Archiv des Autors: Wolfgang Reinert

Narren in der Mehrheit?

Was vielen Menschen auf dieser Erde längst klar ist, muss man einigen doch immer wieder sagen: Gewalt ist keine Lösung, sondern der Schritt zu weiterer Gewalt und Gegengewalt, einer Spirale, die aus der Logik der Gewalttäter heraus niemals enden kann.
Zwei Meldungen der letzten Wochen aus dem Nahen Osten sind Beweise dafür, dass Gewalttätigkeit, und besonders Terrorismus, kein Problem löst, sondern Probleme nur verschärft.
Meldung 1: Die Friedensaktivistin Vivian Silver wurde am 07.10. bei dem Hamas-Gemetzel gegen friedliche Zivilpersonen getötet. Sie war eine Frau, die Versöhnung und tätige Hilfe für die Schwachen auch bei den Palästinensern auf ihre Fahne geschrieben hatte und für Menschlichkeit eintrat. Dazu gehörte für sie auch die Realisierung der Zwei-Staaten-Lösung zur Befriedung des Nahost-Konflikts. Ihre Ermordung führt den Irrsinn der Hamas-Terroristen vor Augen: Sie wollen nichts als Feindschaft und Hass zwischen Israelis und Palästinensern, sie wollen auf keinen Fall Frieden, denn ihr Kernprogramm beinhaltet die Vernichtung Israels.
Meldung 2: Bei den Kämpfen der israelischen Armee gegen die Hamas im Gaza-Streifen erschossen israelische Soldaten gezielt drei von der Hamas entführte Geiseln — aus Versehen. Auch das zeigt symbolisch den Irrsinn eines Krieges, in dem ohnehin nicht nach allgemeinen Kriegsregeln gehandelt wird. Denn die Hamas ist gar keine reguläre Armee, sondern eine Miliz. Und die Hamas versteckt sich mit voller Absicht in und unter zivilen Einrichtungen, die normalerweise in einem Krieg geschont werden (sollen). Um ihren Terror in Israel zu relativieren, provoziert die Hamas bewusst Bilder, die die israelische Seite vor der Welt in ein schlechtes Licht rücken und das Leiden der Bevölkerung allein den Israelis anlasten sollen.
Schon vor vielen Jahren konnte man, wenn man unvoreingenommen dachte, den Wahnsinn der immer wieder versuchten, gewaltsamen Lösungen erkennen. Inzwischen mischt aber aus dem Hintergrund ein Player mit, der ebenfalls seine Bevölkerung aufhetzt und in vom Staat organisierten Demos die Vernichtung Israels fordern lässt. Ihr wisst: Gemeint ist die Führung des Iran, eines sogenannten Gottesstaates, die ernsthaft behauptet, ihre Absichten seien aus der Religion begründet.
Aber was passiert in anderen Teilen der Welt? Autokraten kommen an die Macht, schwadronieren von neuer nationaler Größe (Ein alter Hut, der schon Hitlers Hauptargument war, ihn zu wählen und ihn Diktator werden zu lassen). Man serviert den Massen alte Kamellen als neues Rezept und Allheilmittel, man kehrt unter den Tisch, dass diese Kamellen ausgelutscht sind und sich als unverträglich erwiesen haben, weil die „starken Männer“ die Nation ins Unglück geführt haben.
Aber lernt die Menschheit aus der Geschichte? Anscheinend gilt das nur für eine Minderheit; die Mehrheit fällt auf (Ver-)Führer herein, die den Hoffnungsvollen nach dem Munde reden und sich als Heilsbringer darstellen. „Was man wünscht, das glaubt man gern,“ sagt ein altes Sprichwort. Wie wahr! Da kann man gleich an Superman oder den Weihnachtsmann glauben.
Und so glauben Menschen wider besseres Wissen immer wieder, Gewalt könne helfen und die Welt besser machen. Was für Narren! So wird das nichts mit dem Weltfrieden. Wie denn dann?

Erstmal sollten Millionen von Männern weltweit mal innehalten und sich fragen: Das traditionelle Männlichkeits-Verständnis, zu dem Kraftmeierei, Aggressivität, Drohungen und Gewaltbereitschaft gehören — passt das überhaupt zusammen mit Lippenbekenntnissen zu Menschlichkeit, Schutz der Schwachen, Verständigungsbereitschaft? Des Weiteren sollten sich alle Menschen fragen, ob diese Macho-Kultur uns jemals weiter gebracht, oder ob sie immer nur zur Eskalation von Konflikten beigetragen hat. Vielleicht bekommen wir dann mehr Verständige und weniger Narren…

W. R.

Nachtrag am 02.01.2024: Wenn Menschen nichts Vernünftiges aus der Geschichte lernen, dann rennen sie in dieselben Fallen hinein wie schon Viele vor ihnen. Das führt uns dieser Tage auch der Narr Putin vor Augen.

Haben wir nicht im Zweiten Weltkrieg gesehen, dass die Briten vergeblich versuchten, mit ihren Bombardements von Wohnvierteln die Moral der Bevölkerung zu brechen? Diese Bemühungen bewirkten nicht, den Krieg zu verkürzen oder zu beenden. Diese ganze Luftkriegsstrategie fußte auf einer Fehlkalkulation des britischen Oberkommandos, in Person repräsentiert von Luftmarschall Harris.

Und was macht Putin seit Beginn seines Eroberungskrieges gegen die Ukraine? Seine Bomben, Raketen und Drohnen treffen alles Mögliche inklusive Wohnblocks und zivile Einrichtungen, er macht da keinen Unterschied, lässt aber stereotyp immer verlautbaren, man habe nur militärische Ziele getroffen und zerstört. Das sind Lügen, die kein Mensch mit intaktem Verstand glaubt. Denn offensichtlich führt Putin einen rücksichtslosen Vernichtungskrieg gegen das Land. Nicht einmal vor immens hohen Verlusten in den eigenen Reihen macht er halt. Sein heimliches Vorbild Stalin hat auch so Krieg geführt, Menschen waren ihm egal.

Putin, der in Hinterhofschlägereien und dann im Geheimdienst sozialisierte Machtmensch, lernt nichts Vernünftiges aus der Geschichte. Das sieht man an seinen eigenen, offiziellen Reden und Schriften über die russische Geschichte. Er fabuliert von der „russischen Welt“, in der alle Gebiete zusammmengehören, wo (zumindest teilweise) Russisch gesprochen wird. In unguter Tradition geht es dabei nur um Territorium, das Russland vergrößern soll, nicht aber um die Menschen und deren Wohlergehen. Putins „Helden“ sind die Zaren, die ohne Rücksicht auf Menschen „russische Erde“ sammelten und Russland territorial vergrößerten, und in dieser Reihe sieht er auch Stalin.

Wenn Machthaber eine glorreiche Vergangenheit bemühen, ist Misstrauen angebracht. Putins geistig-moralische Rolle rückwärts mit ihren blutigen Folgen sollte dieses Misstrauen schärfen. —

Nachtrag am 06.01.24: Oben war von Wahnsinnigen, aber auch von vielen Narren die Rede. Wenn man den Meldungen Glauben schenkt, die der AfD zurzeit hohe Umfragewerte zusprechen, dann fragt man sich schon: Sind diese Leute der Vernunft überdrüssig? Wollen die nur noch aus dem Bauch entscheiden? Das ist besonders in der Politik gefährlich, und auch sonst nicht immer angebracht. Denn als Mensch mit etwas Reife und Lebenserfahrung müsste Einem klar sein, dass man seinen Verstand nicht an der Kasse abgeben darf, und dass Politik nicht bloß eine Amüsier- und Dampfablass-Veranstaltung ist.

Wir müssen nicht unbedingt in die USA blicken, wo ein pöbelnder Politiker mit Lügen und Hassreden immer noch hohe Zustimmungswerte erzielt und seine Anhänger ihm sogar Spenden zukommen lassen, mit denen er seine teuren Anwälte in zahlreichen Prozessen bezahlt. Da wollen immer noch eine Menge Leute Trump wieder zum Präsidenten machen — was bedeutet, dass sie gegen die Demokratie in ihrem Lande stimmen wollen und Politik lieber den Großmäulern und Rechtsbrechern überlassen.

Und bei uns breitet sich anscheinend auch so eine Trumpisten-Mentalität aus, die verächtlich auf Demokratie und Rechtsstaat blickt und die Herrschaft eines „starken Mannes“ gut findet (weil man da nicht mehr denken muss und der Führer sagt, wo’s lang geht). Bertolt Brecht schrieb dazu einmal den Satz: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“ Die Vorhut dieser Kälber taucht in der Öffentlichkeit auf, wenn hochrangige Politiker zu Besuch kommen: Da tritt eine Abordnung von Brüllaffen auf, die „Haut ab, haut ab!“ und „Volksverräter“ rufen.

