
Nicht so in Köln! Man entschied, den Zug mit ein paar Sicherheits-Einschränkungen (keine Wagen mit allzu hohen Papp-Aufbauten, keine Pferde) losgehen zu lassen. Das WDR-Fernsehen übertrug live aus Köln, während andere „Karnevals-Hochburgen“ am Rhein (Düsseldorf, Mainz) passen mussten. Und die Übertragung aus Köln war für Karnevals-Jecke und -Interessierte durchaus sehenswert: ein Lob für den WDR! Die Kameraleute gaben ihr Bestes und lieferten gute Bilder, die abwechlungsreich gemischt wurden. Und dazu schien zeitweise sogar die Sonne, und blauer Himmel lachte über den Kölner Karnevalisten!
Im Vorfeld hatte auch der Kölner Stadt-Anzeiger schon am 26.1. wieder die „Kölner Rosenmontagszeitung“ als Beilage herausgebracht und damit quasi die „Fachliteratur“ bereitgestellt, mit Karte des Zugweges, mit Informationen zu den im Zug laufenden Gruppen bzw. Karnevalsgesellschaften und zu ihren Motto-Wagen. Auch dafür ein Lob!
Apropos: Wie auch die Kommentatoren bei der Live-Übertragung des WDR betonten, fußt sehr viel im Karneval auf unentgeltlich geleisteter Arbeit, die Karnevals-Begeisterte in ihrer Freizeit aufbringen, oft über Monate hinweg. Was Karnevals-Verächter gern übersehen: Hier kann man wirklich von Brauchtum reden, weil es fest in der Bevölkerung verankert ist und Viele sich dafür engagieren, ohne materiellen Lohn zu erwarten. Im Gegenteil, die Aktivisten bezahlen Kostüme und — als Teilnehmer an einem Karnevalszug — das Wurfmaterial aus eigener Tasche. Hier gilt: Dabeisein ist alles! —

85Leider haben an diesem Tag anderenorts Menschen etwas wiederaufgelegt, was man in Köln als schlimme Entgleisung in den Geschichts-Annalen finden kann: Im Rosenmontagszug 1935 etwa fuhr ein von Nazis gestalteter Wagen mit judenfeindlicher Aussage.* Mit Entsetzen konnte man am Rosenmontag 2016 in den Abendnachrichten des Fernsehens einen Wagen in einer thüringischen Stadt und einen in einem bayrischen Ort sehen, die im menschenverachtenden Geist vergangener Zeiten (die man vergangen glaubte) gestaltet waren und sich gegen Flüchtlinge richteten.

Es wird Zeit zu erkennen: Viele, die sagen, sie seien keine Nazis, haben in ihrem Kopf Ansichten über Menschen, die das Gegenteil sagen. Ein Beispiel: >Kommentar zur Häme für Alica Trovatello und Bläck Fööss: Widerlicher als Dominik Roeselers Reaktion geht es nicht | Köln – Kölner Stadt-Anzeiger  Und sie äußern diese Ansichten jetzt öfter, und meinen, sich in einer Mehrheitsmeinung suhlen zu können, wenn ihnen nicht sofort jemand widerspricht und ihnen sagt, was von ihren Äußerungen zu halten ist.**

Erst gestern konnte man auf Phoenix eine Fernsehsendung mit dem Titel „Die Suche nach Hitlers Volk“ sehen. Da erzählte z.B. eine Lehrerin (!) im Jahr 1945, sie sei ein unpolitischer Mensch — aber ihre geäußerten Ansichten gaben genau die politische Propaganda der Nazis wieder. Und eine andere Frau äußerte sinngemäß, Deutsche seien etwas Besseres als Andere… Und diese Leute glaubten in aller „Unschuld“, dass ihre Ansichten nichts mit dem bösen Hitler (an den sie vorher geglaubt hatten) und nichts mit dem Krieg zu tun hätten, sondern dass sie einfach nur „gute Deutsche“ wären.***

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann glauben wohl Viele das noch heute (auch wenn sie an Klapperstorch und Weihnachtsmann nicht mehr glauben). Man sollte immer wieder daran erinnern, wohin so etwas führt, denn diese teuer erkauften historischen Erfahrungen sind keine Hirngespinste!