Da geht es offenbar nicht um Argumente, sondern um Störung und Chaos. Sowas kennen die sehr Alten unter uns noch aus Anfang der 1930er Jahre, die Jüngeren aus historischen Dokumentationen, in denen auch Auftritte der SA gezeigt werden. Fragt sich nur, ob genug Leute das Richtige aus der Geschichte gelernt haben und wissen, was dagegen zu tun ist — bevor es zu spät ist. Leider sehen manche Politiker noch immer nicht klar: Sie befürworten harte Strafen gegen „Klimakleber“, wollen den Rechtsstaat aber nicht gegen andere Verkehrsblockaden und Übergriffe in Stellung bringen…

Da fragt man sich wie in der Überschrift dieses Blog-Beitrags: Sind auch dort die Narren in der Mehrheit? —

Nachtrag vom 08.03.24 zu Meldung 1 (oben): Inzwischen haben uns etliche Nachrichten über weitere Details des Gemetzels vom 7. Oktober erreicht. Daraus ergibt sich zwingend ein Bild, das das Vorgehen der Hamas-Beteiligten als gezielt frauenfeindlich zeigt. Nicht nur im oben erwähnten Fall, sondern in dem ganzen Überfall haben sie sich besonders brutal gegen Frauen gezeigt. Und das hatte System, es war nicht Auswuchs eines spontanen Ausbruchs.

Angesichts dieser extremen Frauenfeindlichkeit sehe ich die Bilder von Demonstrantinnen in Europa mit Befremden, die nach dem Hamas-Überfall Schilder hochhalten mit der Parole „From the river to the sea“, womit das Hamas-Ziel artikuliert wird, Israel auszulöschen und das ganze Gebiet den Palästinensern zu geben. Wenn diese Frauen nicht weiter fanatisch der einseitigen Hamas-Doktrin folgen, sondern auch andere Informationen an sich heranlassen, müssen sie nachdenklich werden, und das nicht nur am Weltfrauentag.

Und die männlichen Demonstranten? Wollen sie rückhaltlos die frauenfeindliche Mörderbande unterstützen? Finden sie das okay, würden sie ähnlich handeln? Wollen sie die Gräueltaten entschuldigen mit Verweis auf Unrecht und Gewalt auf israelischer Seite? Dann wäre da wohl auch eine große Portion unkritischer Fanatismus festzustellen.

Es spricht schon Bände, wenn die laute Kritik an Israel mit keiner Silbe die Gräueltaten der Hamas erwähnt. Damit erwecken die Israel-feindlichen Aktivisten den Eindruck, es ginge ihnen gar nicht um Menschen und Menschlichkeit, sondern allein um politischen Aktionismus. Und für außenstehende Beobachter entsteht der Eindruck: Diese radikalen Israel-Feinde reden im selben, unversöhnlichen Geist wie Netanjahu und seine rechten Spießgesellen. Anders gesagt: Man gibt sich keine Mühe, wenigstens so zu erscheinen, als ginge es einem auch um Menschlichkeit, Empathie, und Vermeidung von Leid. Und um die Menschen. die die Hamas verschleppt hat, scheint sich kein Akteur wirklich kümmern zu wollen…

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positiver Ausblick

N‘ Abend, Freunde des guten Hopfentrunks! Schön, Euch zu sehen und und dieser Runde dem Alltag ein Stück weit zu entfliehen. Aber jetzt mal ohne Geschwurbel: Leev Lück, wie hält mer dat us, immer diese Nachrichten mit Gewalt und Krieg, und Greueltaten, die beschönigt werden. Mannomann… So jetzt erst mal — aha, da steht es schon vor mir, das frisch gezappte Kölsch. Jupp, du bes wie immer op Zack! Prost!
Wat es da bloß los im Nahen Osten, alle Mühe um Frieden wird kaputtgemacht, die Hardliner schüren Hass und rufen zu noch mehr Gewalt auf. Wo soll das denn hinführen?
Jetzt hacken sie auf Israel rum und meinen, die würden zu hart vorgehen im Gaza-Streifen, sollten die Zivilbevölkerung schonen…. Wenn Putin das hört, kriegt er nen Lachkrampf. Aber das lassen wir hier mal beiseite. Die Hamas hat doch all das in ihre Taktik einkalkuliert, sie wartet geradezu auf schlimme Bilder aus Gaza, die um die Welt gehen. Damit soll ihr Terror am 7. Oktober relativiert oder ganz vergessen werden.
Alle, die noch nicht fanatisiert sind, sprechen vom Dilemma der israelischen Armee, nämlich von der schwierigen Bekämpfung der Terrorbande, die sich unter die Zivilbevölkerung von Gaza mischt und neben Kindergärten und Krankenhäusern Raketen auf Israel abschießt und ihre Waffen lagert.
Ich sag schon seit Tagen: Wie wäre es, wenn Israel verkünden würde, dass es seine Armee sofort aus dem Gaza-Streifen abzieht unter der Bedingung, dass sofort alle Geiseln von der Hamas freigelassen werden? Das wäre doch ein Coup! Plötzlich stünde die Hamas vor der Weltöffentlichkeit im Dilemma, sie hätte die alleinige moralische Verantwortung für weiteres Blutvergießen im Gaza-Streifen. Und wenn sie nicht darauf einginge, wäre sie in Erklärungsnot, warum sie die Geiseln weiter festhielte, und warum sie weiter die Palästinenser im Gaza-Streifen opferte.
Ich finde, das wäre ein kühner Schachzug, der Israel aus der Bredouille bringen könnte. Außerdem würde das Verhandlungen über die zukünftige Lösung der Palästina-Frage günstig beeinflussen.
Aber dazu würde auch gehören, dass man auf allen Seiten nicht mehr auf die besinnungslosen Scharfmacher und Kriegtreiber hört, sondern den Blick auf eine mögliche Zukunft in Frieden und Wohlstand richtet.
Ach, Leute, das sollte ein Vorschlag zur Güte sein, ein Ausblick auf einen positiven Ausweg aus der Misere im Nahen Osten.
Ohne positive Perspektiven ist doch alles düster und verloren, findet Ihr nicht auch?
In der Runde am Tresen schwiegen alle und nickten bedächtig.
„Jung, dat häste jot jesaat,“ sprach schließlich Einer.

A kiss is just a kiss… ?

Bei all den heftigen Krisen der jüngsten Zeit scheint es sich zu verbieten, auf scheinbare Nebensachen oder vermeintliche Kleinigkeiten Aufmerksamkeit zu richten. Aber die Sache mit der „Kussattacke“ des kroatischen Außenministers auf die deutsche Außenministerin bei der Aufstellung zum Gruppenfoto (beim Ministertreffen in Berlin) ist dann doch ein Faux-Pas, der gerade einem europäischen Außenminister nicht passieren sollte.

Es ist noch gut in Erinnerung, welche Wellen die Kussattacke eines spanischen Fußballfunktionärs beim Empfang der spanischen Weltmeisterinnen schlug. Der Fall ging durch die Medien auch außerhalb Spaniens und musste einem Außenminister in Kroatien eigentlich bekannt sein. Außerdem sollte ihm eigentlich bekannt sein, dass Annalena Baerbock sich mehr Feminismus in der Außenpolitik auf die Fahne geschrieben hat. (Wenn nicht, war er schlecht „gebrieft“.)


Kurzum: Das ist gerade für einen Außenminister ein peinlicher Fehltritt. Baerbock hatte sich noch rechtzeitig weggedreht und bekam den Kuss nur auf die Wange. Sie äußerte sich zunächst nicht zu diesem Vorfall, wohl um die Peinlichkeit für ihren Ministerkollegen nicht noch zu vergrößern. Das taten dafür viele Stimmen in den social media, die sich empörten, nachdem der Minister in seinem Kussversuch kein Problem gesehen hatte.

Ist das Nebensache oder gar belanglos? Wer das ernsthaft meint, meint also: Frauen müssen sich das von Männern gefallen lassen, in der Öffentlichkeit und privat. Männer brauchen sie nicht zu fragen, ob sie ohne Vorwarnung auf den Mund geküsst werden wollen. Männer dürfen sich also gehen lassen, Frauen müssen das ohne Protest hinnehmen… Das ist die alte Macho-Welt, wo nur die Wünsche der Männer zählen. Das ist doch wohl nicht Euer Ernst!

W. R.

Täter und Opfer

Drei Dinge sprechen gegen die Hamas-Terroristen und ähnliche Gruppierungen: 1. Sie morden wahllos Menschen, 2. sie benutzen auch die Zivilbevölkerung der von ihnen beherrschten Gebiete als Schutzschild, und 3. sie wussten im Voraus, dass israelisches Militär Gaza nach ihren Greueltaten angreifen und bombardieren würde, und haben das mit einkalkuliert.

Daraus folgt: Die Hamas hat nicht nur maximale Opferzahlen bei ihrem Angriff auf Israel am 07.10.23 erreichen wollen, sie opfert bewusst auch eine Menge Palästinenser, um das dann noch als die Grausamkeit der Israelis gegen unschuldige Palästinenser anzuprangern. Und zur Steigerung des Terrors hat sie bei ihrem Angriff wahllos Menschen als Geiseln in den Gaza-Streifen verschleppt, um ihr Propaganda-Spiel auch mit diesen Opfern zu spielen.

Und dann gehen hierzulande noch Leute auf die Straße und halten z.B. Schilder mit „Freiheit für Palästina“ hoch. Ja, liebe Leute, zu anderen Zeiten gern — aber gerade jetzt, in dieser Situation, müsstet Ihr diese Forderung an die Hamas richten, die ganz Anderes im Sinn hat als Freiheit für die Bevölkerung im Gaza-Streifen. Ist Euch das noch nicht aufgefallen?

Geradezu unsäglich und denkender Menschen unwürdig sind die antijüdischen Ausschreitungen bzw. Anschläge, zu denen sich einige fanatisierte Israel- und Judenhasser ermuntert fühlen. Selbst wenn wir die Nazi-Zeit in Deutschland ausblenden könnten, wenn wir nur auf die Gegenwart blicken könnten, blieben solche Anschläge nicht nur kriminell, sondern auch politische Verbrechen, weil rassistisch und menschenverachtend (juristisch: Mord aus niederen Motiven).

Wer das trotzdem als Heldentum und Widerstand deklariert, der ist emotional so aufgeputscht, dass ihm die Kontrolle über seinen Verstand entgleitet. Ich weiß, die derart Aufgewühlten können das nicht mehr verstehen und kennen in ihrer Wut kein ruhiges Nachdenken und Abwägen mehr. Das macht sich auch der türkische Präsident zunutze und schwingt sich zum Sprecher aller Muslime und Israel-Hasser auf. Er nennt die Hamas Freiheitskämpfer und beschimpft Israel. —

Mit dem Aufputschen der Gefühle arbeiten Politiker im Nahen und Mittleren Osten schon seit Jahrzehnten. Sie nutzen das Leid der vertriebenen oder geflohenen Palästinenser, um ihre eigenen Interessen zu verfolgen. Es war ihnen hilfreich, Wut zu entfachen, um antiisraelische Politik zu machen und von eigenen Fehlern abzulenken, dabei waren ihnen die Palästinenser meist weniger wichtig. Daher sind auch die Demonstranten, die hierzulande jetzt Israel anprangern, nicht auf der Höhe der Zeit, weil sie alte Stereotype reproduzieren und grundsätzlich den Teufel nur auf der Seite Israels sehen wollen. —

Es ist einfach unerträglich, dass in unserem Lande Menschen dieser oder jener Minderheit Angst vor Gewalt und Anschlägen haben müssen! Es geht hier nicht allein um Juden, sondern generell um Menschen, die anderen Gruppen der Gesellschaft angehören. Also geht es um die Frage, ob wir dulden wollen, das sich ein paar Aufgehetzte und Radikalisierte über das Grundgesetz, über die Freiheitsrechte aller Menschen, über Gesetze stellen wollen und aus Deutschland ein Land machen, in dem Juden, Menschen anderer Volksgruppen oder Religionen, Menschen mit diverser sexueller Orientierung… usw., kurzum Alle, die nach Meinung einer lauten, radikalen Gruppe nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehören, deshalb ausgegrenzt werden sollen, dann verfolgt, dann in Lager gesperrt …

Diese Unmenschlichkeit macht nicht halt, wenn sie nicht schon in den Anfängen wirksam gestoppt wird. Und es wird höchste Zeit, dass hier nicht nur offiziell von der Staatsräson geredet wird, zu der die Sicherheit Israels gehört, sondern dass konkret hier bei uns Juden unbehelligt ihre Religion ausüben und ihre kulturellen Bräuche pflegen können. Wer sich dafür einsetzt, dass Muslime, wenn sie wollen, das Kopftuch als religiöses Zeichen tragen können, der muss auch für das Recht der Juden eintreten, in der Öffentlichkeit die Kippa zu tragen. Das muss man von Menschen verlangen, die hier leben und behaupten, sie stünden auf dem Boden unserer Verfassung. —

Grundsätzlich muss klargestellt werden: Antisemitismus ist schlicht Unfug, eine geistige Verirrung, und erst recht heutzutage eines denkenden, aufgeklärten Menschen unwürdig. Darüber noch zu diskutieren müsste für alle ZeitgenossInnen überflüssig sein, weil sie selbstverständlich wissen: Menschen sind im Prinzip überall gleich, und wer eine Gruppe oder ein Volk verächtlich macht und herabsetzt, hat womöglich Minderwertigkeitsgefühle, die er auf Kosten anderer Menschen loswerden möchte.

Das ist wohl zumindest einer der Gründe, warum sich sogar manche hochgebildete Leute nicht entblöden, Vorurteile und Verachtung gegen andere Menschen zu teilen. Es ist ein Zeichen charakterlicher Schwäche. Sie meinen, das ist es nicht? Nun, dann muss ich mehr dahinter vermuten, nämlich eine menschenfeindliche Gesinnung… oder eine Wahnvorstellung.

W. R.

Nachtrag: In einem langen Interview sagt der Schriftsteller Volker Kutscher (neuester Roman: „Der nasse Fisch“) zur aktuellen Debatte um Antisemitismus und Israel:

Der Antisemitismus war ja nie weg. Aber dass er so hochkocht, sich so ungezügelt Bahn bricht, hätte ich nicht gedacht. Nach dem bestialischen Massaker der Hamas war ich erst einmal sprachlos. Aber statt Mitleid mit den Opfern dieses Pogroms gab es antisemitische Demonstrationen, nicht als Reaktion auf die ersten israelischen Angriffe gegen Gaza, die gab es da ja noch gar nicht, sondern als direkte Reaktion auf das Massaker. Das hat mich schockiert.

(…) Dieses brutale Gemetzel, das die Hamas angerichtet hat, richtet sich ganz allgemein gegen die westliche Kultur, das ist aus demselben Geist geboren wie der IS…

Kölner Stadt-Anzeiger, 18.11.2023 (Magazin S. 1)

Abstoßende Bilder

Viele Menschen fragen sich beklommen: In was für einer Welt leben wir? Wir hatten geglaubt, die Zeit von blutigen Diktatoren, von Kriegen und Gewaltorgien, von gewaltsamen Grenzverschiebungen sei so gut wie vorbei, und die Welt werde überwiegend von Vernunft regiert.
Aber was sehen, was erleben wir? In immer mehr Gebieten der Erde nimmt Gewalttätigkeit zu, kommen gewaltbereite Männer an die Macht, wird Machtpolitik ungeschminkt mit allen Mitteln verfolgt.
Wo sind die moralischen Maßstäbe, auf die sich die Welt einigen kann? Viele Staaten, die Mitglied der UN sind und die UN-Charta unterschrieben haben, halten deren moralische Gebote nicht ein. Manche haben sich von den Grundsätzen der Charta ziemlich abgewendet, wollen das aber nicht zugeben und machen im Zweifel immer Andere für ihr Verhalten verantwortlich.

Wer denn zum Beispiel? Russland etwa stellt die kühne Behauptung auf, sein Krieg (der in Russland bei Strafe nicht einmal so genannt werden darf) sei bloße Selbstverteidigung. Putins Sprecher bemühen dabei uralte Klischees: Russland sei (wie vor gut hundert Jahren das kaiserliche Deutschland) von fremden Mächten eingekreist, die bösen USA wollten mit Hilfe der Ukraine Russland zerstören, und die Ukraine werde von Nazis beherrscht. Besonders Letzteres, meinen Putins Leute, zieht bei den Russen immer, dazu werden bemühte (Schein-)Parallelen zum Zweiten Weltkrieg gezogen (1. weil es gegen Nazis ging, 2. weil Putin den großen Diktator Stalin als großen Helden der russischen Geschichte sehen und ihn beerben will, und 3. weil er seinen Eroberungskrieg gegen die Ukraine als Teil der Wiederherstellung des historischen Großrusslands gefeiert sehen will. In Putins Gedankenwelt zählen nur die eigenwillig interpretierte Geschichte und skrupellose Machtpolitik, da bleiben Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht der Völker außen vor.

Immerhin haben viele Regierungen in der Welt dieses Spiel durchschaut, sodass Russland in der UN-Vollversammlung nur wenig Unterstützung findet. In Deutschland glauben aber immer noch ein paar Leute, der arme Putin sei ein Opfer und wehre sich nur, denn es sei ja von Vorneherein klar, dass die USA immer die Bösen seien. Wer so ein simples, undifferenziertes Weltbild hat, der folgt eben den russischen Propaganda-Erzählungen und findet auch gut, was Sahra Wagenknecht oder die AfD-Leute dazu sagen. Dabei helfen Putins Troll-Fabriken kräftig mit — oder bist du sicher, dass hinter einem russlandfreundlichen Post in den social media wirklich Fritz Meier aus Goslar steckt und nicht der Student Pjotr mit guten Deutschkenntnissen in einem IT-Büro in Sankt Petersburg, das bis vor Kurzem noch Prigoschin gehörte?

Aber ich nannte ja Russland nur als ein Beispiel für Länder, deren Regierungen vergessen, was in der UN-Charta steht. Eine vollständige Liste wäre lang, ich nenne hier nur einige: China, Nordkorea, Myanmar, Afghanistan, Iran, Syrien… da geht mir schon die Puste aus.

Und Manche fragen sich: Kann das Zufall sein, dass in all den Ländern, wo autoritär oder diktatorisch regiert wird, auch immer ein ausgeprägtes Machotum auffällt? Die Machthaber, die sich als „starke Männer“ aufblasen, zeigen ein betont kraftmeierisches, lautes, gewaltbereites Auftreten, und in ihren Reden sind sie schnell dabei, mit Gewalt oder Krieg zu drohen.