W. R.

___________________

* Vgl. Carl Dietmar, Die Chronik Kölns, 1991, S. 386; mehr zum Thema >Kölner Karneval im Nationalsozialismus

** Nachtrag dazu vom 21.02.16: „Gerade die Meinungsmacher müssten klarstellen, dass Europa eine emanzipatorische Utopie war, ist, sein könnte, sein muss, sonst versinkt dieser Kontinent wieder in seiner Vergangenheit, ein kleiner Fleck auf der Erde, zerklüftet, zersplittert, verloren. Aber seit Monaten tun die reaktionären deutschen Eliten genau das Gegenteil, sie betreiben eine Rhetorik des permanenten Notstands, und zwar nicht irgendwo weit rechts, sondern dort, wo sie die Mitte sehen: Da lassen Leitartikler die Schranken runter, da verwandeln sich Feuilletonisten in Grenzpfosten, da sind auf einmal die Menschenrechte keine Realität mehr, sondern nur noch „Rhetorik“.  zitiert aus: >Flüchtlinge: Was Clausnitz über unsere Gesellschaft sagt – SPIEGEL ONLINE

*** zum Thema Nation und Nationalismus vgl. ausführlich >Clio / 5.

13g+

Köln-Notizen 1/2016

50+sKöln in allen Nachrichtensendungen: „Die Ereignisse der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof…“ Keiner weiß noch nix Genaues, aber in den Medien, bei den Politikern und — wie man hört — in den sozialen Netzwerken ist schwer ‚was los. Selten war soviel Rechtbaberei und Schaum-vor-dem-Mund zu hören und zu lesen, und verbale Kraftmeierei. Viele wollen, ehe sie rechts überholt werden, auf den Lukas hauen und noch eins draufsetzen. Fast scheint es, als wollte kaum jemand noch belastbare Informationen zur Kenntnis nehmen, hat man doch längst seine eigene Meinung, und diese auch schon herausposaunt. Sachliche Wortmeldungen gehen in der hochkochenden Aufregung fast unter.

In diesem emotionalen Gebrodel beantwortet Kölns Oberbürgermeisterin eine Frage und erntet einen plötzlichen Shitstorm. Was genau passierte, kann man diesem Kommentar entnehmen: Kommentar zu #Armlaenge: Henriette Reker im Shitstorm der Ignoranten | Politik – Berliner Zeitung

Da sieht man wieder einmal, wie gedanken- und hemmungslos viele Menschen im Netz drauflos kommentieren. Man/frau prügelt auf Frau Reker ein, die schließlich aus eigener Erfahrung spricht: Sie selbst überlebte kürzlich das Messerattentat eines Gewalttäters nur knapp. Also, geht’s noch?

Der S.R. der F.U.F. sieht da eine weitere Bestätigung seiner Ausführungen auf der Seite >Home/Start zur Frage: Warum keine Kommentarfunktion auf dieser Website? Der Eindruck verstärkt sich, dass viele Menschen glauben, im Netz nahezu alles äußern und hinausrotzen zu können. Und sie tun das auch im Brustton der Überzeugung: Ich rotze, also habe ich recht.

Wenn der S.R. mal (zum Glück selten) auf einer Online-Seite von Medien die Kommentare anliest, dann vergeht ihm die Lust am Lesen ziemlich schnell. Spätestens beim dritten oder vierten dieser Kommentare hat jemand vergessen, sein Hirn einzuschalten, oder ignoriert fröhlich Fakten und schleudert einfach Behauptungen als Tatsachen in die Welt, oder hat jeglichen Anstand vergessen, vergreift sich im Ton — wobei man bedenken muss, dass die schlimmsten Ausfälle und Beleidigungen schon von der Redaktion gelöscht wurden. (Außerdem langweilen die Kommentarspalten, weil immer ein Schwall höhnisch-hetzerischer Müll aus der Pegida/AfD-Ecke dabei ist.)