Peinlich wird es, wenn sich herausstellt, dass diese Machthaber vor allem gelernt haben, großmäulig aufzutreten, aber dann nicht liefern können, was sie ihren Anhängern und dem Land versprochen haben. So haben wir derzeit in Israel eine rechtsgerichtete Regierung, an deren Spitze Premier Netanjahu um seine persönliche Macht kämpft, weil ihm sonst ein Gerichtsverfahren mit einer möglichen Verurteilung droht. Zum Erhalt der Macht paktierte er quasi mit dem Teufel, mit rechtsaußen stehenden Radikalen und Scharfmachern, die das Ziel ultraorthodoxer Radikaler erreichen wollen: Keine Zweistaatenlösung in Koexistenz mit den Palästinensern, sondern Annexion der Westbank als „gelobtes Land“, in sagenumwobener, grauer Vorzeit von Gott den Juden versprochen — glauben sie.

Diese sich oft mit markigen Sprüchen überbietenden Radikalen schienen Israel Stabilität und Stärke zu versprechen. Umso böser das Erwachen am 7. Oktober 2023, als schlagartig Israels Geheimdienst, Militär und vor allem die „starken Männer“ an der Staatsspitze blamiert wurden, die das Land nicht vor dem Massaker der Hamas geschützt hatten.

Das können auch nachträgliche Vergeltungsangriffe gegen den Gaza-Streifen nicht ungeschehen machen, geschweige denn heilen. Die Hamas wusste im Voraus, wie Israel reagieren würde, und hat trotzdem diesen Überfall mit den vielen Greueltaten verübt.

Vielleicht hat die Hamas sich aber in einer Hinsicht weniger geschickt verhalten: Die Mörderbanden (anders kann ich sie aufgrund ihres Verhaltens nicht nennen) filmten sich teilweise mit Handys bei ihrem Gemetzel und den Geiselnahmen und stellten diese Aufnahmen ins Netz. Ich persönlich war über die Maßen entsetzt über diese Ausbrüche von bestialischer Gewalt, diesem extremen Terror, und dachte mir dann: Das wird teilweise nach hinten losgehen. Solche Aufnahmen, in denen sich diese Verbrecher mit ihrem tierischen Blutdurst brüsten, wirken auf alle zivilisierten Menschen mit etwas Menschlichkeit nur abstoßend. Damit kann die Hamas weder Sympathie noch Verständnis gewinnen. Offenbar glaubt sie aber, damit Eigenwerbung betreiben zu können: mit zur Schau gestellter Unmenschlichkeit.

Abstoßend fand ich auch die spontane Freuden-Demo von einigen Leuten in Berlin, die das Massaker feierten. Was soll das denn? Ich glaube, als Führer der Polizei-Einheit vor Ort hätte ich zumindest die Straße räumen lassen.

Jemand Anderes äußert sich zu den Sympathie-Bekundungen noch viel dezidierter: Terror der Hamas: Warum schweigst du immer noch? – Kolumne – DER SPIEGEL

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P.S. Einige Tage später zeigt sich, dass die Hamas Anhänger und Sympathisanten in vielen Städten auch in Europa zu mobilisieren versucht. Demonstranten halten Schilder mit pro-palästinensischen Parolen hoch. Da wird versucht, Unterschiede zu verwischen und für die Hamas Solidarität zu gewinnen. Aber alle, die eine Krempe am Hut haben, alle, die nicht völlig einseitig informiert sind, wissen doch, dass die Hamas nicht für alle Palästinenser spricht, und dass sie im Gaza-Streifen seit Jahren eine Diktatur ausübt, und bei Angriffen Israels auf die Hamas die Bevölkerung als Geisel und Schutzschild missbraucht. Davor scheut sie genauso wenig zurück wie vor Tagen beim wahllosen Abschlachten von Menschen auf israelischem Gebiet.

Hamas ist ähnlich dem IS bemüht, maximalen Terror zu verbreiten und mit Grausamkeit sowohl die Furchtsamen einzuschüchtern als auch die sadistischen Gewaltbereiten zu beeindrucken und zu rekrutieren.

Ehe nun wieder Palästinenser-Freunde (von denen etliche wohl eher Israel-Gegner und oft auch Antisemiten sind) hier mit ihrem „Aaaaber“ kommen und grausames Vorgehen israelischen Militärs dagegenrechnen wollen, sei hier klargestellt: Natürlich gibt es durch eine teils harte Besatzungspolitik, durch Unterstützung immer neuer jüdischer Ansiedlungen in der Westbank kritikwürdiges Vorgehen, teils auch das Ignorieren von UN-Resolutionen. Aber auch das reicht nicht, um die ganze Geschichte des Nahostkonflikts zu erfassen und Schuldzuweisungen angemessen zu verteilen.

Wer Leid immer mit Leid aufrechnet und die Wunden mit noch mehr Leid und Gewalt heilen will, ist unfähig zum Dialog und zum Aushandeln echter Lösungen. Die Scharfmacher auf beiden Seiten haben wesentlich dazu beigetragen, die Nahost-Problematik zur Dauerkrise zu machen und — wie gerade die Hamas — jede friedliche Annäherung zwischen Konfliktparteien zu torpedieren. Damit wird auch der Sache der Palästinenser nicht gedient.

Netanjahu hat einige Großmäuler und Scharfmacher in seine Regierung geholt (Wir haben das oben schon angesprochen) und den Verfassungskonflikt um den obersten Gerichtshof vom Zaun gebrochen.

Wir kennen andere Länder, wo auch versucht wird, die Demokratie auszuhöhlen und den aktuell Regierenden weitreichende und fortdauernde Macht zuzuschanzen. Da werden Spannungen zu anderen Ländern in Kauf genommen oder sogar provoziert, um die Bevölkerung hinter der eigenen Fahne zu sammeln und das als nationales Interesse auszugeben. Ihr wisst hoffentlich, von welchen Ländern ich spreche!

Und da wir gerade von Scharfmachern sprechen: Die Vorgänge in Aserbeidschan wegen der Armenier in Berg-Karabach, die aktuellen Drohungen der serbischen Regierung gegen den Kosovo — das sind nur zwei Beispiele dafür, wie sich derzeit nicht nur Spannungen verschärfen, sondern wie sich Machthaber und Scharfmacher geradezu ermuntert fühlen, mehr auf die Karte Gewalt und gewaltsame Verschiebung von Grenzen zu setzen…

So wird die Welt nicht sicherer, und so nehmen die Flüchtlingsströme noch zu, denn so sind weitere Konflikt-Eskalationen zu erwarten. Das, wie gesagt, verdanken wir zu einem großen Teil den gewaltaffinen Machos, die körperlich die Gewaltanwendung trainieren, aber das miteinander Reden und Deeskalieren nicht gelernt haben und daher schon im Privaten zum Draufhauen neigen — gegenüber ihren Frauen und Kindern, und mit der Waffe in der Hand gegen irgendwelche Feinde.

Traurig, dass sich dieses Verhaltensmuster in vielen Gesellschaften dieser Erde zeigt — und damit einen Grund liefert, warum immer wieder Gewalt ausbricht… Fragt nicht nach weiteren Gründen: Dieses Motiv ist so gut wie immer beteiligt!

Ergänzung am 06.02.2024: Uns erreichen Nachrichten, die leider bestätigen, wie grausam frauenfeindlich die Hamas-Terroristen bei ihrem Überfall am 7. Oktober vorgingen. Details sind so schrecklich, dass kein Nachrichtenportal in Einzelheiten geht. Offensichtlich sind aber zwei Dinge: 1. Der ganze Überfall auf das Musikfestival wie auf die Kibbuzim in der Nähe des Gaza-Streifens war bis ins Einzelne durchgeplant, und 2. die gezielten Greueltaten an Frauen waren Teil des Plans.

Wenn wir das Entsetzen über diese Menschenfeindlichkeit einigermaßen unter Kontrölle gebracht haben, fragen wir uns: Was sollen wir daraus lernen?

Klar ist, dass die Hamas als einzigen Zweck ihres Tuns die Vertiefung der Feindschaft und als Fernziel die Vernichtung Israels im Sinn hat. Dafür, diesen „höchsten Zweck“, ist alles an Missetaten und Grausamkeiten erlaubt und entschuldigt. Da sprechen die Taten eine eindeutige Sprache, hinzu kommen die ständigen Verlautbarungen — im Gleichklang mit dem Gottesstaatsregime in Teheran, wo das Ganze noch eine religiöse und weltpolitische Weihe bekommt.

Apropos Teheran: Wie war das noch mit der frauenfeindlichen Unterdrückung…? Passt doch perfekt zur Haltung der Hamas-Banditen. Aber nicht nur zu denen. Wo auch immer in islamisch geprägten Staaten autoritäre Herrschaft ausgeübt wird, ist sie von Männern dominiert, für die Machismo und Frauen-Unterdrückung elementarer Bestandteil ihres Weltbildes sind. Afghanistan ist dafür ein Extrem-Beispiel: Was die Machthaber dort gegen Frauen verfügen, grenzt fast ans Lächerliche, ist aber todernst gemeint. Übrigens hat das nichts mit Mohammed zu tun, sondern mit einer archaischen, aus der Dschahiliya (Zeit der Unwissenheit vor Mohammed) stammenden, verhärteten Moral der Wüste. So betrachtet, sticht die religiöse Karte nicht: Nicht der Islam, sondern Männerbündelei und egoistisches Machtstreben bleiben als Motiv.

Wenn ich sehe, wie auch Frauen sich auf Demonstrationen für die Hamas und gegen Israel zeigen, frage ich mich, wie lange das noch funktionieren kann mit politischen Zielen, die mit Religion verrührt werden, um weniger bzw. einseitig informierte Leute zu behumsen. Aber das ist ein weiteres Thema.

Neues Milliardärshobby

Neulich mal wieder in meiner Stammkneipe gesessen und zugehört, was am Tresen vor sich ging:


N’Abend zusammen, meine Freunde eines guten Schlucks! (klopft dreimal laut auf den Tresen) Danke, Jupp, wie immer auf Zack mit einem frisch gezapften Kölsch! Hier ist die Welt noch einigermaßen in Ordnung, oder? Prost!
Kann man ja leider so allgemein nicht sagen. (Zustimmung in der Runde am Tresen)
Und statt dass die Menschen mal nachdenken und zur Vernunft kommen, beklatschen sie immer neue Idioten und Rattenfänger und sehnen sich nach autoritärer Führung, die ihnen das Denken abnimmt.
Immer mehr schwerreiche Männer scheinen sich neben all ihren Statussymbolen in letzter Zeit noch potenter darstellen zu wollen, indem sie sich in die Politik einmischen. Die über 40m lange Luxusjacht reicht schon lange nicht mehr, als Milliardär kauft man Fußballklubs, griechische Häfen, ganze Inseln und Nachrichtenportale ein — und was früher nur hinter den Kulissen betrieben wurde, passiert heute ganz offen und erklärtermaßen: Man mischt sich in Wahlkämpfe ein und propagiert seine persönlichen Ansichten als politische Ziele für Alle.

Jenau! ruft einer aus der Runde. Dat hammer doch schon beim Brexit jesehen! Ein sojenannter Medienzar, dieser Rupert Murdoch in den USA, mischt mit seinen Zeitungen in der Brexit-Kampagne mit und hilft, Lügen über die EU zu verbreiten. Und keiner schreitet ein und sagt: Misch dich nicht ein, schon gar nicht als Amerikaner!

Jenau dat mein ich. Seit einiger Zeit fällt dabei besonders Elon Musk unangenehm auf. Er wird mir immer unsympathischer, er scheint sich für zuminnnndest einen Halbgott zu halten. Jetzt ruft er auch noch zur Wahl der AfD auf. Ein Mann, der wirklich besser wissen sollte, dass eine AfD-Regierung unser Land in den Abgrund reißen würde — allein schon mit ihren Vorstellungen zur Wirtschaft und zur EU…. Aber Moment mal, das ist womöglich ja die geheime Absicht von Musk: Deutschland in den Niedergang stoßen mit Hilfe der AfD!
(Manche am Tresen runzeln die Stirn)
Ihr meint, das sei doch abwegig? Dann erklärt mir, wieso der Mann noch für zurechnungsfähig gilt. Na gut, anschließend könnt Ihr mit Eurer Erklärung gleich bei Trump weitermachen, der leidet ja auch an krankhaft vergrößertem Ego.
Aber Trump macht sich sowieso schon selbst lächerlich. Politisch wird er trotzdem getragen von einer großen Zahl von US-Bürgern, da kann er weiter lügen, betrügen, herumpöbeln und Frauen begrapschen, denn seine Anhänger werden von einer evangelikalen und rassistischen Mischpoke aufgehetzt und sind schon lange keinen Argumenten mehr zugänglich. Sie spenden sogar große Summen, damit er seine Top-Anwälte bezahlen kann.

Sowas scheinen sich die Radikaleren in der AfD auch hier zu wünschen: Wir wollen keine denkenden Leute, wir wollen eine Masse, die unsere Parolen nachplärrt und alles Andere niederbrüllt. Und wenn wir erst an der Macht sind, dann, hihi, werden diese Lemminge schon sehen, was wir wirklich vorhaben.
Woher willst du das denn wissen? fragt Einer aus der Runde.
Na, woher wohl? Schau Dir an, was da passiert, wo rechte Parteien an die Macht gekommen sind! Ich rede jetzt nicht mal von unserer Geschichte und Hitler, ich rede von heute, von Ländern, wo solche Parteien an die Macht gewählt wurden und nun alles daransetzen, die Macht zu behalten und keine Konkurrenz mehr hochkommen zu lassen. Schau z.B. nach Ungarn oder Polen, da siehste, wie machtgeile Leute das Land umbauen, um ihre Macht einzubetonieren.
Ach, und jetzt kommen noch solche Großkotze wie Elon Musk. Diese Leute hat niemand gewählt, sie haben kein politisches Mandat, und trotzdem ist ihr neues Hobby, in der Politik mitzumischen. Wer sich daran nicht stört, der hat von Politik für die Menschen, hat von Demokratie nichts verstanden. — Jupp, schnell noch eins, ich rede mich schon wieder in Rage.

—– Ich wäre noch geblieben, aber bei der Vorstellung, dass solche Typen demnächst über uns alle bestimmen könnten, wurde mir schlecht, und ich musste an die frische Luft… Als ich wieder reinkam und zu meinem Tisch ging, diskutierte der Tresen-Stammtisch schon über ein anderes Thema. —–

Ich finde das beschissen, meinte Einer, da laufen sich die Leute beim Marathon die Seele aus dem Leib und stellen einen Rekord auf, und kurz danach heißt es: „Sorry, wir haben die Strecke leider versehentlich zu kurz abgemessen, daher gilt dein Rekord nicht.“ Na toll, die Gelackmeierten sind die Spitzensportler, die nix dafür können, dass sie ein paar Meter zu wenig gelaufen sind.

Stimmt, wirfte ein Anderer ein, dem Reinhold Messner haben sie auch so einen Streich gespielt. Da kommt viele Jahre nach seinen Extrembesteigungen im Himalaya Einer daher und sagt, er habe mit modernen Methoden scharf nachgemessen und festgestellt, dass manche Bergsteiger nicht auf dem richtigen Berggipfel waren, sondern auf einem, wie jetzt messbar ist, Nebengipfel, ohne das zu wissen. Ja, Leute, was soll das denn? Ein Wichtigtuer wird in allen Medien zitiert als der, der dafür sorgt, dass einigen Bergsteigern Rekorde aberkannt werden, insbesondere dem Prominenten Messner.

Ein Weiterer ruft: Und dann diese Fehlentscheidungen beim Fußball trotz Videobeweis…!

—– Mir war immer noch flau im Magen, ich hatte genug gehört, zahlte und verließ das Lokal. Draußen blickte ich hoch zu den Sternen — die mussten da irgendwo sein, aber bei dieser Lichtverschmutzung hatte keiner die Chance, sie zu sehen.

W.R.