Der S.R. fragt sich manchmal auch, wieso es einer Erwähnung in den seriösen Nachrichten wert ist, wenn in den sozialen Netzwerken irgendein Shitstorm tobt oder eine Hetzkampagne rollt. Denn Vieles im Netz ist inszeniert — oder ist irgendjemand so blauäugig zu glauben, da ertöne „Volkes Stimme“? (vgl. >Start, Fußnote, sowie Fußnoten hier unten)

Wer will, organisiert sowas wie einen Shitstorm mit ein paar Helfern, no problem.* Oder wie kommt z.B. ein Flashmob zustande? Und wie hat jener Mob sich zusammengefunden, aus dem heraus in der o.a. Silvesternacht zahlreiche Diebstähle und sexuelle Übergriffe verübt wurden? In wenn auch geringerem Umfang wurde so etwas übrigens auch aus mehreren anderen Städten in Deutschland gemeldet. Aber die Medien fokussierten sich auf Köln.**

Ach, fast hätte ich’s vergessen: Allen Besuchern dieser Website ein frohes und gesegnetes Neues Jahr — trotz einiger Chaoten und Idioten, die es auch schon im letzten Jahr gab. Mehr zu den allgemeinen Aussichten >Zusammenleben: Die Welt wird nicht untergehen – Kolumne – SPIEGEL ONLINE — lesenswert und diskussionswürdig!

S.R.

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* Man kann immer wieder darüber staunen, wie naiv viele Menschen das Internet und seine Foren als eine Art „Gegenöffentlichkeit“ sehen (oder besser: missverstehen). Wer von „Lügenpresse“ redet, ist hoffentlich so medienkritisch, auch das Internet einzubeziehen! Was da herausgepostet und -gepustet wird, ist oft märchenhaft und bestenfalls amüsant, aber meist eher Gewäsch und kein Gegengewicht zu den etablierten, journalistischen Medien. Also Vorsicht: Es gibt im Internet nicht nur Qualitätsseiten, z.B. fu-frechen.de, sondern auch eine Menge Schund und Hetze, die sich nicht scheut, Falschmeldungen und verfälschte Videos in die Welt zu setzen — und zugleich auf „die Medien“ schimpft, die angeblich „die Wahrheit“ nicht berichten wollen.

„Die Wahrheit“ findet Mancher dann im Internet bei staatlich gelenkten Medien fremder Länder. Ja, was soll man davon halten!! Und wer will sich von Kommentarlawinen beeindrucken lassen, die als getarnte Privatmeinungen von speziell eingerichteten Propaganda-Agenturen ins Netz geschwemmt werden? Wer „Lügenpresse“ ruft und zugleich die Lügen-Posts und Fakes im Internet als Enthüllungen konsumiert, der sollte im Kölner Rosenmontagszug mitgehen: als Narr, der kein Narrenkostüm braucht.

Das vermeintliche Argument „Schwarmintelligenz“ zieht auch nicht mehr. Es erinnert mich fatal an den sarkastischer Spruch: „Sch… schmeckt gut, denn millionen Fliegen können nicht irren.“ Kurzum — bei uns in der F.U.F. gilt immer noch und weiterhin: Selber denken bringt’s! ***

Unter uns, und im Ernst: Wenn es an „den Medien“ eins zu kritisieren gibt, dann wohl das Folgende. Aus Auflagen- oder Quotengründen sehen sich viele einigermaßen unabhängige Zeitungen, Sender etc. genötigt, dem Massengeschmack und den Konsumgewohnheiten der Mehrheit entgegenzukommen und mehr Emotionen und Boulevard-Elemente zu bringen, was zu der bekannten Erscheinung führt: Wie am Beispiel „Silvesternacht in Köln“ zu sehen, treiben alle dieselbe Sau durch’s Dorf und befeuern dabei die Emotionalisierung dieses Themas, das ohnehin schon zum Aufputschen von Emotionen ausgeschlachtet wird. Zugleich werden leider andere, auch wichtige Themen aus den Schlagzeilen nahezu verdrängt.

Weniger beachtet wird z.B. dieses: (2) Oxfam-Studie: 62 Superreiche besitzen so viel wie die ärmsten 3,6 Milliarden – Wirtschaft – Tagesspiegel Aber auch diesem Thema sollte man sich nicht nur emotional stellen, sondern statt einer oberflächlichen Neiddebatte mit schnellen Sprüchen lieber eine sachliche, tiefer gehende Diskussion anstreben (und sich natürlich dazu erst einmal in Ruhe informieren). Ja, und zum obigen Thema sei, ohne schlimme Vorfälle zu relativieren, noch angemerkt: So manche Frau hat quasi eine kleine „Silvesternacht“ schon am hellen Tag, unter deutschen, hellhäutigen Männern, erleben müssen. Da muss auch noch einige „Integrationsarbeit“ geleistet werden!