Und täglich grüßt…

… die Klimakrise. Nein, sie kommt nicht erst, sie ist schon da. Das tägliche „Murmeltier“ sind die Bilder von Naturkatastrophen, von brennenden Waldgebieten, von uns entgegen gurgelnden Wassermassen — nicht irgendwo, sondern hierzulande und gleichzeitig an vielen anderen Orten auf dem Globus. Das kann man nicht verharmlosen, das entspricht exakt dem, was Wissenschaftler seit den 1980er Jahren vorausgesagt haben, sofern nicht gegengesteuert wird.
Und? Wurde gegengesteuert? Hier kommt die Frage nach den Interessen ins Spiel. Diejenigen Konzerne, deren Geschäftsmodelle auf fossilen Brennstoffen basierten, die also Kohle, Öl und Erdgas verkauften und/oder weiter verarbeiteten, wollten weiter daran verdienen und hatten genug Geld, um Wissenschaftler zu kaufen, damit sie Zweifel an der vorhergesagten Klimakrise streuten, und sie bewogen einige Politiker dazu, sich den Zweiflern anzuschließen und diese Ansicht in vielen TV-Talkshows zu vertreten. So wurde das Gros der Bevölkerung verwirrt und daran gehindert, die Warnungen der Wissenschaft ernst zu nehmen. Und weil das so gut klappte, wurden diese Sedierungs-Kampagnen weitergefahren.
In den Nuller-Jahren des 21. Jahrhunderts sprach sich doch langsam herum, dass da was auf uns alle zukommt und man sich Maßnahmen überlegen müsste, z.B. die Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Jene besagten Knilche in den Talkshows brachten dagegen vor, dass es wenig bringe, wenn nur ein Land voranginge und die anderen weitermachten wie bisher. Außerdem wurde bei jeder Gelegenheit vorgebracht, Deutschland erzeuge doch eh nur 2% der weltweiten CO2-Emissionen… (Das klang wenig, bezogen auf die absoluten Zahlen, verschwieg aber, dass wir, pro Kopf der Bevölkerung einen viel höheren Ausstoß haben und in der Spitzengruppe liegen.)
Kurzum, die Vernebelung der tatsächlichen Lage ging weiter, während manche PolitikerInnen clevere PR-Aktionen starteten, z.B. Bundeskanzlerin Merkel, die, begleitet von einem Troß von Kameraleuten und Journalisten, per Schiff vor Grönland aufkreuzte, denn die Öffentlichkeit hatte zuvor über die Medien erfahren, dass auch dort das beschleunigte Abschmelzen des Gletscher-Eises zu beobachten war. In den Medien wurde sie darauf schon als „Klima-Kanzlerin“ tiituliert.
Was aber unternahm „die Politik“, Bundes- und Landesregierungen, wirklich, um Klimaschutz zu betreiben? Während z.B. in Paris ein internationales Klimaschutz-Abkommen unterzeichnet wurde, das die globale Erwärmung auf 1,5 Grad begrenzen soll, geschah in Deutschland wenig, gemessen am vereinbarten Ziel. Die Regierung Merkel wurde vom Bundesverfassungsgericht dazu verpflichtet, ein Klimaschutz-Gesetz nachzubessern.
Doch was passierte in Sachen „Energiewende“? Bundes- und Landesregierungen fielen nicht durch Engagement auf, wenn es um den Ausbau alternativer Energien ging: Der Windkraft wurden jede Menge Steine in den Weg gelegt, und die Produktion der Solarstromtechnik wurde dermaßen stiefmütterlich behandelt, dass China die Chance ergriff und mit staatlichen Subventionen alternativlos billige Solaranlagen anbot, die die deutsche Produktion abwürgten.
Die Merkel-Regierung ließ sich von der Industrie auch dazu überreden, den Energiebedarf in großem Stil mit billigem Gas aus Russland zu decken. Wir erinnern uns ja alle noch an den Streit um die Gas-Pipeline „Nord Stream 2“. Im Nachhinein war es peinlich, dass niemand die Warnungen aus der Ukraine und den baltischen Staaten hören wollte. Deutsche Regierungen dachten, Putin sei in der Wirtschaft ein verlässlicher Partner wie früher die Sowjetregierungen.
Aber zurück zur Klimapolitik: Unter Merkel, man muss es so sagen, tat der Wirtschaftsminister alles, um die Energiewende zu torpedieren oder zu verzögern. Toll trieb es auch die bayrische Staatsregierung in Sachen Verhinderung. Noch heute muss man beispielsweise Windräder in Bayern mit der Lupe suchen. Aber ganz vorn dabei sind sie in Bayern, wenn es um die Bekämpfung und Kriminalisierung der Letzten Generation geht, die sich aus Verzweiflung über die lahme Klimapolitik öfter mal auf Straßen festklebt und den Verkehr zum Stillstand bringt. Dabei werden Ursache und Wirkung vertauscht: Die „Klimakleber“ werden kriminalisiert und verteufelt, aber wer redet davon, dass eine lahme oder ganz unterbleibende Klimapolitik in einem moralischen Sinne kriminell ist?
Der aktuelle Finanzminister Lindner und ein Teil seiner FDP fahren eine ähnliche Strategie: Schon die (noch zahmen) Demonstrationen der Bewegung Fridays for Future wollte man inhaltlich nicht ernst nehmen, argumentierte formaljuristisch (mit Verweis auf die Schulpflicht), Lindner selbst sprach ihnen sogar die Sachkompetenz ab. Das fand ich ignorant, denn Lindner schien keine Ahnung davon zu haben, was heutzutage in höheren Klassen auf dem Lehrplan steht. Wer mal einen Schulatlas durchblättert, der um 2015 erschienen ist, der stellt erstaunt fest: Hier geht es nicht mehr wie vor Jahrzehnten um Geografie und ein bisschen Wirtschaft, eher scheint es um viel Wirtschaft, viel Ökologie und ein bisschen Geografie zu gehen. Mein Fazit: Lindner hat sich da als jemand gezeigt, der auch mal forsch was behauptet, ohne Bescheid zu wissen.
Auf jeden Fall sind die (nicht nur jungen) Leute, die sich in Umwelt-Initiativen und politischen Bewegungen engagieren, nicht bloß emotional betroffen, sie haben außerdem Sachkenntnis und wissen meist, wovon sie reden. Solche Leute wünschen sich viele Parteien als Mitglieder, doch die meisten bleiben lieber außen vor, vielleicht weil sie als Parteimitglied Vieles nach außen vertreten müssten, was sie womöglich weniger gut finden.
In den TV-Nachrichten: schon wieder kleine Flüsse, die zu reißenden Strömen wurden, wieder brennen große Waldflächen an verschiedenen Orten des Globus… Hört das denn nicht auf? Wenn Ihr die Wahrheit vertragen könnt: Nein, es wird nicht aufhören, es kann höchstens noch schlimmer werden. Die Wissenschaft hat Euch das längst gesagt. Aber Manche wollen es nicht glauben, sind Meister im Verdrängen, auch wenn täglich das Murmeltier grüßt…
W. R.

Eiertanz

AM Tresen in meiner Stammkneipe kommt mal wieder ein Stammgast in Fahrt (den wir schon kennen):

„Schon wieder haben wir in Deutschland diesen Eiertanz, ganz unnötiig, wie ich finde. Erst waren es „schwere Waffen“, dann Kampfpanzer, nun die Marschflugkörper „Taurus“ mit größerer Reichweite.
Jupp, schnell ein Kölsch!
Wir haben immer noch im Westen etliche Friedensbewegte aus der Zeit vor vier Jahrzehnten, die weder die Zeichen der Zeit erkennen noch begreifen, dass wir in einer ganz anderen Zeit und Weltlage leben als Anfang der 1980er Jahre. „Frieden schaffen ohne Waffen“ war ein schöner Spruch, bei dem mir allerdings schon damals im Hinblick auf manche Weltregionen Zweifel kamen.
Ach ja, vergessen wir nicht: Heute haben wir ein vereinigtes Deutschland, wir haben da auch Leute im Osten, die anders aufgewachsen sind, wo die offizielle Freundschaft mit der Sowjetunion hochgehalten wurde. Wenn die heute noch eine etwas andere Haltung zu Russland haben, ist das ja kein Wunder. Aber auch bei uns im Westen hat man ja die Russen ab 1989 nicht mehr als Feinde gesehen, Gorbatschow war beliebt, wir verdankten auch ihm die friedliche Revolution ohne Eingreifen militärischer Kräfte.

Auf Gorbi! Prost! — Jupp, noch eins!

Ach, Freunde, es hätte alles schöner sein können, wenn Putin nicht an die Macht gekommen wäre und immer autoritärer und antidemokratischer regiert hätte. Und dazu wurde er immer aggressiver, erst in Tschetschenien, wo jeder Widerstand hemmungslos gekillt und ausgemerzt wurde, dann auch in verschiedenen Randbezirken im Süden der ehemaligen Sowjetunion, dann zur Unterstützung des grausigen Assad in Syrien, und dann auf der Krim und in der Ost-Ukraine.

Ja, Jupp, noch eins.

Machen wir uns nix vor, Leute, der Ukraine-Krieg begann zwar offiziell am 24. Februar 2022, aber im Osten der Ukraine war schon seit 2014 Krieg. Und da betätigten sich auch schon die Privat-Söldner von Prigoschin (alias die „Wagner-Truppe“).

Viele Leute verkünden bei uns im Westen: Die Ukraine verteidigt nicht nur ihr Land, sondern auch die Werte der Demokratie und Europas. Da verstehe ich umso weniger diesen Eiertanz um schwerere oder wirkungsvollere Waffen. Entweder wollen wir, dass die Ukraine Erfolg hat, oder… was denn? Soll Putin die Oberhand gewinnen, sollen — nebenbei erwähnt — noch mehr Flüchtlinge kommen und unsere Aufnahmekapazitäten überfordern? Soll die Ukraine langfristig ausbluten? Soll Putin weitere Länder angreifen?

Die Kritiker der Waffenlieferungen machen sich anscheinend nicht klar, welche Optionen überhaupt auf dem Tisch liegen. Und sie scheinen vor lauter Pazifismus wenig Kenntnisse über das Militärische gesammelt zu haben. Krieg verläuft nach eigenen Regeln und kann nicht einfach dadurch gestoppt werden, dass ein paar Leute von der Seitenlinie aus nach Verhandlungen und mehr diplomatischen Bemühungen rufen. Das Getreideabkommen schien ein Beweis zu sein, dass Verhandlungen möglich sind — es ist aber auch ein Beweis dafür, dass Putin sich einen Dreck um den Hunger in der Welt schert und das Abkommen Mitte Juli nicht verlängert hat, einzig um der Ukraine damit zu schaden.

Jupp, schnell noch eins, ich rede mich sonst in Rage!

Also, liebe Leute, wir müssen die Sachen liefern, die die Ukraine dringend braucht. Denn sie hat nicht unbegrenzt Soldaten und Zeit, und mit jedem Kriegstag fliegen russische Raketen und Drohnen in ukrainische Städte. Wie lange soll das noch so weiter gehen? Hört auf mit Spitzfindigkeiten wie „Die Ukraine darf nicht verlieren“, es gibt nur eine vernünftige Option, nämlich „Die Ukraine muss gewinnen“. Bringt Putin endlich militärisch in die Bredouille, dann kommt er an den Verhandlungstisch! Hough, ich habe gesprochen. Bis nächstens, Freunde!

(aus dem Gedächtnis aufgezeichnet am Abend des 12.08.2023 von W. R.)