Wo wir gerade beim Thema „Innere Mission“ (wie das bei den Kirchen heißt) sind: Sind diese Kriminellen integrierbar, die Flüchtlingsheime anzünden, welche immerhin mit unseren Steuergeldern finanziert wurden? Wohin sollen die im Zweifel abgeschoben werden? In Russland hat man dafür Arbeitslager — bei uns nicht, solange wir einen demokratischen Rechtsstaat haben. Denkt mal drüber nach.

** So langsam reicht es mit dem „Köln-Bashing“. Es reicht immer dann, wenn Leute nur noch draufkloppen, ohne vorher nachzudenken. Siehe auch: ***.

*** Zur Schnellschuss-Kommentiererei im Netz fand ich am 20.01. einen sehr dezidierten Kommentar: Social Media und die Hetze: Mehr Dummheit als Hass (Lobo-Kolumne) – SPIEGEL ONLINE Man/frau bilde sich dazu selbst eine Meinung!

S.R.

13g+

DD in Köln

51+r+blSagt dem Attentäter, der am Samstag vor der OB-Wahl zum Wochenmarkt ging, um zu morden, was ich von ihm halte, es genügt ein Wort: „Idiot!“

Einer dieser wildgewordenen Kleinbürger, ein kleines Licht, will in aufgehetztem Umfeld zum großen Held werden. Mann, willst du zu Adolf in die Hölle fahren, um in der Galerie der Unmenschen unter „ferner liefen“ ganz kleingedruckt genannt zu werden? Du bist eine traurige Gestalt, wenn du meinst, dass damit dein Leben einen Sinn bekäme. Du bestätigst den Spruch: „Jeder taugt zu etwas, und wenn es nur als schlechtes Beispiel wäre“ — nämlich als Beispiel für feige Brutalität, die obendrein politisch sinnlos ist. Wieso das? Warte, vielleicht erklärt dir das der Anstaltspfarrer oder ein Psychiater, oder irgendwann ein Durchblicker, der sich deiner erbarmt und dich aufklärt, statt dich aufzuhetzen (wie deine angeblichen Freunde).

Das Übrige könnt Ihr den (ernstzunehmenden) Medien entnehmen, die nicht nur in DD von einigen Verwirrten als „Lügenpresse“ beschimpft werden. Diese rechte Hetze gegen die „Systempresse“ entspringt dem Frust darüber, dass sie in den Medien nicht positiv dargestellt werden und (zu Recht) kaum zu Wort kommen. Dieser Frust entlädt sich als braune Fäkalienflut in den Internet-Foren und als Hass-Mails inkl. Morddrohungen.  Aber diese Ekel-Ergüsse haben auch ein Gutes: Jeder nicht ganz Verblödete kann daran erkennen, was jene selbsternannten Verteidiger „unserer Kultur“ in Wahrheit sind. Da zeigen sie sich ohne Maske — und ersparen uns weiteren Kommentar.

Wir wünschen Frau Reker baldige Genesung!

S. R.

Anmerkung: DD könnt Ihr als Abkürzung für „Dunkel-Deutschland“ verstehen. Es ist zufällig auch das Kfz-Kennzeichen für Dresden, wo so Viele (aber längst nicht Alle) der Pegida nachlaufen und immer verbal-radikaler werden. Dresden lag zu DDR-Zeiten im „Tal der Ahnungslosen“ — das hat wohl noch Nachwirkungen?* Schade jedenfalls, dass soviel Protest-Energie für falsche Ziele vergeudet wird. Mit Goethes Worten: „Ein großer Aufwand, schmählich! ist vertan.“ (Faust II, 5,, 11837).

Das wird man doch noch sagen dürfen!

*Nachtrag vom 16.12.2015: Viel pointierter behandelt diese Frage ein Meinungsbeitrag auf Spiegel-Online: >Toleranz: War die Wiedervereinigung ein Fehler? – SPIEGEL ONLINE

13g+

Steh nicht im Weg rum!