P.S. Liebe Pazifisten, ich darf daran erinnern, dass ein Krieg nur verhindert werden kann, bevor er anfängt. Im Fall der Ukraine bringt das jetzt nichts mehr. Aber wenn man als Historiker zurückblickt, muss man sagen: Als niemand aufstand und der Ukraine zur Seite sprang, der Putin gerade die Krim stahl und einen schwelenden Krieg in der Ostukraine inszenierte — was musste Putin daraus schließen? Wie Hitler 1938 dachte er: Die westlichen Demokratien sind zögerlich und schwach, ihre Staatslenker Weicheier… Zwar verhandelte er das Minsker Abkommen, dachte aber ähnlich wie Hitler nach dem Münchner Abkommen: Bitte schön, Ihr Friedentauben und Weicheier, ich mache trotzdem weiter, was ich will…

Ihr wisst hoffentlich Bescheid darüber, wie das 1938 und danach lief. Wenn nicht, schlagt im Geschichtsbuch nach.

Wer sich genauer über die Jahre vor dem Ukraine-Krieg informieren möchte, kann z.B. diese Links anklicken: Geschichte des Russland-Ukraine-Konflikts: Stationen seit 2014 | BR24 — und/oder Acht Fragen zum Krieg in der Ukraine | Hintergrund aktuell | bpb.de

Update am 04.09.2023: Olaf Scholz stellt sich nach einem Sturz beim Joggen dem Fotografen und scherzt (?)…

Lupenreine Schurken

NUN dauert er schon weit über 500 Tage, der russische Eroberungskrieg gegen die Ukraine — und kein Ende ist in Sicht. Wie auch? Solange die russische Armee auf dem Schlachtfeld nicht massiv zurückgedrängt wird, sieht die Führung im Kreml keinen Grund, Verhandlungen über ein Kriegsende aufzunehmen.
Was wünschenswert ist, kann leider auf absehbare Zeit nicht erfüllt werden. Viele bei uns in Deutschland meinen, da müsse sich doch mit gutem Willen was machen lassen. Echt? Der „gute Wille“ auf Seiten der russischen Führung zeigt sich bisher hauptsächlich in einer brutalstmöglichen Kriegführung ohne Rücksicht auf Zivilpersonen und zivile Infrastruktur. Russland will den Staat Ukraine eliminieren, will dessen Gebiet vereinnahmen ohne Rücksicht auf die Menschen, die dort leben, und ohne Rücksicht auch auf die eigenen Leute, die für Russlands Großreich-Traum in großer Zahl sterben müssen.
Putin und seine Kamarilla leben in einer Vorstellungswelt, die vielen Menschen bei uns immer noch unbekannt ist: Retro-Wunschvorstellungen vom Großrussischen Reich, wo von Zar Iwan IV. dem Schrecklichen bis Stalin Machtmenschen einen autoritär geführten Staat lenkten und mit allen Mitteln und ohne menschliche Rücksichten für die Vergrößerung des russischen Staatsgebietes sorgten.
In diesem Vorstellungs-Horizont ist kein Platz für Prinzipien wie Menschenrechte oder Demokratie. Auch das Völkerrecht ist für diese Machtbesessenen bloß Papier. Auf allen Kanälen verbreitet die Propaganda des Kreml seit Jahren die Erzählung, dass das weitreichende russische Territorium nur mit harter Hand zu regieren und zusammenzuhalten sei.

Außerdem wird seit Zar Iwan IV. ein Mythos von einem „heiligen Russland“ gepflegt, der Moskau als „Drittes Rom“ feiert und einen engen Schulterschluss von russisch-orthodoxer Kirche und dem Kreml herstellt. Generationen von Russen bekamen diese speziellen Vorstellungen von der russischen Nation bereits in der Schule eingepflanzt. Das schreibt auch Orlando Figes in Eine Geschichte Russlands:

Die Version des Kreml — dass die Russen, die Ukrainer und die Weißrussen alle ursprünglich eine Nation gewesen seien — wurde heraufbeschworen, um den eigenen Anspruch auf eine „natürliche“ Interessensphäre (gleichbedeutend mit einem Recht auf Einmischung) in der Ukraine und in Weißrussland zu untermauern. Wie viele Russen seiner Generation, die die sowjetische Sichtweise der Geschichte eingetrichtert bekamen, erkannte Putin die Unabhängigkeit der Ukraine nie wirklich an. Noch im Jahr 2008 sagte er dem US-Präsidenten, die Ukraine sei „kein richtiges Land“, sondern ein historischer Teil Großrusslands, eine Grenzregion, die das Moskauer Kernland vor dem Westen schütze. Nach dieser imperialen Logik hatte Russland das Recht, sich gegen westliche Vorstöße in die Ukraine zu wehren. Russlands Annexion der Krim, der Beginn eines langen Krieges gegen die Ukraine, leitete sich von dieser zweifelhaften Deutung der Landesgeschichte ab. Die Invasion war Russlands Antwort auf den „Putsch“ in Kiew, wie der Kreml die Maidan-Revolution nannte, der als Volksaufstand gegen die prorussische Regierung Janukowitschs begonnen hatte. (…) Das Volk der Ukraine hatte mit dem „Euromaidan“ seine „europäische Entscheidung“ getroffen.

Orlando Figes, Eine Geschichte Russlands, London 2022, dt. Ausgabe Stuttgart 2022, 8. 2023, S. 16

Putin tut alles, um dieses Geschichtsbild zu verstärken. Er will den Russen seine Politik als Wiederaufnahme und Fortsetzung der altgewohnten großrussischen Politik vermitteln. Zusätzlich behauptet die Propaganda des Kreml, Russlands „natürliche“ Interessen- und Einflusssphäre sei vom Westen bzw. der Nato bedroht. Diese Erzählung verfängt z.T. auch im Westen und wird von russischen Trollfabriken über das Internet ständig wiederholt. Das hat einen gewissen Erfolg bei Russland-Freunden, die Putins Behauptung von der aggressiven Nato-Osterweiterung aufgreifen und sogar glauben wollen, dass sich Russland mit dem Überfall auf die Ukraine nur verteidige.
Solche Propaganda treibt erstaunliche Blüten, z.B. im russlandfreundlichen Serbien, wo ein paar Boulevard-Zeitungen am 24.2.2022 titelten: „Ukraine greift Russland an!“. Da bleibt einem die Spucke weg: Die Tatsachen werden frech auf den Kopf gestellt.

„Aber was ist denn so schlimm an Putins Geschichtsbild?“ könnte jetzt jemand ganz naiv fragen. „Ist doch toll, wenn Einer sein Vaterland wieder groß machen will!“ Das meint auch Donald Trump, der mit dem Slogan „Make America great again!“ in den Wahlkampf zog, einer Phrase ohne Inhalt, dafür aber simpel. Dazu sagte schon Mephisto in Goethes Faust: „Es meint der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“ Wer aber denken nicht gewohnt ist, der geht leicht jedem Gewäsch auf den Leim und nimmt jeden Werbespruch für bare Münze.

Wenn Nationalismus so toll ist, wenn also viele Staaten der Erde größer und bedeutender werden wollen — dann brauchen wir, um Konflikte und Kriege zu vermeiden, viel mehr Platz, am besten eine zweite Erde, oder die großsüchtigen Staaten expandieren in den Weltraum, gründen Kolonien auf Mond und Mars und platzieren jede Menge Raumstationen im erdnahen Orbit.

Bei dieser Gelegenheit wäre mal zu fragen, ob die Menschheit wirklich so viele Weltraumprogramme braucht, mit denen einige Staaten um Prestige konkurrieren. Würden nicht 1-2 solcher staatlicher Programme reichen, um den erdnahen Weltraum zu erkunden und Nachrichtensatelliten zu platzieren? Statt Konkurrenz könnte internationale Zusammenarbeit (nicht nur auf erdnahen Raumstationen) nützlich sein.

Es wird selten darüber gesprochen, aber seit Jahren schon kreist eine Menge Schrott von Raketen und Satelliten um die Erde, der für Astronauten lebensgefährlich ist und manchmal auch auf die Erde herabstürzt, wobei nicht immer alles in der Atmosphäre verglüht. Trotzdem werden ständig neue Satelliten ins All befördert, viele davon zu militärischen Zwecken.

Aber bleiben wir mal bei den Folgen der Großmannssucht auf der Erde. Putins oben beschriebene politische Ideologie bedeutet eine direkte Bedrohung der Nachbarstaaten Russlands, denn wenn ein Staat größer werden will, muss das ja auf Kosten anderer Staaten geschehen. Das aber lässt sich in der heutigen Welt weder moralisch noch völkerrechtlich begründen. Deshalb greift Putin so weit in die Vergangenheit zurück. Sein Pech: Was vor Jahrhunderten, in einer anderen Welt, noch als Recht des Stärkeren hingenommen wurde, kollidiert heute mit den allgemein geteilten Ideen von internationalem Recht, sei es Völkerrecht, seien es internationale Vereinbarungen.