IMG_4401Wochenlang ergingen sich Nachrichtensendungen in Berichten über hilfsbereite Deutsche, die eine „Willkommenskultur“ leben. Dagegen erhob erst Horst Seehofer seine Stimme und kritisierte Angela Merkel für ihr positives Signal „Wir schaffen das!“, dann hieß es in den Medien immer lauter, die „Stimmung könnte kippen“ … bis das von Umfrageergebnissen gestützt wurde, die wachsende Skepsis in der Bevölkerung gegen Merkels Flüchtlingspolitik meldeten. Und kritische ZeitgenossInnen fragten sich: Wird da die kippende Stimmung erst herbeigeredet?

Nun gehöre ich nicht zu den „Lügenpresse“-Leuten, die unseren Medien pauschal nicht mehr glauben, dafür aber vielerlei Verschwörungstheorien aufsitzen. Ich behaupte also nicht, dass sich Merkel-Kritiker aus den Unionsparteien hinter die Medien gesteckt hätten. Das wäre zu simpel. Wenn ich überhaupt Absichten dahinter vermuten würde, dann die (inzwischen) ganz normale Suche der heutigen Medien nach immer neuen Sensations- und Schockmeldungen, um wieder eine neue „Sau durchs Dorf zu treiben“ und die Leute in Atem zu halten, damit Auflagen und Einschaltquoten nicht nachlassen. Das gehört zum Geschäft der Massenmedien dazu, die sich halt seit den späten 1990er Jahren zunehmend auf eine Boulevardisierung eingelassen haben.

Nun denn, die derzeitige — jetzt bin ich doch vorsichtig und setze das in Anführungszeichen — „Flüchtlingskrise“ wird, da bin ich mir ganz sicher, nicht von den Bedenkenträgern gelöst, die alle derzeit versuchen, in den Medien zu Wort zu kommen. Ob sie sich ehrlich Sorgen machen oder nur der Kanzlerin endlich mal Saures geben wollen, ist auch noch die Frage. Auf jeden Fall trägt dieser Aufruhr der Besorgten und Schein-Besorgten erst recht Verunsicherung in die Bevölkerung: Schaffen wir das wirklich? Dabei weiß keiner eine fundierte, realistische Antwort, trotzdem wird geunkt und gewarnt, was das Zeug hält.

Im braunen Sumpf am Rande kriegt man Oberwasser und versucht (mit Seehofers Beistand), diese „Krise“ zur drohende Katastrophe hochzuspielen und Rückhalt „in der Mitte der Gesellschaft“ zu finden. Ängste schüren ist ein billiges Geschäft, wird aber nicht Seehofer und seinen Parteifreunden, sondern eher den unverhüllt ausländerfeindlichen Akteuren wie AfD nutzen. Die waren durch interne Machtkämpfe geschwächt und weiter nach rechts abgedriftet, kriegen aber durch eine hochgejubelte Flüchtlings- und Asyldebatte neuen Zulauf.

Da werden auf abenteuerliche Weise Gefühle, vor allem Ängste, hochgepuscht, dass man einen Lehrfilm über Demagogie davon machen könnte. Den Rechtspopulisten ist dabei ganz klar, dass sie damit keine Probleme lösen helfen. Aber woher denn? Und die Rechtsradikalen schüren gern Chaos, wo es nur geht, weil sie Unruhe stiften und den ganzen Staat als unfähig vorführen wollen. Und dann kommen sie mit Kraftsprüchen und spielen sich als die starken Männer auf, die alles mit Gewalt und Einschüchterung in den Griff kriegen wollen (mehr als Opas Nazi-Rezepte haben sie im Kernprogramm nicht zu bieten).

Wer darauf hereinfällt, der hat es nicht so sehr mit dem Nachdenken und kritischen Hinterfragen, und der hat auch kaum Ahnung von Politik und Geschichte. Leider gibt es viele solcher Menschen, die schon Bertolt Brecht bedauerte: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“ Unter diesen Kälbern sind aber nicht nur dumme, sondern auch einige mit Schulabschluss. Die haben wahrscheinlich beim Politik-Unterricht unterm Tisch auf dem Handy Spiele gespielt oder Mobbing-SMS gesendet.

Aber was machen wir nun mit der „Krise?“ Na, was wohl? Mit kühlem Kopf das Nötige organisieren; und wenn schon Gefühle, dann vergesst nicht, dass da Menschen in Not ankommen und keine Massen, die uns bedrohen. Diese Menschen wären sicher lieber zu Hause geblieben, wenn sie sich dort in Frieden ernähren könnten. Nichts Anderes wollen 95% aller Menschen auf dem Globus.

Das Wort „Krise“ ist überhaupt nur glaubwürdig aus dem Munde derer, die vor Ort den Flüchtlingen helfen, sowie aller Anderen, die oft bis ans Limit ihrer Kräfte im Einsatz sind. Von „Krise“ darf allenfalls der Amtsleiter, Bürgermeister etc. reden, bei dem alle Aufnahme-Möglichkeiten und alle Hilfsquellen erschöpft sind und trotzdem weitere Flüchtlinge angefahren werden. Diese Leute vor Ort erwarten zu Recht sinnvolle Unterstützung statt Schwarzmalerei und Talk-Gesülze.

Wer „unsere Kultur“ durch Menschen aus fernen Ländern bedroht sieht, mache sich bitte nicht lächerlich. Vergesst nicht das Weltbürgertum eines Schillers und Goethes, auf die Ihr doch so große Stücke haltet. Unsere Kultur kocht im eigenen Saft und degeneriert, wenn sie keine Anregungen von außen mehr bekommt. Aber was sage ich — das wusstet Ihr doch schon, gebt’s zu! Ihr lebt doch heute und nicht in der Kleinstaaterei des 18. Jahrhunderts.

Doch was soll das viele Reden, haltet Euch einfach an den Grundsatz: Ob wir ein zivilisiertes Land sind, erkennt man am ehesten am Umgang mit den Mitmenschen. Und war da nicht Fl 1ajemand, der das Abendland verteidigen wollte? Der sich europäischer Patriot nannte? Wie war das noch mit dem christlichen Abendland, auf dem die europäische Kultur fußt? Sind das alles nur Masken, hinter denen sich gewaltbereite Barbaren verstecken, um friedliche Bürger zu täuschen und auf ihre Seite zu ziehen? Schaut genau hin: An ihren Taten sollt Ihr sie erkennen! (Das steht schon in der Bibel. Und Bethlehem kann überall sein — siehe Karikatur oben.)

So, und bei genauem Hinsehen erkenne ich in der Tat Menschen, die die Werte des christlichen Abendlandes verteidigen: Das sind die vielen amtlichen und freiwilligen HelferInnen, die sich um Flüchtlinge kümmern! Das sind diejenigen, die christliche Werte ernst nehmen — und die Anderen beschämen, die bloß meckern, Befürchtungen äußern, oder hetzen. Und wer es nicht so mit dem Christentum hat, der hilft einfach aus menschlichem Anstand, oder folgt der moralischen Pflicht, die sich aus den Menschenrechten und Artikel 1 des Grundgesetzes ergibt.

Ein paar Leute sagen: „Ich bin stolz, ein Deutscher zu sein.“ Seit Angela Merkel mit der Parole „Wir schaffen das!“ die Welt beeindruckt hat, bin ich geneigt, diesen Stolz auf das freundliche Gesicht Deutschlands zu beziehen und davon auch ein wenig zu empfinden — vorausgesetzt, ich trage dazu bei, dass dieses Vorhaben gelingt und wir Deutsche in ein paar Jahren sagen können: Ja, wir haben das geschafft. Und nicht zuletzt: Auch Zugewanderte, von denen dieses Land bekanntlich viele braucht, werden daran mitwirken, und es wird sich zeigen, dass unser Land durch ihre Aufnahme gewinnt.

Also, Ihr Nörgler und Bedenken-Aufhäufer, macht Euch nicht ins Hemd und arbeitet mit an der Zukunft Deutschlands! Und wer wirklich nicht helfen kann oder will, der sollte wenigstens nicht im Weg ′rumstehen und dummschwätzen.

W. R.

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Im Volk kursiert das Sprichwort: „Wer nichts ist und wer nichts kann, der zündet Flüchtlingsheime an.“ Ja, Kriminalität braucht niemand hereinzubringen, sie ist ja schon bei diesen Deutschen zu Hause.

13g+