Was mit Blut, Schweiß und Tränen und in vielen mühevollen und langwierigen Verhandlungen im Verlauf des 20. Jahrhunderts erreicht wurde, will Putin beiseite wischen und die Welt zurück katapultieren in eine Zeit der ungeschminkten Machtpolitik und der Kabinettskriege, in der Verträge nur so lange Bestand hatten, wie die Beteiligten sich Vorteile davon versprachen, und in der das Volk bzw. die Bevölkerung überhaupt nicht gefragt wurde.

Dazu passt, dass er in Russland eine Organisation namens Memorial verbieten ließ, die bei der Aufarbeitung der russischen Geschichte auch Stalins Verbrechen genauer in den Blick nahm. Das wollte Putin nicht zulassen, weil er wie die Zaren und die ihnen folgenden Machthaber keine Kritik an staatlichem Handeln dulden will. Denn für Putin und seine Anhänger ist alles gerechtfertigt, was die Macht stabilisiert, inklusive Gewalt im Inneren und Krieg nach außen sowie Mord an Oppositionellen selbst im Ausland (Auch das hat Stalin schon vorgemacht).

Was will man denn auch von einem Politiker erwarten, der gar kein gelernter Poltitiker ist, sondern eine Karriere im Geheimdienst KGB durchlaufen und zwei Grundsätze verinnerlicht hat: „Der Zweck heiligt die Mittel“ und „Wenn du die Macht hast, gib sie nicht wieder her.“ Es war wirklich ein schlechter Witz, dass ein deutscher Politiker, der sich zu Putins Freunden zählte, ihn 2004 in einem Interview einen „lupenreinen Demokraten“ nannte. Denn leider ist Putin so ziemlich das Gegenteil.

Spätestens als Putin aktiv und militärisch in Syrien zugunsten des blutigen Diktators Assad eingriff und ohne Skrupel auch Schulen, Krankenhäuser und Wohnviertel gezielt bombardieren ließ, war er für mich moralisch in die unterste Schublade gerutscht. Und daher wunderte ich mich nicht, als ich seit Februar 2022 hörte, dass seine Soldaten und speziell die sogenannte Gruppe Wagner Kriegsverbrechen verübten — offenbar als Teil geplanter Strategie.

Für Putin ist es quasi eine Selbstverständlichkeit, Tatsachen auf den Kopf zu stellen und bis an die Grenze der Lächerlichkeit die Fakten zu verdrehen. Beispiel: Er lässt alles Mögliche in der Ukraine fast täglich bombardieren, aber wenn mal eine Drohne auf der Krim oder in Moskau niedergeht, spricht er gleich von „Terror“ der Ukraine. Wer nimmt das noch ernst? Machthaber rund um den Globus nennen ihre Kritiker und Gegner seit Langem gewohnheitsmäßig „Terroristen“ oder „Unterstützer von Terroristen“. Das erinnert uns doch eher daran, dass Terror vor allem von diesen Machthabern ausgeht.

Warum arbeitet Putin z.B. mit dem Regime von Nordkorea zusammen? Dessen Diktator lässt eine geistige Verwandschaft mit Putin erkennen: Es geht beiden um Macht und Machterhaltung — so ziemlich um jeden Preis (den hauptsächlich die Bevölkerung dieser Staaten bezahlt). Kim Yong-Un lässt sein Volk auch mal hungern, wenn nur sein Atom-Rüstungsprogramm vorankommt. Putin will seit Mitte Juli 2023 das Getreideabkommen nicht verlängern, um der Ukraine zu schaden, und verstärkt in einigen Ländern des globalen Südens den Hunger, weil er auch die Weltmarktpreise für Nahrungsmittel in die Höhe treibt. Auf seinem Afrika-Russland- Gipfel in St. Petersburg zeigte sich jedoch, dass afrikanische Politiker nicht doof sind und seine Propaganda durchschauen: Einige forderten ihn auf, das Getreide-Abkommen wieder in Kraft zu setzen.

Muss die „Weltgemeinschaft“ sich nicht mal langsam gegen Putin und andere Schurken wehren? Haben wir nicht ohne solche Figuren schon genug Probleme, die gelöst werden müssen? Auch wenn das einige AfD-Sympathisanten nicht wahr haben wollen: Wir leben längst in einem „globalen Dorf“, in dem es nicht mehr egal ist, wenn „in China ein Sack Reis umfällt“, wie es sprichwörtlich früher hieß.

Und wenn im UN-Sicherheitsrat Schurken mit Vetorecht sitzen, dann zeigt das nur, dass diese nach dem Zweiten Weltkrieg etablierte Institution dringend reformbedürftig ist. Denn Probleme lösen kann sie nur noch in wenigen Fällen, nämlich dann, wenn die Machtinteressen von Russland, China und einigen anderen ständigen Mitgliedern nicht betroffen sind.

W.R.

siehe dazu auch: Beitrag „Nicht mehr tolerierbar“ vom 01.05.2023

Bierzelt-Politik

UND wieder mal macht am Tresen Einer seinem Herzen Luft:

Ja, was ist denn schon passiert? Kennt jemand hier überhaupt Sonneberg? Das ist der kleinste Landkreis Deutschlands, da wurde ein Landrat gewählt. Und ein Landrat ist nicht viel mehr als eine Galionsfigur, die vertritt, was der Kreistag beschlossen hat. Im Kreistag dort ist die AfD aber derzeit eine kleine Fraktion. Also, was soll die Aufregung?
Jupp, ein Kölsch, und bitte schnell!
Du meine Güte, was regen sich jetzt die anderen Parteien künstlich auf, weil ein Mann der AfD diese Wahl gewonnen hat und nicht der bisher amtierende CDU-Mann. Komisch ist, dass die CDU in Berlin sich hinstellt und sagt, die Ampel-Regierung sei schuld. Wirklich komisch! Die größte Oppositionspartei wird doch geradezu vorgeführt: Die Mehrheit der Wählenden hat da eine Partei gewählt, von der sie genau weiß, dass die gar keine konstruktive Politik machen können und wollen. Es geht ihnen nicht um kluge Opposition, nein, es geht um „mal richtig auf den Putz hauen.“ Politik in der Demokratie ermüdet sie sowieso, ist ihnen zu kompliziert. Sie wollen es wie im Bierzelt krachen lassen.

Ich möchte solchen WählerInnen manchmal zurufen: Dann geht doch nach Russland und fühlt euch da aufgehoben! Ihr glaubt ja sowieso allen Quatsch, den die Russen ins Internet spülen.
Viele Menschen im Osten der Republik dürften wissen: Wenn wir wirklich die AfD ans Ruder lassen, dann geht es bergab. Diese Partei nennt sich gern „patriotisch“, aber falls sie das Sagen bekommen, werden z.B. ausländische Investoren abwandern, werden ausländische Fachkräfte einen Bogen um die ausländerfeindlich regierten Länder machen, usw. Wem schadet das? Na? Wie wär’s zur Abwechslung mal mit Denken?
Jupp das nächste.
Das ist ja das Geschäft der Populisten: Auf den Bauch der Leute zielen, dumpfe Gefühle und Empörung schüren und verstärken, Aufputschmittel in Form simpler Parolen verabreichen und damit die Leute am Denken hindern …
Ach, Jupp, ich muss mir mal wieder die Politik schöntrinken. Ja, noch eins.
Aber Saufen ist ja auch keine Lösung, schon gar nicht für politische Probleme. Bei steigendem Alkoholpegel grölen viele Leute noch ungehemmter jeden Blödsinn mit. Das geht mir auf den Zeiger! Und wenn solche „Patrioten“ auch noch anfangen, alle Leute anzupöbeln, die aussehen, als wären sie keine „Bio-Deutsche“, dann kann man sich nur noch fremdschämen für diese Plattköpfe. Die sind so beschränkt, dass sie ernsthaft meinen, sie könnten ihre kleine Welt zurückdrehen in eine Retro-Utopie, eine Schrebergarten-Schwarzwalduhr-Idylle, wo alle gleich aussehen, gleich ticken, und am liebsten im Gleichschritt hinter einem Führer herdackeln.

Schnell, das nächste, Jupp, ich muss nachspülen, sonst steigt mir noch die Kotze hoch!

(aufgezeichnet kurz nach dem Kneipenbesuch von W. R.; sorry, liebe FreundInnen der Schrebergärten und Schwarzwalduhren, das geht nicht gegen Euch, sondern — Ihr wisst schon)

—————-

Nachtrag am 01.08.2023: Nachdem ich mehrere Stimmen vom AfD-Parteitag gehört habe, muss ich kurz und sachlich zusammenfassend über diese Partei sagen: DIE AfD IST DIE MENSCHENGEMACHTE VOLKSVERDUMMUNG. Und ihre Führer, die ständig Unsinn verbreiten, sind auch noch mächtig stolz darauf, dass sie soviele Leute foppen können… Und ihre Opfer können einem leid tun.

Schon Bertolt Brecht schrieb über Hitlers WählerInnen: „Die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber.“ Das haltet Ihr für maßlos übertrieben oder anmaßend? Schön wär’s. Aber diese Studie hier sagt etwas Anderes: DIW: AfD-Wähler würden laut Studie am stärksten unter AfD-Politik leiden – DER SPIEGEL

P.S.: Wer ein zu kurzes Gedächtnis hat, der schaue mal in den Blog-Beitrag von Juni 2016…! …. (Ich sehe nun: Es war doch gut, ältere Blog-Beiträge nicht zu löschen.)